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Eine unendliche Debatte

Cigdem Ronaesin

 

Ernst Albrecht (CDU), der damalige niedersächsische Ministerpräsident, entschied sich 1976 für Gorleben, um ein „Nukleares Entsorgungszentrum“ zu bauen. Diese Entscheidung war politisch motiviert, denn die geographische Lage von Gorleben sprach für sich: Gorleben liegt 2 km von der ehemaligen DDR-Grenze entfernt. Wenn es damals zu einer atomaren Katastrophe gekommen wäre, wären es in einem Radius von 30 km über 70 Prozent der Betroffenen die Menschen in der DDR gewesen. Albrecht äußerte dem Prof. Gerd Lüttig gegenüber, der 17 Jahre später den Grund für diese Entscheidung nannte: „Die DDR hat uns mit dem Endlager Gorleben so geärgert, jetzt ärgern wir mit Gorleben zurück.“ 1986 wird dann mit den Arbeiten begonnen und 1997 erreicht der erste Schacht eine Endtiefe von 933 m. Die Gesamtkosten sollen 4,53 Mrd. DM betragen. 2000 wird die Erkundung durch den Energiekonsens mit den Stromkonzernen gestoppt. Das Moratorium dauert jedoch bis 2010 an.

Nach dem zehnjährigen Moratorium wurde die Prüfung des Salzstocks im Oktober 2010 wieder aufgenommen. Die Umweltschützer dürfen nun wieder fürchten, dass die Erkundung ausgenutzt wird, um ein Endlager zu bauen. Auch die Bürgerinitiative (BI) Umweltschutz Lüchow-Dannenberg interpretiert die Aussagen von Angela Merkel im Gorleben-Untersuchungsausschuss des Bundestages so, als ob es nach einer Errichtung eines Endlagers aussehen würde. Wolfgang Ehmke vom Vorstand der BI sagt, dass Gorleben bei der Bundeskanzlerin „hoch im Kurs als potenzieller Endlagerstandort“ liege. Der Versuch, Vertrauen für ein neues Suchverfahren zu schaffen, sei gescheitert, da Gorleben als Standort „Nummer eins“ im Spiel bleibe. Während Merkel sich für eine weitere Untersuchung des Salzstocks Gorleben aussprach, betonte sie, dass sie nicht einsehen könne, „warum man einen Standort, den man schon lange erkundet hat, nicht endlich mal zu Ende erkundet.“

Der Neustart bei der Endlagersuche war schon unter den Parteien fast Konsens. Der baden-württembergische Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) schrieb im September einen Brief an Bundesumweltminister Peter Altmeier (CDU), dass es die Möglichkeit gebe, „nach der Energiewende auch die Frage der Endlagerung radioaktiver Abfälle in einem nationalen Konsens zu regeln. Nicht erst seit ihrem Antrittsbesuch am 23. Juli in Stuttgart sind wir uns einig, dass hierzu nur noch eine letzte große Verhandlungsrunde notwendig wäre.“ Er ergänzt zusätzlich, dass vielversprechende Verhandlungen schon einmal unterbrochen worden seien, weil die Landtagswahlen in Nordrhein-Westfalen anstanden. Jetzt müsse man betrachten, dass wenig Zeit bis zu den Wahlen in Niedersachsen im Januar bleibe. Er forderte den Bundesumweltminister auf, schnell Gespräche zu organisieren und sei „gerne bereit“, zu einem Abschluss zu kommen.

Doch wahl-taktisch „klüger“ handelt der Grünen-Fraktionschef Jürgen Trittin, denn er sagte seine Teilnahme an dem Treffen mit Altmaier ab. Bei diesem Treffen sollte ein Gesetz zur Suche nach einem Atommüll-Endlager geplant werden. Sigmar Gabriel, SPD-Vorsitzender, macht es dem Grünen-Politiker gleich. Auch er nahm an der Sitzung nicht teilnehmen. David McAllister, Ministerpräsident von Niedersachsen, fordert die Opposition auf, sich wieder an die Verhandlungen zu wagen. „Es kann nicht sein, dass wegen der Aufgeregtheiten rund um die Ur-Wahl des Grünen-Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl die Chance auf einen wichtigen Konsens vertagt wird.

Und das ist nämlich der Punkt, an dem Trittin taktisch klug im Sinne seiner Partei reagiert, aber bestimmt nicht im Sinne der Umwelt. Die Opposition hat natürlich kein Interesse daran, kurz vor den Wahlen ein Eigentor zu schießen. So ein Gesetz würde für die schwarz-gelbe Fraktion einen Erfolg bei den Wahlen bedeuten. Schließlich ist die Frage nach dem Umgang mit dem Atommüll eines der elementarsten Themen der Grünen. Grüne und SPD geben jedoch als Grund, dass der Bundesumweltminister nicht rechtzeitig vor dem Treffen einen einigungsfähigen Gesetzentwurf vorgelegt habe.

In einem Brief warf Altmaier Trittin vor, dass er eine parteiübergreifende Einigung zum Thema Endlager verhindern wolle. Der CDU-Politiker widerspricht der Opposition und unterstreicht, dass er schriftlich konkrete Vorschläge an beide Politiker geschickt habe, in denen die Forderungen beider Parteien berücksichtigt seien. Laut Altmaier gebe es „keinen besseren Zeitpunkt“, um sich bei diesem Thema einig zu werden.

Große Sorgen braucht sich Altmaier da nicht zu machen. Es ist eine Frage der Zeit, bis sich die Parteien an den Verhandlungstisch setzen. Noch sieht es so aus, als ob Grüne und SPD in Niedersachsen die Schließung des Standortes verlangen würden, aber nach den Wahlen sieht auch ihre Politik ganz anders aus. Schließlich wird das Thema in den beiden Bundesparteien jetzt schon kontrovers diskutiert und es gibt keine einheitliche Linie.

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