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„Du wirst nicht abgeschoben!“

Sezen Dinç

AfD Europawahl Spitzenkandidat Maximilian Krah äußert sich über Social Media in kurzen Videos zu verschiedenen Themen. Schon länger macht Krah auch Videos für Menschen mit Migrationshintergrund. Nach der Aufdeckung des geheimen Treffens der AfD-Politikern, Neonazis und privaten Unterstützern passiert das nun verstärkt. Es ist keine Neuheit, dass die AfD über Social Media durch Kurzvideos auch junge Wählerinnen und Wähler abfangen möchte.

Er sagt in seinem Video mit dem Titel: „Du wirst abgeschoben!“, dass nicht die Menschen mit Migrationshintergrund gemeint wären, deren Eltern zum Wohlstand in Deutschland beigetragen hätten, oder jene, die selbst der Wirtschaft nutzen würden. Es seien die gemeint, die in „Massen“ nach Deutschland kämen und alle vom Bürgergeld leben würden, die „Du“ zahlst. So wendet der AfD Kandidat direkt an junge Menschen mit Migrationshintergrund. Dass es einige Menschen mit Migrationshintergrund in der AfD gibt, ist keine Neuheit, allerdings gibt es Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, die auch eine Gefahr in dieser Strategie der AfD sehen. Offensichtlich möchte die AfD so auf die Reaktion und Empörung der Bevölkerung in den letzten Wochen und Monaten durch solche Äußerungen antworten.

Auf Tiktok spricht Spitzenkandidat Krah gezielt Türkeistämmige an. Er betont, dass Türkeistämmige eine Partei wählen sollten, die nicht möchte, dass ihre Kinder in der Schule beeinflusst werden. Krah suggeriert damit, dass Kinder im Unterricht zur Homosexualität erzogen werden. Er weist auf vermeintliche Gemeinsamkeiten zwischen Türkeistämmigen Menschen und seiner Partei hin: Respekt vor den Eltern, außenpolitische Partnerschaft mit der Türkei basierend auf einer historischen „Waffenbruderschaft“ und die Ablehnung weiterer Zuwanderung. Krah fragt provokativ: „Diejenigen, die jetzt kommen: Wem nehmen sie Wohnungen und Arbeitsplätze weg?“

Naika Foroutan, die Leiterin des Deutschen Zentrums für Integrations- und Migrationsforschung warnt vor den Gefahren der Strategie der AfD. Die Partei hatte zeitweise einen Umfragehoch von etwa 23 Prozent erreicht, doch seitdem ist die Zustimmung gesunken. Nun versucht die AfD, neue Wählergruppen zu gewinnen – auch unter Menschen mit Migrationshintergrund: „Die AfD erkennt, dass diese Gruppe derzeit von keiner anderen Partei umworben wird.“ Foroutan zufolge hat diese Strategie durchaus Erfolgsaussichten. In ihren Recherchen und Interviews für ihre Forschung stellt sie häufig fest, dass Menschen mit Migrationshintergrund offen für die AfD sind. Auch in dieser Bevölkerungsgruppe gibt es, wie in jeder anderen auch, chauvinistische Ansichten, rückwärtsgewandte Vorstellungen von Geschlechterrollen und Unterstützung für Verschwörungstheorien, wie etwa im Zusammenhang mit der Corona-Pandemie. Hinzu kommt eine verbreitete Hierarchie des sozialen Status: Langjährige Einwohner betrachten sich als assimiliert und integriert und sehen Neuankömmlinge teilweise kritisch, da diese vermeintlich bevorzugt behandelt werden. Diese könnten als Bedrohung für den eigenen Status wahrgenommen werden, insbesondere in Zeiten von Krisen. Es ist daher wenig überraschend, dass die AfD versucht, diese realen Ängste vor sozialem Abstieg anzusprechen.

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