Written by 17:00 DEUTSCH

„Den Bauern geht’s gut“

Sagt Kuhmilchbauer Jens Kühl aus Mecklenburg-Vorpommern, „aber viele haben auch Angst die Transformation nicht bewältigen zu können“

Dilan Baran / Hamburg

Zu allererst, wird die Streichung der Agrardieselsubvention überhaupt etwas in Bezug auf den Umweltschutz bewirken? Den Diesel benutzen die Bauern ja schließlich für ihre Maschinen und die müssen doch auch weiterarbeiten, wenn der Diesel teurer wird.

Richtig, aber es gibt schon einen Spielraum, auf den ich noch Einfluss habe und in diesem Rahmen kann ich mir dann auch Strategien überlegen weite Fahrten oder Mehrfahrten zu verhindern. Mit solchen Entscheidungen kann ich beeinflussen, wie viel Diesel ich am Ende verbrauche und damit Abgase in die Luft bringe oder auch wie viel ich den Boden beackere. Beides ist nicht gut für die Umwelt, ein höherer Dieselverbauch wie auch zu viel Bodenbearbeitung. Klimapolitisch finde ich es also richtig die Steuervergünstigungen abzubauen. Die Landwirtschaft hat in den letzten Jahren gute Jahre gehabt, das letzte Jahr war sogar ein Rekordjahr und das über alle Sparten hinweg, also von Milchvieh bis Ackerbau, haben alle gute Abschlüsse gehabt. Und wenn man solche Hilfen abbauen will, dann ja dann, wenn es den Betroffenen gerade gut geht und nicht dann, wenn es gerade schlecht läuft.

Deshalb finde ich die Maßnahmen und den Zeitpunkt eigentlich gut und die Bambule der protestierenden Bauern unangemessen. Was falsch war, ist, dass von einem auf den anderen Tag gleich zwei Vergünstigungen gekappt werden sollten. Die Steuerbefreiung für die Schlepper und die Steuerbegünstigungen des Agrardiesel gleichzeitig. Das war zum einen viel zu schnell und wäre zudem zusammen zu einschneidend gewesen, also um nicht zu sagen heftig.

Landwirtschaftsbetriebe sind ja sehr unterschiedlich groß…

Es gibt nicht die eine Landwirtschaft. Das Feld bewegt sich von Markedgardenbetrieben, die mit einem Viertel Hektar arbeiten bis zum großen Agrarkonzern, der mit 10 Tausend Hektar arbeitet und alle haben einen Anspruch auf die Steuerbefreiung von Schleppern, ob da ein Konzern hinter steht oder nicht.

Stand es jemals zur Debatte da Abstufungen zu machen?

Bei diesen Beihilfen nicht, bei den EU-Beihilfen schon. Von der EU bekommen wir Einkommensbeihilfen, weil vor 30 Jahren, Anfang der 90er die garantierten Preise aufgegeben wurden. Ein Erbe aus der Nachkriegszeit, damit schnell Nahrungsmittel produziert werden konnten und alle Menschen wieder satt. Dieses Prinzip ist in der EU sehr lange fortgeführt worden, sodass wir irgendwann Butterberge, Milchseen und Rindfleischberge hatten, weil viel zu viel produziert wurde. Auf dem Weltmarkt konnte das nur verkauft werden, weil es hochsubventioniert war mit Steuergeldern. Dann hat man sie aufgehoben, hat den Bauern jedoch (ursprünglich vorübergehend) Einkommenshilfen pro Hektar gegeben. Wer viele Hektar hatte, hat viel gekommen, wer wenige hatte, hat wenig bekommen. Das ist seit 30 Jahren so. Davon profitieren natürlich große Betriebe stärker als kleine. Seit ca. 10 Jahren gibt es die Abstufung, dass man für die ersten 40 Hektar ein bisschen mehr bekommt. Es gab auch Stimmen für eine Obergrenze, das ist aber nie durchgesetzt worden. Da haben sich die Lobbys erfolgreich gewehrt.

Die großen Player aus der Landwirtschaft sind ja eigentlich dafür bekannt, dass sie eine gute Lobby haben. Kannst du dir das erklären, wieso jetzt der Protest auf die Straße getragen wurde?

Ich glaube, bzw. das sagen ja auch die Bauern, die Kürzungen haben das Fass zum Überlaufen gebracht. Die Vorgeschichte ist eigentlich, dass es in den letzten Jahren immer mehr Vorschriften gegeben hat, die die Umwelt schützen sollen. Wir haben mehrere Düngeverordnungen, die zudem wieder verschärft wurden, es gab neue Auflagen, für das Tierwohl, wir müssen sehr streng dokumentieren, welche Medikamente wir verabreichen. Es gibt sowieso einen ungeheuren Dokumentationsaufwand und das nervt die Bauern natürlich. Es entsteht zudem das Gefühl, dass sie nicht mehr die Experten sind, sondern dass die Bürokraten über ihren Kopf hinweg entscheiden. Das kränkt einen natürlich auch im Berufsethos. Das aber was geschehen muss, ist auch deutlich. Die Artenvielfalt ist sehr stark zurückgegangen, es gibt Nitrat im Grundwasser in vielen Gebieten.

Welche anderen Maßnahmen könnten getroffen werden oder welche Wege gegangen, um sowohl den Umweltschutz und das Tierwohl zu schützen, ohne die Arbeit und das Leben der Bauern mit starken Einschränkungen und Kontrollen zu erschweren?

Also die Bürokratie ist schon heftig. Ich bin z.B. jetzt auch in einem Alter, wo ich mit der Digitalisierung an meine Grenzen komme und die ganze Antragsflut und Bürokratie wird jetzt noch digitalisiert. Grundsätzlich habe ich damit kein Problem, weil am Ende wird es ja vielleicht auch einfacher, aber man muss auch hinterherkommen. Bei der Agrarantragstellung für die Einkommenshilfen gibt es z.B. nahezu jedes Jahr Veränderungen in Inhalt und im Verfahren.

Welchen Faktor spielen die Lebensmittelhändler? Sind die nicht ausschlaggebend für das Drücken der Preise?

Ja, obwohl ich da den Eindruck habe, dass sich das ein wenig ändert. Die großen Einzelhandelsketten wie Aldi und co. die geben uns inzwischen schon vor welche Tierschutzlabel Standard werden sollen. Da gibt es vier Abstufungen. Damit sind sie dem Staat zuvorgekommen. Die Bundesregierung hat immer gesagt, sie wollen was einführen, sind aber nicht in die Hufen gekommen und da hat der Handel das selbst in die Hand genommen. Aldi z.B. will bis in drei Jahren nur noch Fleisch auf den zwei höchsten bestehenden Standards vermarkten. Tierstufe vier ist bereits Biostandard und bei Stufe drei geht es auch schon darum, dass die Tiere viel mehr Platz haben in den Ställen oder Kontakt zur Außenluft haben, das ist in vielen Hühnerställen und Schweineställen gar nicht der Fall. Ich kenne jetzt die Vorschriften im Schweine- und Hühnerstall nicht im Detail, aber bei den Kühen geht das so weit, dass sie einen Laufhof haben müssen, also nicht nur im Stall stehen dürfen, oder im Sommer auf die Weide, was bei den meisten nicht mehr der Fall ist. Das sind gute Maßnahmen, aber die kommen eben vom Handel, also die mischen sich schon ziemlich stark in die Produktion ein.

Also du sagst die Proteste sind mehr Ausdruck von Frust über den vielen im Prinzip fachfremden Aufwand und auch von einer gewissen Kränkung des Berufstands?

Ja, also das mit der vielen Bürokratie ist schon frustrierend und wenn dann auf einen Schlag zwei Hilfen gestrichen werden, war das ein Stück zu viel.

Den Bauernprotesten wurde eine Nähe zu rechten Kräften nachgesagt. Wie sind deine Beobachtungen?

Hier in der Umgebung von Kollegen beobachte ich das auch, dass sie mit rechter Rhetorik arbeiten und polemisieren. Die Ampelregierung wird vor allem schlecht gemacht, also sehr viele wollen die auf jeden Fall weghaben und sitzen wahrscheinlich so zwischen AfD und CDU, aber ich kann das natürlich nicht über das ganze Bundesgebiet sagen. Es kursieren jedenfalls viele Videos und schlechte Nachrichten über die sozialen digitalen Kanäle, über die ich nur den Kopf schütteln kann, aber die werden geteilt und man peitscht sich so hoch. Ein Kollege teilte z.B. mal mit mir, dass der Diesel eigentlich so sauber wäre, dass die Abgaswerte im Auspuff niedriger wären als in der Werkstatt, dabei sind die Werte zehn Mal so hoch wie das was an Hamburgs Straßen z.B. erlaubt ist. Ich glaube viele sind mit der Transformation einfach überfordert oder zumindest verunsichert und sie haben Angst, vor dem was da noch kommt und ob sie das bewältigt bekommen, deshalb der Gegenwind. Das Heizungsgesetz kommt und dann müssen sie Elektroauto fahren und dann müssen sie so eine Wallbox installieren oder sollen sie, was weiß ich, weniger Fleisch essen und das ist alles zu viel auf einmal.

Was glaubst du wird jetzt passieren? Die Bauern wollen ja die Ampel weghaben, sagtest du.

Also die Steuerbefreiung der Agrarschlepper bleibt, die Streichung wurde zurückgenommen und die und die Agrardiesel Steuervergünstigung wird man nicht sofort vollständig streichen sondern in drei Jahresschritten. Ich glaub die große Protestwelle ist vorbei. Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie nochmal so viele mobilisieren können. Also, dass da nochmal welche auf die Straße fahren auch mit anderen Unternehmern, wie dem Güterkraftverkehr oder mit Handwerkbetrieben, die auch unzufrieden sind, das könnte schon sein, aber nicht mehr in dieser Größenordnung, wie das in den letzten Wochen war. Im Februar gehen auch die Feldarbeiten wieder los, dann wird das sowie ruhig, da haben die Bauern ganz anderes zu tun und so schlecht geht es ihnen eben auch nicht.

Close