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Arbeit trotz krank

Maike Reichartz

Der Modekonzern ZARA macht erneut Schlagzeilen mit seinem miserablen Umgang mit den Beschäftigten. In diesem Fall weigert sich der Konzern, kranken Beschäftigten die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall auszuzahlen. Grund hierfür seien angebliche Versäumnisse von Übermittlungen von Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen oder auch dem sogenannten ‚einheitlichen Verhinderungsfall‘, sodass die gesetzliche Pflicht zur Weiterzahlung des Lohns entfalle.

Der durch ein richterliches Urteil des Bundesarbeitsgerichts aus 2017 geschaffene ‚einheitliche Verhinderungsfall‘ spielt hier eine interessante Rolle. Dieses Urteil geht davon aus, dass eine Lohnfortzahlung auf sechs Wochen beschränkt werden kann, wenn die Erkrankung, für welche eine neue Krankschreibung vorgelegt wird, auf der Erkrankung, für die man bisher krankgemeldet wurde, aufbaut beziehungsweise die Erkrankung erst nach Abschluss der bisherigen krankheitsbedingten Arbeitsverhinderung auftritt. Mit diesem Urteil und einem weiteren des Bundesarbeitsgerichts zur Offenlegung von Krankheitsbildern aus 2023 werden Beschäftigte zusätzlich in die Beweispflicht gebracht, Symptome, Krankheitsbilder, usw. offen zu legen, um einen Kampf um den Erhalt der weiteren Lohnfortzahlung gewinnen zu können.

ZARA, aber auch andere Konzerne nutzen dieses Urteil, um systematisch Lohnfortzahlungen einzustellen und spielen mit den Existenzsorgen der Beschäftigten. Wozu das führt? Beschäftigte werden eingeschüchtert und werden weiterhin krank zur Arbeit kommen, sich noch seltener krankmelden und ihre Gesundheit für die Arbeit im Modekonzern einbüßen, weil sie sonst Angst haben müssen, wegen fehlender Lohnzahlung die Miete nicht mehr zahlen zu können.

Dass genau solche Schikanierungsversuche wie bei ZARA Wirkung zeigen, sehen wir beispielsweise beim Teslawerk in Grünheide. Hier wurden krankgeschriebene Beschäftigte erstmal vom Management zu Hause besucht, um zu überprüfen, ob diese denn wirklich krank seien. Angeblich sei dies nur eine Maßnahme gewesen, um zu sehen, wie man die Beschäftigten in ihrer Genesung unterstützen könne und an ihre Arbeitsfähigkeit zu appellieren. Klar ist jedoch, dass es sich hierbei um klare Einschüchterungsversuche handelte, um kranke Beschäftigte wieder ins Werk zu bringen und laut Werksleitung scheint das auch gut funktioniert zu haben. Die Krankschreibungsquote im Werk ist von 17% auf 9% runtergegangen, da sich kranke Kollegen aufgrund dieser Schikanierungen gezwungenermaßen krank zur Arbeit schleppen.

Nachdem das Management jedoch viel Kritik für dieses Vorgehen erntete, musste schnell die Strategie geändert werden. So hält der Konzern nun lieber das Gehalt von erkrankten Beschäftigten ein, wirft ihnen Überbezahlung wegen nicht erbrachter Arbeitsleistung vor und zwingt sie dazu, diese angeblichen Schulden zurückzuzahlen. Der einzige Ausweg, den Tesla ihnen aus dem Schuldenberg geben will: Aufhebungsvertrag unterschreiben und den Konzern verlassen. Auch hier werden Beschäftigte systematisch unter Druck gesetzt, um sie trotz Krankheit zur Arbeit zu zwingen.

Diese Fälle sind auch keine vereinzelten Maßnahmen verzweifelter oder böser Arbeitgeber, die ohne Rücksicht auf Verluste Beschäftigte für ihre Profite auspressen wollen, sondern reihen sich in eine Reihe von Angriffen auf Rechte der Beschäftigten ein. Nicht zuletzt stellte sich der Allianzchef Oliver Bäte vor die Presse und erklärte, einen Karenztag für kranke Beschäftigte einführen zu wollen. Also sollen Beschäftigte bei Erkrankung am ersten Tag ihrer Krankschreibung keinen Lohn erhalten, sondern dieser als ‚Überbrückungstag‘ gelten. So sollen Beschäftigte branchenübergreifend dazu gebracht werden, sich weniger krank zu melden und ihre Gesundheit für die Profite ihrer Konzerne vernachlässigen – als würde das nicht bereits jetzt oft genug passieren, schließen sich die Arbeitgeber zusammen und versuchen ein erkämpftes Recht der Beschäftigten nach dem anderen anzugreifen und abzuschaffen.

Denn auch die sich gründende Bundesregierung aus CDU und SPD machen mit. Während die Arbeitgeber grundlegende Rechte bezüglich Krankheit einschränken und angreifen, will die neue Koalition den Wünschen der Arbeitgeber nachkommen und greift den lang erkämpften Acht-Stunden-Tag an und will die wöchentliche Arbeitszeit auch erhöhen.

In allen Bereichen werden grundlegenden Rechte als Arbeiterinnen und Arbeiter angegriffen und wo es keinen Widerstand gibt, haben die Arbeitgeber auch Erfolg. Einschüchterungsversuche wie bei ZARA oder Tesla sind keine Einzelfälle, sondern Teil des organisierten Kampfes der Arbeitgeber gegen die Beschäftigten.

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