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„Der Fall Erdogan“

Aziz Kocyigit

Auf der Messe hatten wir die Möglichkeit, mit Sevim Dagdelen über ihr neues Buch „Der Fall Erdogan“ zu sprechen.

Warum haben Sie sich entschieden, dieses Buch zu schreiben?

Thema des Buches ist die Unterstützung der Bundesregierung für den Despoten Erdogan. Als die Bundeskanzlerin den Satiriker Jan Böhmermann telefonisch gegenüber Erdogan vorverurteilte, habe ich mich entschlossen, über das deutsch-türkische Verhältnis ein Buch zu schreiben. Zugleich war bereits vor dem Putsch Erdogans absehbar, dass das System immer auf einen Krieg gegen die Kurden und eine brutale Verfolgung der politischen Opposition setzen würde.

Welche speziellen Themen beinhaltet das Buch?

Die ausgewählten Themen werfen jeweils Schlaglichter, wie eng die Partnerschaft zwischen Merkel und Erdogan ist und warum eine deutsche imperiale Politik im Nahen und Mittleren Osten, die Türkei Erdogans unbedingt braucht. Es ist insofern kein Türkeibuch, sondern versucht auf die Frage nach der Unterwürfigkeit Merkels gegenüber Erdogan eine Antwort zu geben.

Wie sehr hat sich Angela Merkel von Recep Tayyip Erdogan abhängig gemacht?

Bundeskanzlerin Merkel setzt auf eine enge Partnerschaft mit Erdogan. Dabei gibt es drei zentrale Punkte: Die Türkei soll Flüchtlinge von der EU fernhalten und zugleich als unsinkbarer Flugzeugträger für die Intervention von EU- und NATO-Staaten im Nahen und Mittleren Osten fungieren. Hinzukommt das Interesse deutscher Unternehmen am türkischen Markt und profitablen Anlagemöglichkeiten. Merkel hat sich deshalb in einer Art und Weise abhängig gemacht von einem Despoten, wie man es in der Vergangenheit bisher nicht erlebt hat.

Sie fordern Deutschland auf, die Beziehungen zu Erdogan zu überdenken. Was erwarten Sie?

Wir brauchen eine breite Bewegung in Deutschland, die gegen die enge Partnerschaft von Merkel und Erdogan mobil macht. Denn es ist die Unterstützung Erdogans durch Merkel und ihrer Regierung, die ihm ermöglicht, den Krieg gegen die Kurden zu führen und auf Massenverhaftungen und Folter zu setzen. Wenn dies gelingt, dann kann die Bundesregierung noch stärker unter Druck kommen, endlich die Waffenexporte zu stoppen und die Unterstüzung Erdogans einzustellen. Solidarität heißt vor allem hier in Deutschland für eine radikale Wende in der Türkeipolitik einzutreten. Denn allein durch die Unterstützung der Bundesregierung fällt es Erdogan so leicht, seine Gewaltpolitik auszuführen.Erdogan selbst ist eine personifizierte Fluchtursache. Es wird nicht lange dauern, bis sich immer mehr Menschen vor diesen Repressionen versuchen werden, in die EU zu retten. Hier fliehen immer mehr Menschen vor dem Gewaltherrscher Erdogan, der nach dem Putschversuch im Juli mit einem Gegenputsch Hunderttausende politisch verfolgen lässt und Zehntausende inhaftiert.

Wie sind die ersten Reaktionen auf das Buch?

Ich habe bisher sehr positive Reaktionen auf das Buch erhalten. Es gibt allerdings auch den Versuch, über die Rolle der Bundesregierung nicht zu reden, nach dem Motto „Kritik an Erdogan ja bitte, aber keine Kritik an seinen Unterstützern in Deutschland, weder an der Bundesregierung noch an seinen Netzwerken hier“. Erdogan versucht aus der miserablen Integrationspolitik der Bundesregierung Honig zu saugen und eine Koalition aus türkischen Islamisten, Faschisten und Rechtspopulisten zu schmieden. Diese Netzwerke, die dann in Deutschland Andersdenkende weiter drangsalieren und versuchen einzuschüchtern, müssen genau unter die Lupe genommen werden. Aber ich bin hoffnungsvoll, dass dieses Tabu gebrochen werden kann mit Hilfe der sozialen Netzwerke und durch einfaches tausendfaches Weitersagen.

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