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Gründung und Gegenprotest: Was die neue AfD-Jugendorganisation auslöst

Nachdem sich Anfang des Jahres die alte AfD Jugendorganisation, Junge Alternative (JA), aufgelöst hat, gründete sich am 29. November die Nachfolgeorganisation, Generation Deutschland, in Gießen. Die Jugendorganisation entzieht sich damit bewusst der offiziellen Beobachtung durch den Verfassungsschutz, zudem werden in der Generation Deutschland alle Mitglieder auch Mitglieder der AfD sein.

Lukas Maar

Durch die Mitgliedschaft in der AfD entsteht ein stärkerer Bezug und damit ein größerer Einfluss durch die Partei. Was beispielsweise auch daran zu erkennen ist, dass die Generation Deutschland kein eigenes Programm beschlossen hat. Aber auch das Aufbauen von rechten Kadern für die Partei rückt in den Fokus.

Rechte Kader für die Generation Deutschland

So zum Beispiel Jean-Pascal Hohm. Er wurde an beim Gründungskongress mit großer Mehrheit zum Vorsitzenden gewählt und hat ein weitverzweigtes Netzwerk in die rechtsradikale Szene. Doch auch die weiteren Kandidierenden sind auffällig. Der erste Stellvertreter Jan Richard Behr ist ehemaliger Vorsitzender der JA Dresden, hat Verbindungen zur Identitären Bewegung und dem rechtsradikalen Verlag Götz Kubitschek sowie viele kameradschaftliche Fotos mit Björn Höcke. Der zweite Stellvertreter, Adrian Maxhuni, war ehemalig im Bundesvorstand der JA. Der dritte Stellvertreter Patrick Heinz hatte den Vorsitz des NRW-Landesverbands inne. Die Generation Deutschland steht somit ihrer Vorgängerorganisation in Sachen Rechtsradikalismus in nichts nach.

Tausende protestieren gegen die Gründung

Nicht nur die Teilnehmer der Konferenz sind aus ganz Deutschland angereist, auch 50.000 Demonstranten sind in Gießen vor Ort gewesen, um gegen die Neugründung zu demonstrieren. Ein Teil der Demonstranten hatte dabei auch das Ziel die Neugründung durch gezielte Blockaden zu verhindern. Besonders Jugendliche waren zahlreich schon in der Nacht und den frühen Morgenstunden angereist. Die Jugendorganisation gründete sich in den Hessenhallen in der Gießener Weststadt. Die schon vorher angesetzten Blockaden mussten aufgrund einer verhängten Sperre verlagert werden. Einige Tausend Demonstranten kamen jedoch auch, um an den gewerkschaftlichen Kundgebungen und Demos teilzunehmen. Im Vorhinein gab es bereits eine Annäherung der Gewerkschaften und den zur Blockade aufrufenden Bündnissen, wie „Widersetzen“. Doch auch die Kundgebungen des DGB und Bündnispartnern wurden kurzfristig durch die Stadt Gießen verlegt. Die Verlagerungen seien laut Polizei auf Sicherheitsbedenken bei den Demonstrationen zurückzuführen. Wie zu erwarten, hat sich bei den Blockaden gezeigt, von wem eine Sicherheitsgefährdung ausgegangen ist – von der Polizei selbst. Die Durchsetzung der Verbote durch den SPD Bürgermeister Gießens sowie die gewählte Einsatzstrategie der Polizei, welche dem CDU-Innenminister von Hessen, Roman Poseck, unterliegt, zeigen auf, wie diese Parteien legitimen Protest kriminalisieren und verhindern. Unter anderem dadurch bahnen die Parteien ein weiteres Mal den Weg für einen stetigen Rechtsruck – gestützt durch ihre Politik, die die Bevölkerung auf Kosten von Profiten gezielt vernachlässigt.

Die Gründung der Generation Deutschland konnte letztlich nur um wenige Stunden verzögert werden, die friedlichen Blockaden wurden mit brutaler Polizeigewalt durchbrochen und die Spitzenpolitiker der AfD mit Polizeieskorte zum Tagungsort gefahren. Während den blockierenden Demonstranten bei jeder Möglichkeit die Staatsgewalt in voller Stärke präsentiert wurde, blieb die inhaltliche Auseinandersetzung in dieser Protestform logischerweise aus. Im Nachhinein werden die Demonstranten, durch Medien und öffentliche Vertreter z.B. Roman Poseck, als gewaltbereit dargestellt. Die AfD bezeichnet sie als undemokratisch oder faschistisch. Die Polizei hingegen wird in hohen Tönen gelobt, nur Wenige kritisieren deren Vorgehen oder fordern Aufklärung. In der Öffentlichkeit wird im Nachhinein also nach wie vor ein Bild gezeichnet, das die Delegitimierung und Kriminalisierung der Proteste bestätigen soll. Und das obwohl sich nicht „nur“ kleine Gruppen an den Protesten beteiligt haben, sondern auch große Gewerkschaften, wie ver.di, beteiligt waren.

Inhalte der Redebeiträge

Auf den Kundgebungen des gewerkschaftlichen Bündnisses standen die politischen Reden im Vordergrund. Über den Tag hinweg wechselte das Programm zwischen musikalischer Unterhaltung und politischen Reden. Wirkliche Aktivität war vor der großen DGB-Bühne lediglich während der Band-Auftritte vorzufinden. Während der Reden war die Bühne weniger gut besucht. Den Rednern wurde eher mit schweigender Zustimmung zugehört – regelmäßig unterbrochen von Pfiffen und Applaus.
Kurz nach Beginn der Kundgebung sprach Hessens Wirtschaftsminister Mansoori (SPD), der in seiner Rede unter anderem der Polizei für ihren Einsatz in Gießen dankte. Damit blieb er auf der Bühne ziemlich alleine, widersprochen wurde ihm jedoch auch nicht von den Veranstaltern. Er sprach vom Herkunftsland seiner Eltern, dem Iran, und wies darauf hin, wie frei wir in Deutschland wären, wenn wir unsere Meinung mitteilen wollen.
Alles in allem waren sich die vielen Redner aber weitestgehend einig. Die AfD seien allesamt Faschisten und man müsse ihnen die Stirn bieten. Von einer neuen Hitlerjugend war oft die Rede. Es sprachen viele Organisationen und Bündnisse, die sich gegen Rassismus, Sexismus, Diskriminierung im Allgemeinen sowie der Spaltung der Gesellschaft aussprachen. Und während an unzähligen Stellen auf gute Weise richtiggestellt wurde, welche Aussagen und welche Politik der AfD falsch und unmenschlich sind und wie wir in der Gesellschaft miteinander umgehen müssen, fehlte auch Einiges.

Es wurde selten darüber gesprochen, wo der Ursprung der Tendenz in der Bevölkerung liegt, rechte Parteien und Organisationen zu unterstützen und wie man diesen Ursprung beseitigt. Es wurde nicht darüber gesprochen, warum wir froh sein können, dass die Generation Deutschland noch nicht die Hitlerjugend 2.0 ist. Und auch diejenigen, die den Nährboden für den Rechtsruck schafften, die Banken, Konzerne und Regierungen in Deutschland, wurden selten benannt.
Zum Ende des Tages hin gab es jedoch wenige Redner, die nochmal konkreter auf die Ursachen eingegangen sind – die Rednerin der DIDF, die des Internationalen Jugendverbands und ein ver.di-Vertrauensmann. Als Vertrauensmann bei DHL wurde er gekündigt, nachdem er sich gegen die von dem Logistikunternehmen organisierten Waffentransporte nach Israel am Flughafen Halle-Leipzig öffentlich aussprach. Sie betonten die Rolle der schlechten Lebens- und Arbeitsbedingungen, die wir im Alltag vorfinden. Ob bei der Gesundheitsversorgung, der Bildung oder eben am Arbeitsplatz. Die Kosten steigen, der Druck steigt, der Reallohn sinkt und die Aktionäre machen sich die Taschen voll. Und eben das ist es, was natürlich auch in der Jugend, die besonders betroffen davon ist, dazu führt, dass rechte Organisationen, wie die Generation Deutschland, so viel Anziehungskraft entwickeln.

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