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Bildung ist eine Frage der Klasse


Onur Kodas

Das Thema Migranten in Deutschland ist derweil wieder in aller Munde. Tagtäglich wird in Fernsehsendungen oder in Hauptthemen von Zeitungen und Magazinen über die Integration, die Intelligenz und die Arbeitssituation von Migranten debattiert. Vor allem das schlechte Abschneiden von Migrantenkindern und Jugendlichen in den sogenannten Bildungstests ist oftmals diskutiert worden. Doch der Grund, warum Schülerinnen und Schüler mit Migrationshintergrund schlecht abschneiden, ist bisher wenig erläutert worden. Während die eine Gruppe Migranten niedrigere Intelligenz oder Integrationsunwilligkeit vorwirft, sehen die anderen den Hauptgrund im deutschen Bildungssystem.

Oftmals verzerrtes Bild

„Die Ergebnisse von Bildungsstudien sind oft verzerrt, wenn es um Migrantenstatus und Bildungsbeteiligung geht“, sagt Cornelia Gretsch, die Bildungsforscherin vom Wissenschaftszentrum  Berlin für Sozialforschung (WZB). Infolge dessen hat sie mit Cornelia Kirsten von der Universität Bamberg Untersuchungen durchgeführt, um herauszufinden, wie sich die unterschiedlichen Definitionen des Migrationshintergrundes auswirken. Die beiden Forscherinnen kommen zu dem Ergebnis, dass bei diversen Studien zum Thema „Bildung und Migration“, die Zugehörigkeit der sozialen Schichten und die Zuwanderungsgenerationen berücksichtigt werden müssen. Diese Schlussfolgerung begründen sie damit, dass Migrantenkinder, deren Eltern über einen hohen Abschlussgrad verfügen, in der Regel eine erfolgreiche Schullaufbahn absolvieren. Wird in die Analysen zudem die Generationszugehörigkeit eingebracht, schneiden türkische Schüler bei gleichem sozialen Hintergrund teilweise sogar besser ab, als Deutsche. Als Grundlage ihrer Forschung nahmen sie Daten von Mikrozensus 2005. „Mikrozensus“ wird vom Statistischen Bundesamt veröffentlicht und erhebt Daten über die gesamte Bevölkerung. Dort wurden 2005 erstmalig detaillierte Daten zu Migration und Migrationshintergründen erhoben. Ein wesentlicher Punkt war die Fragestellung, welche Faktoren neben der Herkunft noch für den Bildungsstatus eines Migrantenkindes wesentlich und entscheidend sind. Gretsch und Kirsten kommen bei ihrer Untersuchung zusätzlich zu der Erkenntniss, dass einige Aspekte falsch ausgewertet wurden. So wurden die Kinder aus den Spätaussiedlerfamilien zu den einheimischen Schülern gezählt, obwohl sie von den Charakteristika her mehr Ähnlichkeit mit den ausländischen Kindern aufwiesen. Auch die Kategorie „Migranten“ sei zu pauschal. Es müsse nämlich noch detaillierter unter den Migranten selber unterschieden werden. Denn die „sozioökonomische Herkunft“ und die sprachlichen Kenntnisse von Migrantenkindern aus der Türkei seien beispielsweise anders, als bei Kindern aus der ehemaligen Sowjetunion. Infolge dessen sei es unabdingbar, die Generationszugehörigkeit der Schüler und deren soziale Herkunft mit einzubeziehen, wenn es um den Integrationsverlauf gehe. Schließlich verlaufe dieser, je nach Migrantengruppe und deren sozialökonomischer Herkunft unterschiedlich, schreiben die beiden Forscherinnen.

Es bleibt dabei

Die Ergebnisse, die die beiden Forscherinnen ans Tageslicht gebracht haben, sind doch von höchster Bedeutung. Sie unterstreichen einmal mehr, dass die Bildung in Deutschland nicht allen in gleichem Maße zugänglich ist. Insofern ist die Bildung eine „Schichten-“ oder besser gesagt eine Klassenfrage. Zudem widerlegen sie die unterschiedlichen rassistischen Theorien, die oftmals die schlechten Ergebnisse bei internationalen Vergleichen dazu benutzt haben, um Migranten als dumm und nicht würdig für die deutsche Gesellschaft darzustellen. Dadurch, dass das deutsche Bildungssystem weiterhin undemokratisch bleibt, wird es für die meisten Migrantenkinder und Jugendliche zum Verhängnis. Es wird argumentiert, dass durch mehr Bildung mehr Türen zum Aufstieg geöffnet würden. Die Realität jedoch zeigt was anderes. Auch wenn sich einzelne mit oder ohne Migrationshintergrund retten können, die Mehrzahl der Kinder und Jugendlichen wird im selektiven Bildungssystem aussortiert und hat geringe Chancen. Daher ist es wichtiger denn je, ein neues Bildungssystem zu entwickeln und die Klassengegensätze im Schulsystem zu bekämpfen – egal ob mit oder ohne Migrationshintergrund!

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