Written by 16:39 uncategorized

Am Knackpunkt angekommen

İhsan Çaralan

Nachdem Syrien zugegeben hatte, den RF-4 Kampfjet unabsichtlich abgeschossen zu haben, folgten die Aussagen von Regierung und Generalstab in Form von „Syrien hat unseren Flieger, der weder bewaffnet war, noch eine Bedrohung darstellte, feindselig mit einer Rakete, 13 Seemeilen von ihren Hoheitsgewässern entfernt, abgeschossen.“

Bis vor Kurzem, auch wenn man die Aussage der syrischen Regierung, dass sie das Flugzeug im syrischen Gebiet abgeschossen haben, mal außen vor lässt, vertrat der türkische Ministerpräsident und das Außenministerium auch mit großer Überzeugung diese These. Und dies trotz der russischen und US-amerikanischen Regierung, die diese These verspotteten. Zudem beschuldigte die türkische Regierung noch diejenigen, die auf diesen Widerspruch hinwiesen, als “Verräter der Vaterlandspolitik” und als Anhänger der Baath-Bewegung.

Doch seit Kurzem steuert der türkische Staat wieder einen Richtungswechel an und macht auch Aussagen dieser Natur. Mit dieser Kehrtwende hörte man auch schon aus den Reihen des Generalstabs nicht mehr den Satz “das von dem syrischen Militär mit feindlichen Absichten abgeschossene  Flugzeug”, sondern nur noch, “das wahrscheinlich vom syrischen Militär abgeschossene Flugzeug”.

Wir sind also am Knackpunkt angekommen. Diejenigen, die bis jetzt behauptet haben „unser Flieger wurde feindselig abgeschossen“ und somit fast einen Krieg angezettelt hätten, versuchen nun mit Aussagen wie „Es befinden sich noch Wrackteile am Meeresboden, erst nachdem diese vorhanden sind, können klare Schlüsse gezogen werden“ ihre peinliche Haltung in Vergessenheit zu bringen.

Die letzten Ermittlungen ergeben, dass der RF-4 Jet nicht von Syrien abgeschossen wurde, sondern es zum Sturz durch technische Fehler kam. Syrien jedoch davon ausging den Jet abgeschossen zu haben, da sie auf ihn geschossen haben.

Wenn die Entwicklungen seit dem Absturz genauer betrachtet werden, rücken zwei wichtige Punkte in den Vordergrund:

Mit ihrer ersten Behauptung „Syrien hat unseren Flieger, der weder bewaffnet war, noch eine Bedrohung darstellte, feindselig mit einer Rakete, 13 Seemeilen von ihren Hoheitsgewässern entfernt, abgeschossen.“, hat die Regierung die Bevölkerung in der Türkei und die Weltöffentlichkeit betrogen und steht nun als Land da, dem kein Wort mehr zu glauben ist.

Die Türkei wurde von allen verspottet, da sie nicht in der Lage war zu ermitteln, wie ihr Kampfjet vor der eigenen Nase abstürzen konnte. Denn den USA, England, Russland, Israel und Syrien war bewusst, wie es zum Sturz kam, die Türkei als die wichtigste Macht in diesem Gebiet, wusste es nicht. Obendrein haben die USA und Russland indirekt auf diplomatische Art versucht, die Türkei zu warnen, dass ihre Thesen und die Beweise nicht zusammenpassen.

Es wird natürlich der Frage nachgegangen werden, warum dieser Flieger dort, in den Hoheitsgebieten von Syrien so tief geflogen ist und damit auch die Frage nach der Syrienpolitik der Türkei. Mittelfristig wird jedoch die zweite Feststellung noch wichtiger sein. Denn die Türkei als die Macht im nahen Osten und in der islamischen Welt, wusste nicht, was Russland, USA, Israel, England und Syrien wussten. Sie steckt in so einem Chaos, dass sie ohne zu wissen, wie ihr Jet abgestürzt ist, dem Nachbarland fast den Krieg erklärt hätte. So einem Land können weder Freunde noch Feinde vertrauen. Dies ist kein Zufall oder Unglücksfall, sondern der Punkt, an dem die Außenpolitik der AKP Regierung, von Davutoglu und Erdogan angelangt ist.

Genauso, dass Verbot der Abtreibung und des Kaiserschnitts, mit der Behauptung, diese seien nur ein böses Spiel der Feinde der Türken, um sie auszulöschen. Es ist kein Zufall, dass das Babysterben zunimmt, nachdem ohne über gesundheitliche, soziale oder psychische Probleme von Betroffenen nachzudenken, dieses Verbot eingeführt wird.

Genauso, wie die Bombardierung der 34 Kinder und Jugendliche, durch türkische Kampfjets in Roboski kein Zufall oder Unfall waren.

Genauso, wie die Wartung von der FSM und Halic Brücke den ganzen Istanbuler Verkehr lahm legte, kein Zufall war.

Genauso, wie es kein Zufall war, dass in Ankara und Istanbul, während den U-Bahnarbeiten der Boden einriss und Menschen reinfielen. Gierige Auftragnehmer, ungenügende Kontrollen und die Absicht, seine Anhänger reich zu machen, bringen diese unausweichlichen Ergebnisse.

Genauso, wie es kein Zufall war, dass bei der 4+4+4 Reformierung im Bildungssystem, durch die islamischen Geistlichen die Regierung und die Bevölkerung sich gegenüber standen.

Genauso, wie es kein Zufall war, dass im Parlament ein alevitischer Abgeordneter ein Cemevi (Gebetshaus der Aleviten) angefordert hat, der Parlamentsvorsitzender jedoch antwortete „ein Cemevi ist kein Gebetshaus, auch für die Aleviten ist die Moschee das Gebetshaus.“

Genauso, wie es kein Zufall war, als bei der „Demokratischen Verfassung“ von der „eine Nation- Mentalität“ ausgegangen wurde.

Genauso, wie es kein Zufall war, dass bei einer gerichtlichen Verurteilung entgegen der Reformen die Mörder von sieben Jugendlichen freigesprochen werde.

Genauso, wie es kein Zufall war, dass ein AKP Abgeordneter, am 19. Jahrestag des Massakers von Sivas, im Parlament davon spricht, dass die Mörder genauso unschuldig seien wie die Menschen, die im Brand umgekommen sind.

Bei einfachen Menschen gibt es sicherlich Zufälle und Unfälle, jedoch in der Politik nicht. Im Gegenteil, jede Entwicklung ist ein unausweichliches Ergebnis der Handlungen. Nur die Tatsache, wann es ans Tageslicht gerät oder geraten kann, hat mit Zufall zutun. Weder mit Drohungen noch mit Kontrollversuchen über die Medien und Politik, oder mit der Leugnung der Tatsachen, können die Ereignisse verheimlicht werden. Vor allem, wenn die Zufälle sich so häufen, ist es ein Zeichen dafür, dass die führende Politik kurz davor ist, gegen die Wand zu laufen. Denn nicht nur wie bei dem Beispiel mit dem Jetabsturz, bei der Außenpolitik, ist man am Knackpunkt angelangt, sondern auch in allen anderen Bereichen der Politik.

Close