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BSW, Populismus und die Probleme der Bevölkerung

Yücel Özdemir

Das von Sahra Wagenknecht nach ihrem Austritt aus der Linkspartei im Januar 2024 gegründete Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) wird am 6.7. Dezember in Magdeburg seinen dritten Bundesparteitag abhalten. Mit diesem Parteitag beginnt eine neue Phase. Das auffälligste Merkmal: Die Namensgeberin Sahra Wagenknecht kandidiert nicht mehr für den Parteivorsitz. Gleichzeitig wurde der Parteiname in „Bündnis Soziale Gerechtigkeit und Wirtschaftliche Vernunft“ geändert. Die Hauptüberlegung bei der Namenswahl war, weiterhin mit der Abkürzung BSW“ auftreten zu können.

Bei der Parteigründung gehörte Wagenknechts Popularität zu den zentralen Antriebskräften. Sie liebt den öffentlichen Auftritt, ist regelmäßig in Talkshows präsent und genießt eine hohe Bekanntheit. Wagenknecht und ihr Umfeld setzten darauf, allein über diese Sichtbarkeit bei Wahlen ein starkes Ergebnis zu erzielen. Diese Strategie – stärker auf mediale Wirkung als auf reale gesellschaftliche Probleme zu setzen ging bei der Europawahl im Juni 2024 sowie bei den Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg im September 2024 teilweise auf. In allen vier Wahlen erreichte die neu gegründete Partei bemerkenswerte Stimmenanteile und zog in die Parlamente ein.

NUR AUFTRITTE REICHEN NICHT MEHR AUS

Nach diesen ersten Wahlerfolgen wurde jedoch deutlich: Auftritte allein reichen nicht, auch Inhalte sind entscheidend. Im Wahlkampf bot Wagenknecht kaum Neues. In der Kritik an Geflüchteten und Migrant*innen rückte sie weiter nach rechts und positionierte sich deutlich konservativer als die Linkspartei, von der sie sich abgespalten hatte. Zu den sozialpolitischen Positionen der Linken kamen Aussagen über den Schutz nationaler Wirtschaftsinteressen“ hinzu ein deutlicher Schritt in Richtung der Interessen des deutschen Kapitals. Immer mehr Menschen stellten daher die Frage, ob Wagenknecht überhaupt noch eine progressive Linie vertritt. Mit der Zeit wurde sichtbar, dass sie sich von den universellen Werten der Linken entfernt und sich einem nationalistischen Kurs angenähert hat. Der angebliche Plan, durch linken Populismus“ Stimmen aus dem rechten Spektrum zu gewinnen, erwies sich weniger als Taktik, sondern vielmehr als ideologisches Problem und wurde gerade von politisch bewussteren Kreisen zunehmend kritisiert.

Da das Hauptziel nicht darin lag, gesellschaftliche Probleme aus der Perspektive der arbeitenden Bevölkerung zu lösen, sondern vorrangig Parlamentssitze zu erringen, erwies sich dieser Ansatz schnell als Sackgasse. Das BSW, das eher wie ein Unternehmen als wie eine demokratische Partei aufgebaut wurde, verbunden mit inhaltsarmen Versprechungen, verpasste bei der vorgezogenen Bundestagswahl im Februar 2025 knapp den Einzug ins Parlaments. Statt gesellschaftliche Kräfte an der Basis zu organisieren, setzte die Partei auf populistische Botschaften und den Mediencharakter ihrer Führungsperson. Eine charismatische, populäre Vorsitzende ersetzt jedoch keine echte Parteibasis. Man glaubte, mediale Präsenz genüge ohne den mühsamen, langfristigen Aufbau von Strukturen. Doch ohne organisierte Verankerung in Städten und Gemeinden kann eine Bewegung weder dauerhaft bestehen noch gesellschaftliche Veränderungen erreichen. Die jüngsten Wahlergebnisse haben gezeigt, dass Wagenknechts Popularität klare Grenzen hat.

MIT RECHTEN ARGUMENTEN LÄSST SICH DER RECHTSPOPULISMUS NICHT STOPPEN

Wer keine starken lokalen, regionalen und bundesweiten Strukturen hat, kann weder gesellschaftliche Veränderungen bewirken noch politische Entwicklungen langfristig einschätzen. Auch Wagenknecht erkannte offenbar, dass mit der bisherigen Parteistruktur keine tragfähige Zukunft möglich ist und zog sich deshalb aus der ersten Reihe zurück. Denn die Probleme der Partei lassen sich nicht durch mediale Präsenz lösen. Nur weil wütende Wähler*innen Aussagen im Fernsehen zustimmen, heißt das noch lange nicht, dass sie die Partei wählen oder sich in ihr organisieren. Obwohl sich Wagenknecht rhetorisch in Richtung linken Nationalismus“ bewegte, gelang es dem BSW nicht, Stimmen abzufangen, die sonst an die extreme Rechte gingen. Im Gegenteil: Je stärker sie auf migrationskritische und nationalstaatliche Positionen setzte, desto stärker wurde die AfD besonders in Ostdeutschland, aber auch bundesweit. Die Erfahrung zeigt eindeutig: Die extreme Rechte lässt sich nicht schwächen, indem man ihre Argumente übernimmt.

GIBT ES EINE „LÜCKEIM PARTEIENSYSTEM?

Die zentrale Frage lautet nun: Was kann ein BSW ohne Sahra Wagenknecht überhaupt erreichen?
Da die Partei auf Wagenknechts Popularität gegründet wurde, wird sie noch lange mit ihrem Namen verbunden bleiben. Der neue Co-Vorsitzende Fabio De Masi scheint ebenfalls stark auf mediale Sichtbarkeit zu setzen. Voraussetzungen für eine antikapitalistische, progressive Neuorientierung sind nicht erkennbar. Auch die Personen, die die Partei künftig profilieren sollen etwa der Fußballmanager Oliver Ruhnert , stehen eher für eine Fortführung des bisherigen Kurses.

Betrachtet man die politische Landschaft, besteht derzeit wenig Bedarf an einer Partei wie dem BSW. Parteien aller Farben vertreten inzwischen migrations- und flüchtlingsfeindliche Positionen. Dass das BSW dies ebenfalls tut, verschafft ihm keinerlei besondere Rolle. Zudem zeigt die politische Entwicklung klar: Rassismustzt nur der AfD, nicht den anderen Parteien. Ein Grund, warum die Linkspartei zuletzt wieder zulegte, ist gerade, dass sie sich auf diesem Feld nicht an dem Wettlauf nach rechts beteiligt.

In einer Zeit, in der die etablierten Parteien ihre Wirtschafts-, Sozial- und Migrationspolitik nach rechts verschieben, bleibt für das BSW wenig Raum. Zwar besetzt die Linkspartei mit Themen wie Mieten oder sozialer Gerechtigkeit Widerspruchsfelder, doch auch sie agiert vielfach eher wie eine SPD-Ersatzpartei und ist nicht zwingend Trägerin eines gesellschaftlichen Aufbruchs.

FAZIT: ES BRAUCHT EINE ANDERE POLITISCHE KRAFT

Angesichts der wachsenden sozialen Ungleichheit, der zunehmenden Armut, der Zukunftsängste und des Rassismus braucht es eine politische Kraft, die den Bruch mit den Systemparteien glaubwürdig verkörpert und den akuten Problemen der Bevölkerung eine echte Perspektive bietet weit über das BSW hinaus.

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