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Bündnis #NoPolGNRW plant Demo am 7. Juli

Tugba Bakirci

Am 10. Mai haben über 40.000 Menschen in München gegen das bayrische „Polizeiaufgabengesetz“ (PAG) demonstriert. Nun steht die schwarz-gelbe Landesregierung in NRW auch in der Vorbereitung für ein ähnliches Gesetz und will noch vor der Sommerpause ohne große Diskussion ein neues Polizeigesetz verabschieden. Der Polizei sollen Geheimdienstkompetenzen gegeben werden, Maßnahmen und Verhaftungen nur auf Verdacht sollen legalisiert werden. Dieses Gesetz ist eine massive Einschränkung der demokratischen Freiheiten und betrifft alle Menschen, die nur auf Verdacht festgehalten, verhaftet oder abgehört werden dürfen. Besonders hart wird das Gesetz sicherlich politische, linke und antikapitalistische Gegner betreffen, aber auch alle anderen Gruppen, die dem Staat ein Dorn im Auge sind: Obdachlose, politisch Aktive, Streikende bis hin zu Migranten oder Geflüchtete.
Anfang Juni traf sich bereits zum dritten Mal das Bündnis #NoPolGNRW. Neben Einzelpersonen nahmen mehr als über 30 Organisationen an diesem Treffen teil und diskutierten über die Organisierung einer Großdemonstration am 7. Juli in Düsseldorf. Wir trafen eine Sprecherin des Bündnisses, Michèle Winkler, und stellten ihr einige Fragen.


„Gesetz verfassungswidrig und höchst problematisch“

Kannst du uns kurz zusammenfassen, welche Maßnahmen die NRW-Landesregierung mit diesem Gesetz plant?

Das Gesetz ist sehr komplex. Es fängt an mit der Einführung der sogenannten „drohenden Gefahr“. Das Polizeigesetz gibt an, ab wann die Polizei eingreifen und bestimmte Maßnahmen umsetzten darf. 
Dies soll zukünftig deutlich früher passieren, als aktuell. Bisher gibt es die „konkrete Gefahr“, die sehr viel bestimmter ist. Mit der „drohenden Gefahr“ wird das Eingreifen der Polizei weit vorgelagert in den Bereich von Vermutungen. 
Des Weiteren soll es auch neue Maßnahmen geben, die die Polizei nutzen darf. Eine davon wäre die freiheitseinschränkende Maßnahme der präventiven Gewahrsamnahme, diese wird zeitlich deutlich ausgeweitet. Bisher waren es maximal 48 Stunden, in Zukunft kann es für sogenannte „terroristische Gefahren“ bis zu einem Monat sein. Außerdem gibt das Gesetz der Polizei die Möglichkeit von Kontakt- und Aufenthaltsver- und -geboten. Diese legen fest, mit wem man in Zukunft kommunizieren darf oder welche Orte man betreten darf oder verlassen muss. 
Hinzu kommt die „strategische Fahndung“, eine Maßnahme bei der die Polizei Gebiete festlegen kann, in denen sie aufgrund der Annahme von Gefahren Menschen anhalten und ihre Identität feststellen kann. Diese so genannten verdachtsunabhängigen Kontrollen bergen immer das Risiko, dass die Polizei diskriminierend vorgeht und zum Beispiel Racial Profiling betreibt.
 Außerdem wird der Waffenkatalog der Polizei um Elektroschockpistolen erweitert. 
Wichtig zu erwähnen wäre auch, dass die Überwachungsmöglichkeiten deutlich erweitert werden. Das große Schlagwort: Telekommunikationsüberwachung (TKÜ). Diese erlaubt, dass jegliche Kommunikation, direkt an der Quelle abgegriffen werden kann, um verschlüsselte Kommunikation zu umgehen. Dies bedeutet letztlich Hacking auf Computern oder Smartphones, um direkt mitlesen oder mithören zu können.

„Jeder kann als „besonders gefährlich“ eingestuft werden“

Wer ist von diesem Gesetz denn alles betroffen?

Letztendliche alle. Ich habe ja schon eben gesagt, bei der „Strategischen Fahndung“ können Gebiete festgelegt werden, in der jede Person angehalten und kontrolliert werden darf und das ohne jeglichen Verdacht. Sondern einfach nur, weil dieses Gebiet für „besonders gefährlich“ eingestuft wird. Auch mit der Vorverlagerung der drohenden Gefahr, die nur auf Vermutungen basiert, betrifft es deutlich mehr Personen, die eben nicht unbehelligt von der Polizei sein können, weil die Streuung viel größer wird.
 Menschen können somit auch nur aufgrund von Meinungsäußerungen oder durch Kontakt zu bestimmten Personen als gefährlich eingestuft werden.

Was plant nun das Bündnis?

Wir arbeiten ganz gezielt auf eine Großdemonation hin, die am 7. Juli in Düsseldorf stattfinden soll. Zur Mobilisierung finden am 22. und 23. Juni dezentrale Aktionstage statt. Außerdem organisieren wir auch Informationsveranstaltungen in den unterschiedlichsten Städten in NRW. Am 7. Juni findet die öffentliche Anhörung in Landtag statt, dort werden dann Sachverständige ihre Meinung zum Thema kundtun können. Wir werden an diesem Tag vor dem Landtag eine Kundgebung abhalten. Wir freuen uns über eine breite Teilnahme und eigene Initiativen.

„Gesetzgebungsprozess kurzfristig und intransparent“

Wen wollt ihr mit euren Aktionen erreichen?

Unser erstes Ziel ist es, das Gesetz zu stoppen. Aber wir möchten auch darüber hinaus aktiv zu werden. Wir schätzen das Gesetz als verfassungswidrig ein und möchten an einer Verfassungsbeschwerde arbeiten. Grundsätzlich geht es auch darum, Menschen darüber zu informieren, was gerade passiert. Der ganze Gesetzgebungsprozess ist nicht nur sehr kurzfristig, sondern auch sehr intransparent. Dies macht es umso schwieriger, darauf zu reagieren. Es ist nur noch wenig Zeit, sowohl für die Sachverständigen, als auch für eine gesellschaftliche Diskussion. Wir machen es uns zu unserer Aufgabe, die Informationen zu verbreiten und in Gespräch mit anderen Menschen zu kommen. Vielen ist es gar nicht bewusst, dass so ein Gesetz verschiedet wird.

Du hast oben davon gesprochen, dass dieses Gesetz verfassungswidrig ist. Kannst du uns dafür Beispiel nennen?

Das Gesetz greift in verschiedene Grundrechte ein. Für mich ist der schwerwiegendste Eingriff, die lange präventive Gewahrsamnahme für Menschen, die als gefährlich eingestuft werden, ohne jegliche Beweise und ohne eine Verteidigung gar ohne eine Verurteilung von einem Richter. Es wird also einer Person zugeschrieben, dass sie irgendwann eine bestimmte Straftat begehen könnte. Das ist Freiheitsentzug und Freiheitsentzug ist einer der schwerwiegendsten Grundrechtseingriffe, die es gibt. Hinzu kommt eben, dass es nur auf Basis von Vermutungen ist und Menschen dafür so lange festzuhalten, halten wir für höchst problematisch.

„Gesellschaftlicher Rechtsruck“

Warum gibt es diese Verschärfung der Sicherheit?

Es passt meines Erachtens in die aktuelle politische Entwicklung, die wir in Deutschland haben. Mit der Menschenfeindlichkeit und dem Hass, den die AfD verbreitet, rücken auch alle anderen Parteien nach rechts und schlagen autoritäre Gesetze vor. Für mich ist das Ausdruck einer Ideenlosigkeit, wie man mit politischen Geschehnissen umgehen kann. Eine autoritäre Antwort und die Aufgabe unserer Grund- und Freiheitsrechte ist nicht die Lösung. Es sollte diskutiert werden und ehrliche Lösungen gefunden werden, statt einfach neue Strafgesetze und mehr Polizeibefugnisse.

Siehst du eine besondere Gefahr für Menschen, die sich politisch engagieren?

Ja. Die Verschärfung macht Eingriffe und Ausspähung einfacher. Dadurch werden kritische Meinungsäußerungen im politischen Spektrum möglicherweise eingeschränkt. Diese Zuschreibung von Gefahr kann besonderes politisch aktive Menschen sehr schnell treffen. Das Gesetz wird natürlich begründet mit der Terrorabwehr, aber gerade in NRW ist deutlich zu sehen, dass im Gesetz nicht nur die Rede von „terroristischer Gefahr“ ist, sondern auch der „drohenden Gefahr“. Das heißt, dieses Argument „wir wollen Terroristen abhalten, Straftaten zu begehen“, halte ich für vorgeschoben.

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