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Eine militärische Supermacht im Aufbau

Sinan Cokdegerli

Die Europäische Union ist eine starke wirtschaftliche Kraft, auch wenn jedes Land für sich den grössten Nutzen daraus ziehen möchte und somit in der EU selber ein harter Kampf stattfindet. Während der Euro fast genau so viel wert ist, wie der Dollar unterscheiden die zwei stärksten Konkurrenten jedoch wesentliche Faktoren. Denn die USA besitzen eine eigene Streitmacht, eine Armee, samt Atomwaffen. Die EU nicht. Soll sich das bald ändern?

Die europäische Union gab sich stets als ein „Projekt des Friedens und der Völkerverständigung“. Doch im Grunde ist die EU ein Zusammenschluss um die wirtschaftlichen Interessen, der einzelnen Staaten in sich selbst, den außereuropäischen Staaten gegenüber stärker verteidigen zu können.

In der EU selbst sind mit Deutschland, England, Frankreich und Italien bereits einzelne imperialistische Staaten vertreten, welche bereits untereinander in Marktkonkurrenz stehen. Dabei ist insbesondere Deutschland einer der Hauptprofiteure in der Europäischen Union.

Doch bei einer rein wirtschaftlichen Verbindung sollte es nie bleiben. Bereits seit den Anfängen der Idee einer europäischen Supermacht, stand stets auch eine gemeinsame Armee, eine gemeinsame Militärunion zur Diskussion.

Ein natürliches Unterfangen

Bereits kurz nach dem Zweiten Weltkrieg, in den 50er Jahren, wurden Pläne nach dem Aufbau einer sogenannten Europäischen Verteidigungsgemeinschaft (EVG) geschmiedet. Ebenso wie England und Frankreich war auch Deutschland interessiert an solchen Bemühungen. Zu dieser Zeit war Deutschland noch unter der Besetzung der Siegerstaaten und dem Land war es verboten worden, eine eigene Armee aufzubauen. Somit stillte dieses Unterfangen zwei westdeutsche politische Ziele. Zum einen eine schnelle Wiederbewaffnung und der Aufbau einer eigenen Streitmacht. Zum anderen das möglichst schnelle Aufheben des Besatzungsstatuts.

Diese Pläne wurden jedoch unter anderem aus den Gründen fallen gelassen, dass bereits ein Verteidigungsbündnis aufgebaut worden war, und dass das französische Parlament im Jahr 1954 gegen das Unterfangen stimmte. Mit der Gründung der NATO 1949 schaffte es die USA europäische Staaten in ein Militärbündnis mit einzubinden und untergrub somit Pläne der Schaffung einer Militärmacht, die eine Gefahr für die eigenen Interessen hätte darstellen können.

Doch die Idee einer militärischen Vereinigung europäischer Staaten wurde damit nicht fallen gelassen. Es waren Politiker wie der damalige Verteidigungsminister Deutschlands, Franz Joseph Strauß (CSU), die den Aufbau einer Europaarmee oder zumindest die gemeinsame Koordination der Streitkräfte der einzelnen Mitgliedsstaaten als unumgänglich darstellten. Über die Jahrzehnte kam diese Diskussion immer wieder auf. Zuletzt, erst kürzlich nach den Präsidentschaftswahlen in den USA, was als willkommener Vorwand dafür dient, dieses Thema wieder präsenter zu machen, weil der Welt mit „einem Verrückten“ an der Spitze des militärisch stärksten Landes, Gefahr drohe.

Eine Europaarmee als Faktor der Unabhängigkeit?

Weswegen militärische Macht vor allem für hochentwickelte kapitalistische Staaten wichtig ist, hängt stark mit wirtschaftlichen Faktoren zusammen. Mittlerweile werden seitens der westlichen kapitalistischen Staaten ganze Länder im Nahen Osten und Afrika nach den eigenen Wirtschaftsinteressen militärisch zusammengebastelt.

In dieser wirtschaftlichen Konkurrenz stehen sich auch die westlichen Mächte nahezu genauso gegenüber, wie beispielsweise gegenüber den östlichen kapitalistischen Staaten, darunter China und Russland. Und in diesem Konkurrenzkrieg setzten die Kapitalisten auf zeitweise Bündnisse, auch mit dem ärgsten Feind.

Die NATO ist eines dieser Bündnisse, das zu seiner Gründungszeit ein Zusammenschluss war, um kapitalistische Interessen gegenüber einem anderen Bündnis zu verteidigen. Dem der Sowjetunion (UdSSR) und dem Ostblock in ihrem Einflussgebiet. Später, als dieser Block sozialistischer Staaten mit dem Niedergang der UdSSR zusammenbrach, wurden neue Gegner des westlichen Kriegsbündnisses gesucht und gefunden, zum Teil sogar eigenhändig erschaffen, um dieses Bündnis künstlich am Leben zu halten.

Die NATO ist insofern für die einzelnen Staaten dieses Bündnisses notwendig, als dass ein jeder einzelne dieser Staaten, außer den USA, in Anbetracht der globalen Gegenspieler wie China und Russland eher machtlos erscheinen würde. Doch mit einem militärischen Partner wie den USA sind diese Staaten einigermaßen davor geschützt, zur aktiven Zielscheibe dieser Gegenspieler zu werden. Die USA hingegen profitieren von der NATO insofern, dass sie auf dem Gebiet ihrer Partnerstaaten Militärbasen betreiben kann und somit diese eine Brücke zwischen den USA und dessen Zielterritorien überall in der Welt darstellen.

Eine gemeinsame Armee der Mitgliedsstaaten der EU mit eventuell gemeinsamen Partnern außerhalb der EU, könnten die Unabhängigkeit gegenüber den USA in militärischer Hinsicht bedeuten und in weiter Zukunft auch die vollkommene wirtschaftliche Unabhängigkeit. Eine neue Supermacht wäre somit ein stückweit näher an der Spitze der Welt und somit die Welt näher an neuen Krisen. Zusammen hätten allein die EU – Mitgliedsländer eine Soldatenanzahl von über 1,7 Millionen, was nach China den zweithöchsten Wert darstellen würde und womit die EU die USA um mehr als 300.000 Soldaten überholt hätten.

Trump hin oder her

Betrachtet man diese Fakten und die Tatsache, dass das bereits vor der Wahl eines Donald Trump ein wichtiges Anliegen solcher Staaten, wie Deutschlands gewesen ist, ist davon auszugehen, dass die EU ihre Pläne in diese Richtung relativ bald konkretisieren wird. Seit Monaten warnen Militärexperten und Verteidigungsminister vor einem immer gefährlicher agierenden Russland. Solche und ähnliche Aussagen dienen dazu, die politische Debatte, in Hinblick auf die Errichtung einer europäischen Armee, zu untermauern. Die politische Maschinerie wurde bereits in Gang gesetzt. Solange es keinen gesamteuropäischen Widerstand geben wird, um dies zu verhindern, wird diesen Plänen auf lange Sicht auch nichts im Wege stehen können. Dabei darf die Kritik einer weiteren Militarisierung, nicht als Verteidigung der NATO begriffen werden, denn dieses Militärbündnis ist keinen Deut besser als eine zukünftige Europaarmee. Nur eine Friedensbewegung, die sich bewusst ist, welcher Klasse diese Kriegsbündnisse dienen, kann wirklich erfolgreich daran arbeiten, diese zu beenden.

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