Written by 13:48 HABERLER

„Fressen oder gefressen werden“

Cigdem Ronaesin

 

Der Begriff Mobbing wird von Jahr zu Jahr aktueller und wird zu einem Trauma von vielen Schülern und Arbeitern. Immer öfter hören wir von Mobbing und den Folgen dessen. Doch was heißt Mobbing und woher kommt es?

Das Wort kommt aus dem Englischen und heißt übersetzt: jemanden bedrängen, anpöbeln, über ihn herfallen oder auch ihn fertig machen. Wenn man weiter nach der Definition geht, dann bedeutet es, dass Mobbingopfer mindestens einmal wöchentlich über einen Zeitraum von einem halben Jahr hinweg angegriffen, herabgewürdigt oder diskriminiert werden. Nicht nur, dass Gerüchte über das Opfer in die Welt gesetzt werden, es verschwinden Unterlagen bzw. Materialien, keiner redet mit dem Opfer und tötende Blicke gibt es immer von allen Seiten. Wenn man an Mobbing denkt, denkt man zumeist an die Schule, weil es bei Erwachsenen solch ein Verhalten nicht mehr geben soll, so denkt man. Doch die Realität sieht anders aus: Hier ein Beispiel:

„Ich arbeite seit fast 12 Jahren in der Pflege, meine Arbeit macht mir auch sehr viel Spass, seit September 2012 bekamen wir eine neue Pflegedienstleitung (PDL) vorgesetzte, seitdem ist mein Leben nicht mehr, wie es einmal war. Systematisch nahmen der Druck und Unterstellungen zu, dass es so weit kam, dass ich fast vor eine Mauer gefahren bin. Vor meinem Urlaub kamen gleich 6 Aktennotize, ich stand heulend wieder vor einem Vorgesetzten, der leider in einer Besprechung war, konnte wieder meine Not nicht vorbringen. Es kam soweit, dass ich mich in meinem Urlaub krank meldete, bis heute nicht mehr zur Arbeit gehen kann. Psychologen gibt es bis zur 1 Jahr Wartezeit. Habe meine Krankenkasse um einen schnelleren Termin gebeten. Was soll ich nur weiter tun, um meinen Arbeitsplatz nicht zu verlieren? Bekam schon einen Brief zu einem Gespräch, habe aber auch Angst, weil dieser Chef zur PDL-Kraft hält und mich nicht in meinem Sinne um klärendes Gespräch führt.“, so ein Mobbingopfer, das am Ende seiner Kräfte ist und im Internet nach Hilfe sucht. Daraufhin folgen zahlreiche Erfahrungen, die genau das gleiche im Büro, in der Schule, im Lehrerzimmer und überall erleben, wo Menschen zusammen arbeiten.

 

Doch woher Mobbing kommt und was die Ursachen sind, ist noch unter den Experten sehr umstritten. Die einen sehen den wichtigsten Grund im Charakter des Opfers, weil er selber ängstlich und unterwürfig ist. Damit wird automatisch auch gesagt, dass die Menschen verdammt dazu sind, gemobbt zu werden. Andere wiederum sehen das Problem beim Mobber und analysieren seinen Charakter als schwach, den er verstecken und auf den anderen projizieren möchte. Somit verschwindet seine Schwäche aus dem Blickfeld und ein anderer wird zum Opfer. Beide Ansätze sind jedoch zu sehr auf das Individuum beschränkt und zu einfach erklärt.

Mit Sicherheit werden diese Faktoren bei dem einen oder anderen Fall eine Rolle spielen, dennoch ist die Annahme, dass strukturelle und gesellschaftliche Faktoren der größte Auslöser sind, am weitesten verbreitet. Ganz nach der Theorie „Fressen oder gefressen werden“, wird dem Menschen von klein auf beigebracht, dass man sich in jeglicher Hinsicht beweisen oder durchsetzen soll. Im Kindergarten sind es die Spielsachen, in der Schule die Noten, an der Uni die begrenzten Studienplätze und schließlich der Arbeitsplatz selber. Konkurrenz wird dem Individuum bereits in die Wiege gelegt. Der Druck sorgt dafür, dass man um jeden Preis besser sein muss, als die anderen. Auch wenn der Preis die Psyche des Gegenübers ist? Wie gesagt: „Entweder fressen oder gefressen werden“, das ist unsere Ellenbogen-Gesellschaft. Viele Wissenschaftler und Experten sehen Mobbing als eine Waffe an, die im innerbetrieblichen Wettstreit um knappe Ressourcen eingesetzt wird. Es kann jedoch auch zu einer Waffe der Firmen sein. Denn Gewerkschaften und Forscher berichten, dass viele Unternehmen Mobbing als Strategie benutzen, damit die Arbeiter selber ihre Kündigung einreichen und sie somit keine Abfindung zahlen müssen.

 

Laut Mobbing-Report sehen 22,5 % der gemobbten Arbeiter die Lösung darin, zu kündigen. Doch sowohl Gewerkschaften als auch Forscher raten zu verschiedenen Präventionen und Interventionen. Sowohl in der Schule als auch im Betrieb gibt es Vertrauenspersonen, die sich auch mit dem Thema auskennen und den Opfern helfen. Leider sieht die rechtliche Lage in Deutschland nicht so gut aus, wie in anderen Ländern wie z.B. Frankreich oder Schweden, wo es gesetzlich verankerte Bestimmungen zum Schutz gegen Mobbing am Arbeitsplatz gibt. In Deutschland, so  bleibt es zu sagen, sollte man geschlossen gegen Mobbing vorgehen, wenn es selber im Umfeld passiert, denn die Politik will keine nachhaltigen Schutzmassnahmen treffen.

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