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Antirassismus ist unverhandelbar

Im Rahmen des 21. März, dem internationalen Tag gegen Rassismus haben wir mit Romin Khan, Referatsleiter Migrationspolitik beim ver.di Bundesvorstand gesprochen. Romin ist ebenso Vorstandsmitglied der „Gelben Hand“, einem Verein für das gewerkschaftliche Engagement gegen Rechts.

Alev Bahadır

Foto: Privat

Bei manchen der antifaschistischen Massendemonstrationen geht es beim Thema Rechtsruck fast nur um die AfD. Ist das die Lösung?

Das ist sicher nicht die Lösung. Ich glaube auch nicht, dass das der klare Ausdruck der Demonstrationen ist. Es geht jetzt erst einmal darum, einen möglichst breiten Konsens herzustellen. Aber es ist schon ein klares Signal vieler Demonstrationen, auf die Verantwortung der demokratischen Parteien für diesen Rechtsruck hinzuweisen. Aber ohne dass es in Richtung Spaltung geht. Wir haben unterschiedliche Kräfte in den demokratischen Parteien. Und ich sehe die Demonstrationen eher als Stärkung derer, die für eine solidarische Einwanderungsgesellschaft und gegen Abschottung und Ausgrenzung stehen. Wenn man die AfD nachhaltig bekämpfen will, muss klar sein, dass Migration nicht die Ursache für soziale Probleme ist, sondern dass es andere Gründe dafür gibt. Und diese Gründe müssen auch thematisiert werden.

Es versuchen auch immer wieder rechte Gruppen in den Betrieben Fuß zu fassen. Wie gehen die Gewerkschaften dagegen vor und was ist ihre Rolle im Kampf gegen Rechts?

Für uns ist klar: Der Kampf gegen Rechts und gegen diejenigen, die die Demokratie abschaffen wollen, ist ein Überlebenskampf der Gewerkschaften. Es ist unsere Aufgabe, diese Versuche immer wieder abzuwehren, für Solidarität und Einheit unter den Beschäftigten einzutreten und Spaltungsversuchen entgegenzutreten. Die Herausforderungen sind vielfältig. Du hast es angesprochen, rechte Betriebsgruppen versuchen Fuß zu fassen. Das ist bisher eine überschaubare Gruppe und Größe. Man muss auch aufpassen, dass man das nicht zu groß macht. Aber trotzdem ist es eine Gefahr, dass der Betrieb immer mehr an Einfluss gewinnt als ein Ort, wo Rechte versuchen, Fuß zu fassen. Deswegen ist es gut, dass wir das allgemeine Wahlrecht im Betrieb haben. Das heißt, dass alle, die im Betrieb arbeiten, auch wählen können. Sofern sie nicht Leiharbeiter:innen oder outgesourct sind, haben sie die Möglichkeit, bei den Betriebsratswahlen mit abzustimmen, auch wenn sie keine deutsche Staatsangehörigkeit haben. Ich habe den Eindruck, dass in den Betrieben, in denen die Rechten bisher versucht haben, Fuß zu fassen, sie sich deshalb ein bisschen „tarnen“ müssen. Weil sie nicht offen rassistisch agieren können, weil sie dann im Zweifelsfall von den Wahlberechtigten nicht gewählt werden. Das hat auf der einen Seite den Vorteil, dass man sich an der Wahlurne wehren kann. Das können viele Migrant:innen im politischen Leben gar nicht, weil sie eventuell nicht das Wahlrecht haben. Es hat aber auch den Nachteil, dass die Rechten sich mehr tarnen und andere Themen in den Vordergrund stellen, die anschlussfähiger sind, und das macht es für die Gewerkschaftsarbeit schwieriger, sie ins Fadenkreuz zu rücken.

Es ist auch eine Herausforderung, wenn man bedenkt, dass Gewerkschaftsmitglieder keine homogene Masse sind und es ja auch teilweise zu Austritten kommt, wenn die Gewerkschaften sich sehr eindeutig positionieren.

Das spielt natürlich auch eine Rolle. Die gewerkschaftliche Strategie ist klare Kante und offene Tür. Wir sagen, wir versuchen mit bestimmten Kolleg:innen im Gespräch zu bleiben und auch die Ängste, die vorherrschen, aufzugreifen. Das hat nicht unbedingt immer etwas mit Migration oder der klassischen Angst vor Arbeitsplatzverlust zu tun. Das ist oft eine zu einfache Logik. Denn Geflüchtete, die vielleicht erst seit ein paar Jahren in Deutschland sind, sind jetzt nicht unbedingt die Bedrohung für den Facharbeiter, der ein unbefristetes Arbeitsverhältnis hat.

Da geht’s eher um allgemeine Fragen der „Vielfachkrise“. Die Menschen haben viele Probleme und machen sich Sorgen um die Zukunft, auch um die Zukunft ihrer Kinder. Es geht darum, immer wieder daran zu arbeiten, dass wir solidarische Lösungen brauchen, die aber nicht immer so einfach zu erreichen sind. Gerade wenn wir zum Beispiel an die Ökologie und die Klimafrage denken. Das ist eine unterschwellige Bedrohung, wo viele Menschen sehr wohl wissen, dass es ganz anders gehen müsste, um dieses Problem zu bekämpfen. Aber es ist sehr weit weg und es gibt wenige politische Akteur:innen, mit denen man auch was zu tun haben will, die das Thema vorantreiben. Stattdessen gibt es die, über die man meckern kann, wie Klimakleber. Was die AfD und Teile der Konservativen machen, ist, die Augen vor den wirklichen Problemen zu verschließen und zu glauben, man könne sich abschotten. Die glauben man könne in dieser von Konkurrenz geprägten Welt nur vorankommen, wenn man möglichst unsolidarisch ist und nicht im Kollektiv agiert. Das mag für viele Menschen zunächst verführerisch sein, weil sie sich dann nicht mit ernsthaften Problemlösungen auseinandersetzen müssen.

Du hast es eben schon angesprochen, es gibt Berichte, die einen direkten Zusammenhang zwischen Existenzängsten, hohen Lebenserhaltungskosten und dem Erstarken von Rechts sehen. Spätestens alle zwei Jahre streiken wir bei den Tarifauseinandersetzungen für höhere Löhne. Haben wir da als Gewerkschaften in gewisser Weise auch versagt?

Versagt würde ich nicht sagen. Die Schwächung der Gewerkschaften war ja politisch gewollt, durch die Einführung des Mindestlohnsektors und Hartz-IV etc. Das hat natürlich auch die Verhandlungsmacht unterminiert und beeinflusst. Insofern haben wir natürlich auch Zeit gebraucht, um uns davon zu erholen und neue Stärke zu gewinnen. Ich würde sagen, das ist ein Prozess, der Mut macht. Dass wir viel mehr offensiv geführte Arbeitskämpfe haben, viel mehr Streiks und eine stärkere Beteiligung der Kolleg:innen. Umfragen sagen auch, wenn Menschen das Gefühl haben, dass sie ihr Leben mitbestimmen können, dann haben es die Rechten schwerer. Denn das rechte Narrativ ist ja auch, dass man einen starken Mann braucht, der alles für einen regelt und man sich selbst zurücklehnen kann. Die Gewerkschaften leisten ihren Beitrag, aber in einem schwierigen Umfeld. 1/3 der Betriebsratsgründungen werden aktiv sabotiert. Besonders betroffen davon sind auch migrantische Kolleg:innen. Und das zeigt, wie schwierig es ist, seine Rechte überhaupt wahrzunehmen. Dass demokratische Rechte nicht nur auf dem Papier stehen, sondern auch gelebt werden, ist jeden Tag aufs Neue eine Aufgabe. Da müssen die Gewerkschaften noch besser werden, den Arbeitgebern die Stirn zu bieten oder die Strukturen, die wir haben, wie Solidaritätsstreiks, Aktionen etc. besser zu nutzen. Einfach ist es jedenfalls nicht.

Du bist im Vorstand der Gelben Hand. Welche Arbeit wird aktuell geleistet und welche soll in Zukunft geleistet werden?

Als Gelbe Hand sind wir auf Betriebsversammlungen und Gewerkschaftstagen präsent und sorgen dafür, dass Antirassismus unverhandelbar ist. Damit die Kolleg:innen sich solidarisch anschließen und ein Symbol haben, dass sie selbstbewusst in die Betriebe tragen können. Wir machen verschiedene Workshops zum Thema Demokratie oder Fortbildungen gegen Verschwörungserzählungen oder gegen Rassismus im Betrieb. Wir sind mit vielen Bildungsveranstaltungen unterwegs und Ansprechpartner für verschiedene Themen. Wir werden auch verstärkt versuchen, mit Jugendlichen zu arbeiten. Wir wollen in Zukunft mehr Präsenz in verschiedenen Betrieben zeigen. Wir arbeiten mit der Handwerkskammer zusammen und haben verschiedene Netzwerke, wo das Thema eine große Rolle spielt. Das Gute an der Gelben Hand ist, dass sie ein positives Symbol ist, was von vielen Kolleg:innen gerne für ihr Aktivitäten für Solidarität und Vielfalt genutzt wird.

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