Maike Reichartz
Vor wenigen Tagen – am 10. April – hat das Europäische Parlament nun endgültig die Reform des Gemeinsamen Europäischen Asylsystems (GEAS) und damit die massive Verschärfung des Asylrechts beschlossen.
Trotz längerer Diskussionen zwischen den Mitgliedern des Europäischen Parlaments und den Mitgliedern des EU-Rates, konnten sich die Vorschläge des EU-Rates weitestgehend durchsetzen. Was nun folgt, ist die Verschärfung des europäischen Asylrechts und damit einhergehend die Verschärfung nationaler Asylgesetze, um den Anforderungen der EU zukünftig gerecht werden zu können. Die beschlossenen Verordnungen treten 2026 in Kraft, doch bereits bis Ende des Jahres soll beispielsweise Deutschland einen genauen Plan zur Umsetzung der neu gefassten Beschlüsse im EU-Parlament vorlegen.
Aber was beinhaltet die Reform nun?
Eigentlich beinhaltet sie weiterhin die gleichen Reformierungen, die der EU-Rat bereits im Juni 2023 beschloss: So wird beispielsweise die geltende Dauer von Grenzverfahren von vier auf zwölf Wochen verlängert. Geflüchtete werden an den europäischen Außengrenzen abgefangen, dort durch sogenannte Screenings registriert und in ein Grenzverfahren überführt. Währenddessen gelten sie – obwohl sie sich auf eindeutig europäischen Boden befinden – als nicht eingereist und werden in haftähnlichen Unterkünften untergebracht. Auch Kinder, welche mit Familienangehörigen flüchten, sollen dort untergebracht werden – ausschließlich für unbegleitete Minderjährige sollen Ausnahmen möglich sein. Wer die neu eingeführte 20%-Marke für die Anerkennungsquote des Herkunftslandes für die europaweite Schutzquote erreicht, hat eine höhere Chance, in ein europäisches Land einreisen zu dürfen. Flüchtende dürfen sich dabei nicht selbstständig aussuchen, wo sie einreisen möchten, sondern werden durch ein zentrales „Solidarsystem“ in die EU-Mitgliedsstaaten verteilt. Für 20 Tausend Euro kann sich ein Mitgliedsstaat jedoch von dieser Verantwortung freikaufen.
Außerdem kann jeder Mitgliedsstaat in einen „sicheren“ Drittstaat abschieben lassen, wenn Geflüchtete die Kriterien zur Einreise in die EU vermeintlich nicht erfüllen – eine inhaltliche Prüfung des Asylantrags fällt hier natürlich weg. Um mehr Staaten als vermeintlich sichere Drittstaaten einstufen zu können, soll hier auch eine Absenkung der Kriterien erfolgen.
Damit befeuert die EU nicht nur neu entstehende Geflüchtetenlager wie Moria, wo Menschen unter unwürdigen und menschenrechtsverletzenden Bedingungen leben, sondern schafft effektiv das individuelle Recht auf Asyl – ein Menschenrecht – kurzerhand ab und erhöht die Mauern und Zäune, um die Abschottung Europas voranzutreiben.
Deutsche Regierung für die GEAS-Reform!
Während es zumindest bei den Sozialdemokraten und Grünen-Mitgliedern innerhalb des EU-Parlaments zur teilweisen Ablehnung der Reform kam, war es die deutsche Regierung – insbesondere Nancy Faeser (SPD) – die diese Reform erst möglich machte. Sie stimmte dem nicht nur zu, sondern war maßgeblich an der Ausgestaltung des Reformpapiers beteiligt. Beispielsweise lobte Nancy Faeser die Positionierung des EU-Rates im letzten Jahr als „historischen Erfolg“ und twitterte zuletzt nach dem Beschluss im EU-Parlament sehr erfreut: „Wir schützen weiterhin die Menschen, die aus Kriegen und vor Terror zu uns fliehen – und verteilen diese Verantwortung endlich gerechter in der EU. Die irreguläre Migration werden wir wirksam begrenzen.“ Dass weder die EU noch die deutsche Bundesregierung eben genau das nicht tun werden, kritisierten nicht zuletzt über 161 Organisationen wie unter anderem Pro Asyl aber auch mehrere Gewerkschaften innerhalb des DGBs. So rief Pro Asyl die Bundesregierung mit einer breiten Unterstützung von Organisationen dazu auf, diese Reform nicht umzusetzen, weil sie das Asylrecht damit endgültig zu Grabe trägt. Und auch der Bundesmigrationsausschuss der Gewerkschaft ver.di machte deutlich, dass sich die Lage auf dem Mittelmeer und an den Außengrenzen nur weiter verschlimmern wird, mit dem Menschenrecht nun endgültig gebrochen und der Rassismus innerhalb der europäischen Länder deutlich zunehmen wird.
Im großen Stil abschieben – EU-Edition!
So traurig es auch ist, war die Zustimmung der Ampelregierung zur Reform leider bereits zu erwarten. Denn bereits seit vielen Monaten stimmte die Ampel den Kurs ein, gegen Geflüchtete und Migranten zu hetzen und beschloss nicht zuletzt vor wenigen Monaten das sogenannte Rückführungsverbesserungsgesetz, um zukünftig Menschen noch schneller abschieben zu können. Olaf Scholz (SPD) stellte sich auf Gewerkschaftstage und warb nach seinem Spiegel-Cover auch weiterhin für den neuen Abschiebekurs der Ampel, Nancy Faeser instrumentalisierte palästinasolidarische Proteste, um ihre Unterstützung für das Abschieben im großen Stil zu rechtfertigen.
Mit beiden Gesetzen hat die Ampelregierung es geschafft, ihre Wahlversprechen von sicheren Fluchtrouten und der Beendigung des Sterbens an den europäischen Grenzen regelrecht über Bord zu werfen. Sie ermöglicht – in Kombination mit dem Fachkräfteeinwanderungsgesetz – das effektive Aussieben und Selektieren von Geflüchteten nach ihrer Verwertbarkeit für den deutschen Arbeitsmarkt. Während sie Menschen aus dem Ausland anwerben wollen, lassen sie andere im Meer ertrinken. Sie hetzen gegen diejenigen, denen die damalige “Willkommenskultur” nicht galt und empfangen diejenigen mit offenen Armen, die sie nachher in den Billiglohnsektor stecken und unter prekären Bedingungen arbeiten lassen können.