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Die 5. Jahreszeit

Seyda Kurt

„Da simmer dabei! Dat is prima! VIVAAAAAAAAAAA COLONIAAAAA“ – Wenn solche Lieder an jeder Ecke schallen, Mädchen und auch alte Frauen trotz Minus-Grade in kurzen Röckchen durch die Gegend eilen, wenn sich an jeder Ecke jemand übergibt…dann wissen wir: die fünfte Jahreszeit hat begonnen. Auch wenn das Karnevalsdreigestirn mit Prinz, Bauer und Jungfrau (mit 100.000 Euro mehr auf dem Konto nach der Wahl) mit seinem ausschließlich männlichen Gefolge verdächtig patriarchalische Strukturen aufweist und an den Vatikan-Staat erinnert, sollte man die Geschichte und den Hintergrund davon kennen.

Wir glauben an den lieben Gott und hab’n noch immer Durst.

Der Karneval stellt in der abendländischen Kultur in erster Linie ein stark katholisch geprägtes Fest dar, denn man feiert den Zeitraum bis zum Aschermittwoch, an dem die Fastenzeit bis zum Ostersonntag beginnt. Trotzdem verbirgt das Fest einen interessanten historischen Background: Die alten Germanen feierten das Fest der Verkleidung in schaurigen Kostümen, um den Winter und die bösen Geister auszutreiben. Gelungen ist dies wohl bis heute nicht, wenn man sich mal jedes Jahr das Karnevalswetter anschaut. Zumindest jede Kölnerin und jeder Kölner war bestimmt schon mindestens ein Mal spätestens am Karnevalsfreitag mit hohem Fieber oder starkem Husten im Bett. Doch der Karneval ist heilig und wurde, mit Ausnahme des Kölner Rosenmontagszugs im Jahre 1868 aufgrund von stürmischem Schnee, noch nie wetterbedingt abgeblasen. Mit dem Wetter kann es also nicht stimmen. Ein anderer interessanter Brauch, der auf den Karneval zurückgeht, stammt von den Römern. Bei dem Saturnalienfest bedienten die edlen Herren, in Lumpen verkleidet, einen Tag lang ihre eigenen Sklaven.

Rut und wiess du bis Jesetz, Rut und wiess schlät et echte kölsche Hez.

Besonders  Jugendliche werden es heute nicht mehr glauben, aber der Karneval hat neben dem Saufen, Grölen und so weiter noch einen anderen, politischen Kern, der das Fest um einiges attraktiver macht. Schon Heinrich Böll, einer der bedeutendsten deutschen Schriftsteller der Nachkriegszeit, sagte: „Der Karneval stammt aus dem Volk, er ist klassenlos, so wie eine ansteckende Krankheit keine Klassenunterschiede kennt.“ Diese Worte bleiben nicht nur Theorie. Bei dem babylonischen Karneval um 3000 v.Chr. wurde jedes Jahr offiziell die Standesordnung lahmgelegt. Mit dem zum ersten Mal eingeführten Gleichheitsprinzip feierten Menschen aus allen Ständen das Fest gemeinsam. Im Mittelalter wurde diese Tradition sogar so erweitert, dass zum „Narrenfest“ alle Privilegien der oberen Stände auf das einfache Volk übergingen.

Die Karawane zieht weiter, der Sultan hätt Doosch!

Im ersten Weltkrieg verboten, wurde das Fest im Nationalsozialismus zu Propagandazwecken missbraucht. 1991 setzte der Geisterzug in Köln ein scharfes Statement als Reaktion auf den Golfkrieg: „Kamelle statt Bomben“ lautete das damalige Motto. Außerdem wird kein Fest so international, bunt und trotzdem verschieden einmal rund um den Globus gefeiert: Von Rio in Brasilien bis nach Venedig, von Spanien über Belgien, von Frankreich und Namibia bis hin zu den Südstaaten der USA.

Häs de och kei Jeld, dat es janz ejal,
drink doch met un kümmer dich nit dröm.

Der wirtschaftliche Profit an Karneval umfasst jährlich fünf Milliarden Euro. Karneval wirtschaftlich nicht auszuschlachten wäre natürlich nicht denkbar. Aber in einem Punkt bleibt die Karnevalstradition standhaft: In diesen Paar Tagen schunkelt, lacht und trinkt man gemeinsam, mit anderen Menschen, ohne jemanden auszuschließen (auch wenn die Paar Bier intus auch ihre Rolle dabei spielen). Der Rheinländer ist wohl in keiner anderen Jahreszeit so kontakt- und spendierfreudig. Natürlich schlägt das Ganze in vielen Fällen über die gewünschten Grenzen hinweg. Trotzdem bleibt Karneval das Fest des Jahres, das jeder mitfeiern kann, denn die schönsten Feiern steigen auf den Straßen und nicht in irgendwelchen ultra-teuren Lokalen. Und wenn Gucci oder Diesel auch in Zukunft keine Karnevalskleidung entwerfen werden, bleibt es wohl auch das Fest für dessen Garderobe es keinen Unterschied macht, ob man es aus dem 1-Euro Laden um die Ecke hat oder einfach nur Omis alte Schürzen trägt. Nirgends wann anders ist Varietät wohl so erwünscht und angesagt. Das macht Karneval schön! Besonders in Köln ! (ein wenig Schleichwerbung durfte jetzt natürlich nicht fehlen!)

En Colonia, Colonia , woanders kann et och nit schöner sin

 

 

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