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ArbeiterInnen des Operettenhauses wehren sich!

Mahir Sahin

 

Im Operettenhaus an der Reeperbahn in Hamburg arbeiten ca. 200 Beschäftigte. Das Theater gehört zum Stage Entertainment-Konzern. 30 Angestellte, die im Operettenhaus als Dresserinnen und Dresser (sie helfen den Schauspielern beim Umkleiden während der Vorstellung) beschäftigt sind, sollen zur Firma Tempcrew UG ausgegliedert  werden. Durch die Ausgliederung drohen den Beschäftigten Billigarbeit und ungeschützte Arbeitsverhältnisse, so die zuständige Gewerkschaft ver.di. Die Ausgliederungspläne der Geschäftsführung stoßen innerhalb der Belegschaft des Operettenhauses und ihrer Gewerkschaft ver.di auf heftigen Widerstand. Die Belegschaft hat sich mit einer Flugblattaktion unter dem Motto „Außen hui! Innen Pfui! Keine Ausgliederung der Beschäftigten bei Stage Entertainment!“ an die Öffentlichkeit gewandt. Damit stellt sie sich klar gegen die Ausgliederung ihrer KollegenInnen. Die Beschäftigten haben betont, dass diese Aktion nur der Start einer Protestwelle sei. Wenn es nötig werde, seien sie auch zu weiteren Aktionen bereit.

Die Forderungen der Beschäftigten: Sie wollen im Unternehmen Stage Entertainment bleiben und ihre Arbeitsplätze, Löhne und Tarifrechte behalten.

Neues Leben sprach über die Vorgänge im Operettenhaus mit Michael Sommer. Er ist Betriebsratsvorsitzender und aktives ver.di-Mitglied im Operettenhaus.

 

 

Neues Leben (NL): Was ist das Operettenhaus?

Michael Sommer (MS): Das Operettenhaus ist ein Musicaltheater mit rund 1.400 Plätzen. Seine Betreibergesellschaft gehört zum Konzern Stage Entertainment, dem größten Musical-Produzenten im Land mit einem jährlichen Umsatz von über 300 Millionen Euro. Im Moment läuft hier z.B. das Musical „Sister Act“, ab November soll „Rocky“ kommen – das Musical zum Film.

 

NL: Im Operettenhaus sind sicherlich viele Teilzeit-Beschäftigte mit befristeten Verträgen beschäftigt. Ist es nicht schwierig, die Belegschaft unter diesen Bedingungen zusammenzukriegen?

MS: Der Anteil der befristeten Verträge ist gar nicht so hoch. Teilzeitverträge sind häufiger. Aber trotzdem sind die KollegInnen auf den Lohn angewiesen, andererseits arbeiten sie auch gern an der Bühne. Deshalb wollen sie nicht als bloße Kostenfaktoren behandelt werden. Deshalb wehren sie sich.

 

NL: Ist die Ausgliederung der Dresser die erste Maßnahme dieser Art?

MS: Nein. Vor sechs Jahren ist der Bereich Einlass/Garderobe ausgegliedert worden. Dort waren fast 80 KollegInnen beschäftigt. Nach der Ausgliederung wurden die Löhne drastisch reduziert und ein Tarifvertrag gilt jetzt nicht mehr.

 

NL: Wie viele KollegenInnen sind jetzt von der Ausgliederung betroffen und welche Auswirkungen hätte eine Ausgliederung für die Betroffenen?

MS: Bei den Dressern sind 30 Leute beschäftigt. Sie werden alle betroffen sein. Die Ausgliederung soll im Wege eines Betriebsübergangs stattfinden. Das bedeutet, dass die Abteilung verkauft wird und die KollegInnen dann entscheiden können, ob sie auf den Käufer als neuen Arbeitgeber übergehen oder ob sie im alten Unternehmen bleiben.

Entscheiden sie sich zu bleiben, droht ihnen die betriebsbedingte Kündigung. Entscheiden sie sich, überzugehen, ist im Moment nicht klar, worauf sie sich einlassen: Der neue Arbeitgeber ist zwar verpflichtet, seine neuen Arbeitnehmer so zu behandeln, wie sie im alten Unternehmen behandelt wurden. Aber es gibt Ausnahmen. Gibt es beim neuen Arbeitgeber Betriebsvereinbarungen, dann gelten sie, auch wenn sie schlechter sind, als die jetzigen. Dasselbe gilt vom Tarifvertrag. Zudem ist das Unternehmen, das die Dresser übernehmen soll, gerade erst gegründet worden – mit nur einem Euro Stammkapital. All das bedeutet große Unsicherheit für die KollegInnen. Garantien gibt es derzeit für nichts.

Der neue Arbeitgeber ist für uns auch kein Unbekannter. Er ist schon im ausgegliederten Vorderhaus mit einem anderen Unternehmen tätig geworden. Allerdings wurde der Vertrag durch das Operettenhaus gekündigt, weil keine fairen Löhne gezahlt wurden. Man wolle sich von einer Schlecker-Diskussion distanzieren, meinten unsere Arbeitgeber damals. Und jetzt sollen die Dresser auf genau diesen Arbeitgeber übergehen. Das ist zynisch!

 

NL: Wie wollt ihr gegen diese Pläne vorgehen?

MS: Die gewerkschaftlich aktiven KollegInnen haben vor dem Theater Flugblätter verteilt, die Presse hat berichtet. Aber das war sicherlich nur der Anfang. Ver.di fordert ein tarifliches Ausgliederungsverbot. Und natürlich versuchen wir auch als Betriebsrat, den Arbeitgeber von seinen Plänen abzubringen. Sollte uns das nicht gelingen, muss am Ende wenigstens ein anständiger Sozialplan stehen.

Der Arbeitgeber will mit der Ausgliederung Geld sparen, obwohl er wirtschaftlich gut dasteht. Erst vor kurzem hat er das Operettenhaus von der Stadt für Millionenbeträge gekauft. Dann kann es nicht sein, dass unsere KollegInnen in Billigarbeit oder mit schmalen Abfindungen nachhause geschickt werden.

 

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