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Jugendcamp in der Türkei

Das Jugendcamp in Izmir/Dikili, welches vom 10. Juli bis 18. Juli unter dem Motto “Freiheit für Natur, Wissenschaft und Menschheit ” stattfand wurde mit vollem Erfolg beendet. Die über 1300 Teilnehmer aus ganz Anatolien hatten 8 Tage lang die Möglichkeit, an verschiedenen  AGs teilzunehmen, Seminare zu besuchen, gemeinsam am Strand zu feiern und das Leben kollektiv zu gestalten. Angeboten wurden AG’s wie Wirtschaft und Politik, Foto, Zeitung und TV, kurdische Sprache und Kunst. Wie jedes Jahr wurde ein Denkmal gebaut, an dem sich mehrere hundert Jugendliche beteiligt haben. Die vielfältigen Seminare und Podiumsdiskussionen erregten viel Aufsehen. Themen wie die Geschichte der Jugendbewegung, die Entwicklung der Arbeiterklasse, das Kurdenproblem wurden inhaltlich bewertet und vergangene sowie zukünftige Jugendbewegung/-arbeit kontrovers diskutiert.

 

Jugendarbeit voranbringen

Ein zentrale Rolle auf Jugendcamp wurde der Jugendbewegung zugeschrieben. Über die Jugendbewegung in der Türkei und die Rolle der Emek Jugend wurde viel diskutiert. Als Referent war der Autor des Buches “Über den Jugendkampf und die Mobilisierung der Jugend” Ercüment Akdeniz eingeladen. Dabei wurde betont, dass jeder Jugendliche, der die Forderungen nach Demokratie und Frieden hat und ebenso eine kostenfreie Bildung fordert und sich für eine gerechte Gesellschaft einsetzt, ein Emek-Jugendlicher ist,  ganz unabhängig von der Herkunft.

 

Arbeiterjugend- wichtiger denn je!

Unter den Campteilnehmern waren ebenfalls Gewerkschaftsvertreter, streikende Arbeiter der Schuhfirma Togo und Billur Tuz. Diese betonten immer wieder, dass die streikenden Arbeiter auf Unterstützung von aussen angewiesen sind und der Emek Partei dankbar sind für ihre Unterstützung. Die streikenden Arbeiter führten weiterhin an, dass die Mobilisierung der Arbeiter in Zeiten der AKP-Repressionen wichtiger denn je ist, da diese besonders jetzt um ihre Existenz kämpfen müssen.Weiterhin waren die Vorträge und Podiumsdisskussionen für Studenten, Schüler und Arbeiter aufgeteilt, um so Probleme gezielter zu erfassen und spezifischer vorzugehen.

 

Trotz den Repressionen zweitsprachig

Das diesjährige Camp war zweisprachig gestaltet. Auch wurde über das ‘Kurdenproblem’  viel diskutiert. Somit hatten Menschen, vor allem aus dem türkischen Westen, die Möglichkeiten, sich mit kurdischen Kollegen zusammenzusetzen, um so ihren Forderungen zuzuhören. Die Kommunikation zwischen dem kurdischen und türkischen Volk wurde auf dem Camp gefördert. Menschen verschiedener Herkunft hatten die Möglichkeit, sich über das “Kurdenproblem” auszutauschen. Das Hauptseminar zum Thema Kurdenfrage wurde von der Emep Vorsitzenden Selma Gürkan und dem Parlamentsabgeordneten Levent Tüzel referiert.

Menschen wurden  mobilisiert, um sich gegen Probleme, die durch die Regierung und andere Machthaber entstehen, zu organisieren. Dabei wurde festgestellt, dass die Jugendlichen unabhängig von der Herkunft, die selben Probleme zu bewältigen haben und gemeinsam gegen diese vorgehen müssen. Trotz allen Repressionen, die momentan in der Türkei verschärft sind, sprachen sich die Jugendlichen für Brüderlichkeit zwischen den Völkern aus.

Die Forderungen nach einer kostenfreien Bildung, Freilassung für alle politischen Gefangenen und vor allem Frieden standen im Vordergrund. Die Jugendlichen organisierten das Campleben zusammen. Die Aufgaben wurden gemeinsam gemeistert. Auch das Kochen und Putzen wurde gemeinsam organisiert.

 

Der bekannte Regisseur Onur Ünlü, sowie auch Bands wie Eski Bando, Bajar, Luxus, Yel Degirmeni, Burhan Berken sorgten für kulturelle Unterhaltung und eine gute Stimmung.

 

Ezgi Güyildar

 

Interviews

 Camp Komitee Caglar Kaza, 22 Jahre studiert Tourismus

Das hier ist unser 10. Camp und bis jetzt ist es das technisch unproblemste Camp überhaupt. Ungefähr 1500 Jugendliche aus allen Richtungen der Türkei sınd hier. Hauptsächlich sind Abiturienten hier. Es werden 13 AGs angeboten, die auch gut besucht werden. Das Camp ist zweisprachig, die Moderationen werden auf türkisch und kurdisch gemacht, die Schriften auch,  weil es die Türkei wiedergibt. Denn in der Türkei leben Kurden und wir wollen damit zeigen, dass eine Zweitsprache anzubieten, nicht das Land teilt, sowie es in den bürgerlichen Medien dargestellt wird, sondern dass alles brüderlicher wırd und wir so voneinander lernen können.

 

Sezma Tıryakı,11. Klasse Istanbul

Dies ist mein erstes Camp. In der Türkei zahlen im Bildungssystem alles die Schüler. Wir wollen eine kostenfreie Bildung. Wir haben ja schliesslich ein Recht auf Bildung. Es werden Ausflüge gemacht, die normale Arbeiterkinder sich nicht leisten können und es besteht jedesmal Anwesenheitspflıcht. Ein weiteres Problem ist der gezwungene Religionsunterricht. Die Aleviten stehen immer noch unter grossem Druck und hier auf Camp habe ich festgestellt, dass andere Schüler auch dieselben Erfahrungen gemacht haben. Das Schulsystem in der Türkei hat im vergangenen Jahr dafür gesorgt, dass Schüler sich wegen dem Uniaufnahmestress umgebracht haben oder Herzinfarkte erlitten haben und weil dieses nicht mehr so weiter gehen kann, organisieren wir uns als Schüler und haben sogar durch Schulboybott in İstanbul/Kartal dafür gesorgt, dass die Ausflüge, die sich nur Schüler aus reichen Familien leisten können, nicht mehr anwesenheitspflichtig sind.

 

Mehmet Karasakal, 29 Jahre alt, Arbeiter in der Togo Schuhfabrik

Ich bin einer der 35 entlassenen Arbeiter in der Togo Schuhfabrik und arbeitete seit 7 Jahren dort. Wir arbeiten unter schweren Bedingungen und unter niedrigem Lohn. Wenn wir zum Chef hingegegangen sind und eine Gehaltserhöhung haben wollten, hat er uns die Tür gezeigt und hat uns darauf hingewiesen, dass es uns frei zustehen würde, zu gehen. Deshalb sind wir in die Gewerkschaft eingetreten und daraufhin wurden wir beurlaubt und anschließend auch entlassen. Das Camp gefällt mir sehr, da es sehr solidarisch ist und einige Leute hier uns auch während unseres Kampfes unterstützt haben. Diese haben uns während unseren Streiks immer wieder unterstützt. Im Grundgesetz steht, dass jeder Mensch ein Recht auf Gewerkschaftsmitgliedschaft hat und sogar in 2 Gewerkschaften eintreten darf . Wir sind in eine Gewerkschaft eingetreten und wurden entlassen. Was passiert dann, wenn wir in die zweite Gewerkschaft eintreten!? Trotzdem werden wir solange kämpfen, bis wir 35 entlassenen als Gewerkschaftsmitglieder wieder in der Fabrik aufgenommen werden und unsere Rechte und die Rechte der anderen Arbeiter verwirklichen werden.

 

Melih Tekel, 22 Jahre

2 Jahre lang habe ich in der Fabrik gearbeitet neben der Schule. Für mich ist es nicht so schlimm, da ich noch bei meiner Familie wohne. Die Arbeitsbedingungen waren sehr schlecht es war uns sogar verboten, während der Arbeitszeit auf Toilette zu gehen. Nachdem wir in die Gewerkschaft eingetreten sind, ist uns aufgefallen, wie sehr man versucht, die Arbeiter zu spalten und das bewusst. Nach dieser Zeit hatten wir ein Zugehörigkeitsgefühl.Wir waren wie eine Familie.

Necip Baytar:

Ich habe fast 3 Jahre bei Togo gearbeitet. Bevor ich in die Gewerkschaft eingetreten bin, habe ich mit meinem Vater gesprochen und er hat mich unterstützt. Mein zwei Jahre jüngerer Bruder hat auch in der selben Fabrik gearbeitet und hatte einen Arbeitsunfall, wobei er sich in den Arm gebohrt hat. Als der Vorarbeiter und ich mit ihm zum Krankenhaus gefahren sind, wollten die Polizisten im Bericht Arbeitsunfall angeben. Jedoch hat unser Fabrikbesitzer angerufen und die Polizisten mit Schuhen bestochen, sodass die als Grund nicht mehr Arbeitsunfall angegeben haben.Wir haben sie deshalb verklagt und etwas Schmerzensgeld bekommen. Hier geht es zwar nicht um Geld,  aber wir wollen unsere Rechte haben. Das Interesse auf Camp für unsere Situation ist wirklich enorm groß und das motiviert mich umso mehr!

 

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