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„SABAH“ – Hetze gegen Kritiker in Deutschland

YÜCEL ÖZDEMİR

Die Hasstiraden türkischer Zeitungen gegen türkeistämmige und deutsche Politiker in Deutschland geht sehr weit zurück. Diese Rolle, die in den 90`er und 2000`er Jahren sehr lange die „Hürriyet“ (zu dt. „Freiheit“) übernahm, wird jetzt vom Propagandaorgan der AKP, der Tageszeitung „Sabah“ (zu dt. „Morgen“) fortgeführt. Im Zentrum der Hasstiraden stehen insbesondere türkeistämmige Politiker und Erdogan-Kritiker in Deutschland.

Die in Deutschland publizierten und vertriebenen Deutschland- bzw. Europaausgaben türkischsprachiger Zeitungen sind mit ihrer Hass- und Hetzsprache in der deutschen Öffentlichkeit angekommen. Mediale Kampagnen gegen Türkei- und regierungskritische Menschen wurden lange Jahre insbesondere von der Hürriyet getragen. In den Jahren 1990 bis 2000 war die Politik der Zeitung darauf ausgerichtet, Verkaufszahlen mit Hilfe von Hass-Sprache auf Bildzeitungsniveau zu steigern.

Zeitweise war Günter Grass Zielscheibe der Hetze, weil er eine friedliche Lösung des Kurdenkonflikts forderte, zeitweise war es Cem Özdemir, der das Türkentum „verrat“ zeitweise sogar deutsche Politiker, die Angriffsfläche boten.

Manchmal ging es mit der Hetze sogar weiter als nur Berichterstattung. Es wurde zu Aktionen, Veranstaltungen und Kundgebungen aufgerufen. Als die Auflage der Hürriyet auf dem europäischen Markt schrumpfte, sank auch die tägliche Hass-Dosis. Aktuell übernimmt diese Rolle die Sabah, die ein Teil der Propagandamaschinerie der AKP ist. Die Sabah vollführt mediale Angriffe gegen alle, die die Politik des türkischen Präsidenten Erdogan und der AKP kritisieren. Ganz losgelöst von journalistischen und ethischen Grundsätzen werden Kritiker durch die Sabah angegriffen, verleumdet und als Zielscheibe gezeigt.

So waren z.B. alle 11 türkeistämmigen Bundestagsabgeordneten, die am 2. Juni im Bundestag für die Armenienresolution des Bundestages gestimmt hatten, zu „Feinden“ und „Verrätern“ erklärt worden. Die Sabah fragte die namentlich genannten Abgeordneten: „Wie wollt ihr das eurem eigenen Volk erklären?“ Seitdem wird Cem Özdemir von der Sabah nur noch als „Verräter“ bezeichnet. Der Vorschlag Özdemirs, den Armeniergenozid als Thema in die Schulbücher aufzunehmen, wurde von der Sabah mit den Worten in die Schlagzeilen gebracht: „Schaut euch diesen Verräter an“ (16. September 2016).

Wer Erdogan kritisiert, wird zum „Verräter“

Die feindliche Politik der Sabah gegen türkeistämmige Politiker und Kritiker ging nach dem Putschversuch am 15. Juli nicht nur weiter, sondern verschärfte sich auch. Kritik im Bereich Menschenrechte, Kurdenkonflikt, Pressefreiheit und Demokratie in der Türkei wird überhaupt gar nicht mehr geduldet. Das Anliegen Özdemirs, Bundestagsabgeordnete verschiedener Parteien zum Thema Menschenrechtsverletzungen in der Türkei zusammenzubringen, wurde wieder einmal durch die Sabah als verräterisch betitelt (4. November 2016)

Auch die Integrationsministerin Özoguz ist Zielscheibe

Am 15. Dezember 2013 wurde Özoguz von der Sabah als „erste türkische Ministerin im Bundestag“ hochgelobt. Seit ihrer Zustimmung zu der Armenienresolution ist auch die Ministerin Özoguz auf der Zielscheibe der Sabah. In jedem Bericht der Sabah über die Ministerin Özoguz wird an ihre Zustimmung bei der Resolution erinnert. Zuletzt wurde die Ministerin durch die Sabah sogar aufgefordert, ihre türkische Staatsangehörigkeit abzugeben. Am 20. November 2016 titelte die Sabah „Aydan, gib deinen Pass ab!“. In dem Bericht stand „Özoguz gab in einem Interview mit der FOCUS an, dass sie sich wie eine Deutsche mit Eltern türkischer Wurzeln fühlt. Es gibt einen Aufruf an Özoguz: Gib den ehrenvollen Pass der Türkischen Republik zurück!“

Die Schlagzeile des Artikels vom 12. Oktober 2016, in dem Özoguz alle Schüler aufforderte, auf den Schulhöfen keine andere Sprache außer Deutsch zu sprechen, lautete: „Integrationsfeindliche Integrationsministerin“. Wenn man sich den direkten und zwischen den Zeilen durchklingenden Ton der Berichterstattung anschaut, ist zu bemerken, dass die Ministerin noch lange auf der Zielscheibe der Zeitung Sabah sein wird.

PKK und FETÖ (Bezeichnung für die „Gülen-Bewegung“) Anschuldigungen gegen Abgeordnete der Linkspartei

Die Hass-Kampagne der Sabah zielt auch auf Abgeordnete der Linkspartei. Beispielsweise die Bundestagsabgeordnete Sevim Dagdelen wird aufgrund ihres Links-Seins immer wieder mit der PKK in Verbindung gebracht, obwohl bei ihr keinerlei Verbindung zu der PKK besteht. Die Abgeordnete kritisierte den Einmarsch des türkischen Militärs in Syrien. Die Sabah titelte „Das einzige Anliegen Dagdelens ist die PKK“ (18. Oktober 2016). Dagdelens Aufruf, Oppositionellen aus der Türkei in Deutschland Asyl zu gewähren, wurde in der Sabah interpretiert mit den Worten „Jetzt setzt sie sich auch noch für die FETÖ ein“ (2. November 2016). Dabei sprach die Abgeordnete Dagdelen mit keinem Wort über die FETÖ, vielmehr bezog sich ihre Forderung auf Journalisten der Cumhuriyet („zu dt. „Republik“).

Cansu Özdemir, Fraktionssprecherin der Linkspartei im Hamburger Senat, wurde ohne eine konkrete Information oder Beweise zu nennen, zur „Sprecherin einer Terrororganisation“ erklärt, womit die PKK gemeint war. Als „Beweis“ wurde lediglich genannt, dass Cansu Özdemir in ihrem Twitter-Account Fotos von HDP Mitgliedern als Profilbild habe, Fotos und Bilder von Terroristen verbreite und PKK Propaganda in Deutschland mache. Bei dem Tweet handelte es sich um die Verhaftungen von HDP-Abgeordneten und Bürgermeistern, die ihres Amtes enthoben wurden.

Die Vorsitzende der Grünen in Essen, Gönül Eglence, weigerte sich aufgrund von Demokratie- und Menschenrechtsverletzung in der Türkei an einer offiziellen Veranstaltung des Türkischen Konsulats in Essen teilzunehmen. Daraufhin titelte die Sabah „Bemüh dich nicht, du kannst nicht berühmt werden“. Sowohl Titel, als auch die Sprache und die Art und Weise der Berichterstattung haben mit journalistischen Grundwerten gar nichts zu tun. Sie bringen Oppositionelle und Politiker auf die Zielscheibe und sie werden menschlich und persönlich zu „Unmenschen“ degradiert. Die Sabah hat es nicht nur auf türkeistämmige Abgeordnete abgesehen. Sie greift ebenso deutsche Politiker an, die inhaltlich eine ähnliche Haltung einnehmen. Nach der Erklärung von Justizminister Heiko Maas, dass vermeintliche Gülen-Anhänger in Deutschland nicht an die Türkei ausgeliefert werden, titelte die Sabah „Dann behaltet die FETÖ-Verräter für euch!“ (2. November 2016).

Die Berichte und deren Überschriften orientieren sich an den Entwicklungen in der Türkei. Je nach aktueller Situation werden Politiker angegriffen, Spannungen vertieft und der Nährboden für Provokationen gelegt. Daher ist die Verantwortung dieser Medien in Bezug auf die Spannungen, die nach Deutschland importiert werden, innerhalb der Migranten besonders groß.

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