Am 3. Oktober veranstaltet das Friedensbündnis „Nie wieder Krieg“ eine bundesweite Friedensdemonstration in Berlin. Das Bündnis hatte bereits im vergangenen Jahr eine Demonstration organisiert, an der Zehntausende teilgenommen haben. Mit Reiner Braun, Mitglied des Koordinierungsgremiums, haben wir über die Vorbereitungen gesprochen.

Foto: Yeni Hayat
Was könnt ihr zu den Vorbereitungen zum 3. Oktober sagen? Was wird anders als eure Demo im November 23 sein?
Wir planen die Demonstration schon länger. Diesmal werden wir erstmal einen Sternmarsch von drei Plätzen auf den zentralen Kundgebungsplatz am Großen Stern durchführen. Die Demonstration wird bunter und vielfältiger sein, als im November. Sie wird auch politisch breiter, dafür stehen die zentralen KundgebungsrednerInnen von Peter Gauweiler (CSU), Sabine Lötsch (die Linke), Ralf Stegner (SPD) und Sahra Wagenknecht (BSW), viel prominenter kann es ja kaum werden. Dazu kommen die RednerInnen aus der Friedens- und den verschiedenen sozialen Bewegungen, eingerahmt durch attraktive Kulturprogramme auf allen Bühnen.
Wie dringlich ist eine bundesweite Demonstration. Welche Motivation steckt dahinter?
Die Aussage „wann, wenn nicht jetzt?“ trifft die Situation. Mit der Stationierung auch atomar nutzbarer Erstschlagswaffen haben wir eine neue Dimension von Herausforderung direkt in unserem Land. Die Mittelstreckenwaffen, die 2026 zu uns kommen sollen, fordern zu umgehendem scharfen Widerspruch breiter Teile der Bevölkerung gegen die Bundesregierung auf. Da Raketen Magneten sind, sind wir hier in Deutschland in höchster Gefahr, zum Kriegsschauplatz zu werden – bis hin zu einem atomaren Inferno. Die Dringlichkeit der Gefahrenabwehr verschärft den Widerspruch gegen die Militarisierung. Unsere Antwort ist: Stopp, keine Stationierung und nachhaltige Abrüstung.
Welche inhaltlichen Schwerpunkte wollt ihr mit dieser Demonstration setzen?
Die Demonstration spiegelt die Komplexität der politischen Landschaft wider. Deshalb Waffenstillsand und Friedensverhandlungen für den Krieg in der Ukraine und den Gaza Konflikt. Deshalb ein Ende der wahnsinnigen Aufrüstung, die täglich die soziale Lage verschlechtert, für eine Menge Menschen auch gravierend. Ganz prinzipiell braucht es ein Ende der Konfrontation zugunsten einer Politik der gemeinsamen Sicherheit
Wegen der Stationierung der Mittelstreckenraketen in Deutschland scheint es eine breite Empörung zu geben. Wird sich das bei eurer Demo widerspiegeln?
Ja, die Breite und Vielfalt kann man schon jetzt bei den Aufrufern zur Demonstration und den RednerInnen sehen. Die vielen Teilnehmerinnen und Teilnehmer werden ein gesellschaftlicher Querschnitt mit Dominanz aus dem Osten sein. Aber dies kann erst der Beginn einer Protestbewegung sein, wir müssen noch viel zahlreicher, pluraler und unterschiedlicher werden, um die Kraft aufzubringen, den Katastrophenkurs unserer Regierung umzudrehen
Warum schaffen es andere Friedensnetzwerke, wie der Friedensratschlag, nicht, bundesweit zu mobilisieren. Was ist das besondere eurer Initiative?
Wir schaffen es nur gemeinsam oder gar nicht. Jede Initiative und jedes Netzwerk, sei es der Bundesausschuss Friedensratschlag oder die Kooperation für den Frieden, wie auch die hunderte Friedensinitiativen und dem Frieden verbundenen Organisationen, leisten ihren Beitrag und wenn alles wie ein Zahnrad ineinandergreift, sind wir erfolgreich. Wir stehen mit dieser Wiederbelebung alter Größe erst am Anfang. Unserer Initiative „Nie wieder Krieg“ kommt zwar der „Verdienst“ zu, den Mut gehabt zu haben im November 2023 und jetzt wieder die Initiative ergriffen zu haben. Aber es geht nur mit allen zusammen – übrigens auch mit denen, die den einen oder anderen inhaltlichen Punkt anders sehen als wir. Dafür muss Platz und Spielraum sein, wenn wir in dieser außergewöhnlich komplizierten Situation erfolgreich Widerstand leisten wollen.
Wie ist die Zusammenarbeit mit Gewerkschaften?
Offen gesagt, ausgesprochen kompliziert. Viele Basisinitiativen und Gruppen aus den Gewerkschaften machen mit. Wir sind dem Netzwerk der Gewerkschaften für den Frieden eng verbunden, waren auch aktiv auf dem Gewerkschaftsfriedenskongress in Stuttgart vertreten. Auch immer mehr Strukturen aus den Gewerkschaften bis hin zu Landesstrukturen unterstützen die Demonstration. Leider gibt es bei den Vorständen Stillhalten, Schweigen bis hin zu Ablehnung. Dabei ist unser Aufruf sehr konsensorientiert, ist aber in seiner Ablehnung des Militarismus deutlicher als die Beschlüsse der Gewerkschaftskongresse der IGM und sehr viel mehr als von ver.di. In den Spitzen überwiegt leider – ein für mich völlig unverständliches – Stillhalten gegenüber der Bundesregierung, insbesondere, was die Arbeitsplatz-vernichtenden Folgen dieser Kriegs- und Deindustrialisierungspolitik betrifft. Dabei ist doch Frieden historisch ein zentraler Punkt gewerkschaftlichen Engagements. Hier haben wir noch dicke Bretter zu bohren – bis zur Demonstration und erst recht danach.
Wie macht ihr weiter?
Jetzt müssen wir erst einmal mobilisieren, mobilisieren und noch einmal mobilisieren. Dann sollten wir alles in Ruhe auswerten. Offensichtlich ist doch aber, dass wir eine breite Volksbewegung bis 2026 gegen die Mittelstreckenwaffen und ihre Stationierung brauchen. Diese Demonstration muss dazu ein unüberhörbarer und unübersehbarer Auftakt sein, ein Startpunkt für eine breite Kampagne.