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Brandopfer in Solingen

Alev Bahadır

Am 24. März wurden bei einem Brand in einem Wohnhaus in Solingen vier Menschen getötet. Bei dem Feuer wurden mehrere Menschen verletzt, eine bulgarische Familie mit einem Kleinkind und einem Baby starben in den Flammen. Obwohl das Geschehen unweigerlich Erinnerungen an den Brandanschlag in Solingen 1993 auslöst, verhält sich die Staatsanwaltschaft zögerlich.

In dem Mietshaus in Solingen lebten mehrere migrantische Familien. In der Nacht auf den 25. März stand das hölzerne Treppenhaus in Flammen und versperrte den Menschen den Weg in die Rettung. Ein Mann sprang mit seinem Kind aus dem Fenster. Schon sehr schnell war klar, dass der Brand kein Unfall war. Im Treppenhaus wurde ein Brandbeschleuniger gefunden. Die Behörden ermitteln deshalb auch wegen Mordes und versuchten Mordes. Allerdings war die Aussage der Staatsanwaltschaft, dass es „gegenwärtig keine Hinweise auf ein fremdenfeindliches Motiv“ gebe, befremdlich.

Von vornerein ein rassistisches Tatmotiv auszuschließen, während ein vorsätzlich gelegter Brand in einem Miethaus, das von Migranten bewohnt wird, passiert ist, deutet an, dass die Behörden mal wieder auf dem rechten Auge blind sind. Auch bei anderen rechtsterroristischen Verbrechen, wie beim NSU, hatten die Ermittler lange Zeit ein rechtes Motiv ignoriert und gegen die Opfer ermittelt. Erst als nach Jahren klar war, dass Neonazis die Tat begangen hatten, sprach man von einem „Versagen“.

Parallelen zu 1993

Die Tat erinnert selbstverständlich auch an den schrecklichen Brandanschlag von 1993, der sich in Solingen ereignete. Dabei setzten drei Rechte ein Wohnhaus, das ebenfalls von Migranten bewohnt wurde, in Brand. Fünf Personen, unter ihnen drei Kinder, starben. Auch damals geschah das Verbrechen in einer politisch aufgewühlten Zeit. 1993 verschärfte die damalige Bundesregierung unter Helmut Kohl (CDU) das Asylrecht. Begleitet wurde die Gesetzesänderung von einer rassistischen Welle in der Öffentlichkeit. Politiker sprachen davon, dass das „Boot voll sei“, dass Asylsuchende „Schmarotzer“ seien, Medien, wie der Spiegel, druckten ein rassistisches Cover nach dem anderen. Solingen reihte sich ein in eine Kette von rechter Gewalttaten. Die Ausschreitungen von Hoyerswerda 1991 oder von Rostock-Lichtenhagen 1992 zeigten ein deutliches Bild in der Gesellschaft. In beiden Fällen griff ein rechter Mob Unterkünfte von Geflüchteten und Vertragsarbeitern an, begleitet von hunderten applaudierenden Zuschauern, während die Polizei wenig bis nichts unternahm. Ebenso schrecklich war der Anschlag von Mölln 1992, bei dem ebenfalls zwei Häuser, die von Migranten bewohnt waren, von Rechten angezündet worden waren.

Wenn wir uns die aktuelle Stimmung in Deutschland und Europa ansehen, sehen wir ein vergleichbares Bild. Rechte Parteien gewinnen an Zustimmung, die anderen Parteien, die von vielen als „Mitte“ oder sogar vielleicht „links“ bezeichnet werden, heizen dieses Klima zusätzlich an. Wieder gibt es eine Verschärfung des Asylrechts, dieses Mal im europäischen Raum. Wieder wird über „illegale“ Migranten gesprochen, während gleichzeitig „billige“ Arbeitskräfte aus dem Ausland nach Deutschland gebracht werden, um sie für wenig Geld die Arbeit machen zu lassen, die hier keiner mehr leisten will. Auch heute ist die soziale Not groß. Die Preise steigen, Milliarden fehlen in der öffentlichen Daseinsvorsorge, während massiv in Waffen, Aufrüstung und Subventionen für Unternehmen gesteckt wird.

Laut dem BKA nahmen im Jahr 2022 die rechten Gewalttaten um 7,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr zu. 23.493 Fälle von „politisch motivierter Kriminalität von rechts“ wurden aufgelistet, diejenigen, die im Dunkeln liegen, natürlich nicht mitgezählt. Leitungen von KZ-Gedenkstätten berichteten vermehrt u.a. von rassistischen Schmierereien. Ab dem 7. Oktober wurde immer wieder von „demokratiefeindlichen“ Muslimen gesprochen. Bei so einer aufgeheizten Stimmung lässt Gewalt nicht lange auf sich warten.

Dass man also, ohne auch nur einen geringsten Anhaltspunkt auf die Täter zu haben, heute in Solingen davon spricht, dass es keine Hinweise auf ein „fremdenfeindliches Motiv“ gebe, ist übereilt und im Angesicht der aktuellen Lage auch einfach falsch. In den 90er Jahren versuchten sich rechte Gruppen und Parteien am sozialen Leid der Menschen zu nähren. Gleichzeitig waren es vor allem türkische reaktionäre Gruppen, die einen zusätzlichen Keil in die Bevölkerung zu treiben versuchten. So auch heute. Das macht die Kämpfe gegen soziale Probleme und gegen Rassismus zu etwas, das unmittelbar miteinander zusammenhängt. Der Kampf gegen Rassismus kann nicht erfolgreich geführt werden, wenn die soziale Frage außer Acht gelassen wird.

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