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Die Wahlbeteiligung im Ausland ist gestiegen


Die Wahlen in der Türkei vom 1. November sind nun vorbei. Die Zahlen zeigen, dass die Wahlbeteiligung im Ausland im Gegensatz zum 7. Juni gestiegen ist. 2,899 Millionen Wahlberechtigte türkische Staatsbürger leben außerhalb der Türkei, davon haben laut dem Höchsten Wahlausschuss beinahe die Hälfte aller Wahlberechtigten ihren dauerhaften Wohnsitz in Deutschland. Infolgedessen wurde in Deutschland sehr viel Wahlkampf in Form von Wahlkampagnen und öffentlicher Werbung geleistet. Diese gingen insbesondere von der regierenden AKP von Staatspräsident Erdogan und der kurdischen und linken HDP aus.

Offiziell wurden am 25. Oktober die in insgesamt 113 Städten der Welt in türkischen Konsulaten und Vertretungen aufgestellten Wahlurnen geschlossen. Insgesamt beteiligten sich 200000 Wahlberechtigte mehr an der Wahl im Vergleich zur letzten Wahl am 7. Juni. Insgesamt gingen 640000 Menschen in Deutschland zur Wahl. Am 7. Juni lag die Zahl noch bei 550 000. Man könnte die zunehmende Wahlbeteiligung wie folgt begründen: Zum einen haben die kriegsähnlichen Zustände in der Türkei die Menschen in Deutschland beeinflusst und zum anderen haben einige Parteien mehr Mittel, Geld und Zeit in den Wahlkampf im Ausland gesteckt, weil diese Stimmen durchaus auch mehrere Abgeordnete bedeuten können, wie die Ergebnisse gezeigt haben.

Als die Urnen Anfang Oktober geöffnet wurden, war die Wahlbeteiligung sehr gering, während ab der zweiten Woche ein extremer Ansturm auf die Wahllokale stattfand. Am 7. Juni wurden in den im Ausland aufgestellten Urnen 918.311 Stimmzettel gezählt. Zusätzliche 123.000 wurden im Zoll und an Grenzgängen gezählt. Die AKP hatte im Juni 50 % aller Stimmen bekommen, die HDP wurde mit 20 % zweitstärkste Partei.


Die Abgeordneten beeinflussen die Sitzverteilung

Die im Ausland bekommenen Stimmen beeinflussen die Abgeordnetenzahl der Parteien erheblich. Im Gegensatz zu den Wahlen am 7. Juni, wurde bei der aktuellen Wahl viel mehr auf öffentliche Werbungen gesetzt, um die Wähler zu mobilisieren. Ministerpräsident Davutoglu versendete 600.000 Briefe an türkeistämmige Wahlberechtigte, um sie für die AKP zu gewinnen. AKP-nahe Institutionen und Sympathisanten organisierten Busse und fuhren interessierte Wähler zu den Wahllokalen. Diese Werbung und die ganze Mühe machte sich auch auf das Wahlergebnis bemerkbar, wie man sehen kann. Denn während die AKP noch vor fünf Monaten 255 000 Wähler in Deutschland für sich gewinnen konnte, ist die Zahl nur fünf Monate später auf 340 000 gestiegen. Auch die HDP arbeitete, um einen langfristigen Erfolg zu erzielen. Zu den HDP-Sympathisanten in Europa gelten ca. 60 Organisationen, wovon ein großer Teil einen Migrationshintergrund aufweist. Aus den Erfahrungen der letzten Wahlen, ging die HDP nun noch professioneller an die Arbeit als zuvor. Doch während die AKP ihre Stimmen um 85 000 Stimmen erhöhen konnte, waren es bei der HDP lediglich 10 000 Stimmen mehr.
Schlüsse aus den Wahlergebnissen

Wenn man sich die Wahlergebnisse der beiden Wahlen, die in einem Abstand von fünf Monaten stattfanden, anschaut, so kann man diese Schlüsse ziehen:

Die im Ausland lebenden Türkeistämmigen verfolgen die Ereignisse in der Türkei intensiv und treffen ihre Wahlentscheidung danach, welcher Partei sie näher stehen. Trotz der vielen Hürden bei den Wahlen im Ausland finden sie dennoch eine Lösung, wählen zu gehen (denn z.B. in Deutschland gab es lediglich in 13 Großstädten eine Wahlurne).

Die AKP achtet mehr auf die Anzahl der Abgeordneten, die sie durch die Stimmen im Ausland erreichen können. Dementsprechend plante sie den Wahlkampf und der Plan ging auf. Die AKP konnte wegen den Stimmenanteilen aus dem Ausland 5 Abgeordnete mehr bekommen, weil diese Stimmanteile innerhalb der Türkei nach einem bestimmten Schlüssel verteilt werden. Deshalb können wir festhalten, dass die AKP eine große Rolle für die Zunahme der Wahlbeteiligung im Ausland spielt und bevorstehende Wahlen erneut nach Deutschland gebracht werden.

Die Ergebnisse zeigen, dass die Wählerschaft sich immer noch aus Menschen zusammensetzt, die Mitglieder in irgendwelchen politischen oder religiösen Einrichtungen, Vereinen, Gemeinschaften oder Moscheen sind. Es sind die wenigsten unorganisierten Menschen, die wählen gehen. Unter den Wählern sind wenige junge Menschen, sondern vielmehr Menschen mittleren Alters oder alte Menschen. Hier spielt die Bindung zur Staatsangehörigkeit eine große Rolle.

Die spezifischen Probleme der im Ausland lebenden Menschen wurden bei dieser Wahl mehr zur Sprache gebracht als am 7. Juni. Die AKP hat einen großen Wert darauf gelegt, während die HDP den Wahlkampf auf die Ereignisse in der Türkei aufgebaut hat. Somit haben sich viele Menschen in Europa von der AKP angesprochen gefühlt.

Beide Wahlen zeigen, dass die Regierung in der Türkei in den nächsten Jahren mehr auf die Türkeistämmigen im Ausland setzen wird und diese mehr unter Beobachtung haben wird. Um dem entgegenzutreten, gilt es die politische Arbeit dahingehend zu gestalten.

Es wurde klar, dass die Demokratiebewegung ein Anliegen für eine nicht zu verachtende Gruppe von Türkeistämmigen in Deutschland ist. Wenn dieses Anliegen gestärkt und in die richtige Richtung gelenkt wird, kann die Demokratiebewegung in der Türkei ebenfalls gestärkt werden.

Diese Wahlen fanden nicht auf einer demokratischen und gleichberechtigten Basis statt. Erdogan und seine AKP konnten die Wahlniederlage vom 7. Juni nicht verdauen und setzten eine Politik um, die auf Repression, Krieg und Mord ausgerichtet war. Kurdische Gebiete, die die AKP nicht gewählt hatten, spürten diese Repressionen am meisten. Im Weiteren wurde verhindert, dass die HDP ihren Wahlkampf durchführen konnte. Nach dem Bombenanschlag in Ankara musste die HDP alle Wahlveranstaltungen absagen, um nicht noch mehr Menschenleben aufs Spiel zu setzen. Trotz der Wahlergebnisse wird der Kampf um Frieden, Demokratie und Freiheit weitergehen, sicher auch in Deutschland.

Cigdem Ronaesin

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