Gamze Karaca
Anfang März wurde bekannt, dass das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) seit dem 25. Februar 2021 die AfD als „rechtsextremistischen Verdachtsfall“ einstuft und ehe wir uns versahen, gehörte wenige Tage später jene Einstufung bereits der Vergangenheit an. Das Verwaltungsgericht Köln hatte nämlich dem Bundesamt für Verfassungsschutz zunächst untersagt, die AfD weiterhin zu beobachten.
Der Stand des Verfahrens
In Brandenburg, Thüringen, Sachsen-Anhalt und Sachsen gilt die AfD bereits für den Verfassungsschutz der jeweiligen Länder als Verdachtsfall.
Mitte Januar 2019 hat das BfV die AfD als Prüffall bekanntgegeben. Das bedeutet, dass seither der Verfassungsschutz untersucht, ob und inwiefern rechtsextremistische bzw. verfassungsfeindliche Tendenzen bei der AfD vorliegen. Der Prüffall ist die Vorstufe zum Verdachtsfall. Hier kann der Verfassungsschutz lediglich öffentlich zugängliche Quellen auswerten und mithilfe nachrichtendienstlicher Mittel Informationen sammeln sowie die Beobachtung vornehmen. Der Einstufung als Verdachtsfall hingegen liegen gewichtige tatsächliche Anhaltspunkte für den Verdacht extremistischer Bestrebungen zugrunde. Hierbei ist es dem Verfassungsschutz erlaubt, jene Organisationen genauer zu kontrollieren und deren Mitglieder abzuhören und zu observieren.
Die Prüfung hat ergeben, dass der Verfassungsschutz eine Einstufung als Verdachtsfall als gerechtfertigt sieht, die aber wie bereits erwähnt vom Verwaltungsgericht Köln gekippt wurde. Dieser Beschluss bleibt nun solange bestehen, bis das Gericht eine Entscheidung über die entsprechenden Eilanträge der AfD entschieden hat, die eine solche Beobachtung verhindern sollen.
Die Kernfrage innerhalb des Prüfverfahrens wird wohl jene gewesen sein, wie sich die AfD seit der formalen Auflösung des sogenannten „Flügels“ entwickelt hat. Dieser sogenannte „Flügel“, dessen zentraler Akteur Björn Höcke war, wurde im März 2020 vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestuft und wird seither nachrichtendienstlich observiert. Allerdings ist diese Auflösung nichts anderes als eine Simulation, denn die Machtkämpfe zwischen der unterschiedlichen Lager der AfD, die sich im Kern nicht wirklich unterscheiden, sind nach wie vor präsent, wie das zuletzt bei ihrem vergangenen Parteitag in Kalkar zu beobachten war.
Die Rolle des Verfassungsschutzes
Die Frage, ob die AfD rechtsextrem sei, ist längst überfällig und hätte von der Politik und vom Verfassungsschutz bereits eher gestellt werden müssen. Dass Letzteres diesen Umstand allerdings ignoriert, dürfte seine Verstrickung in der rechtsextremen Szene verdeutlichen, wie beispielsweise seine Rolle im NSU-Komplex, die bis heute nicht lückenlos, ja nicht einmal ansatzweise aufgeklärt wurde. Auch, dass erst jetzt die Einstufung als Verdachtsfall erfolgen soll, zeigt, dass der Verfassungsschutz nicht die Lösung, sondern vielmehr Bestandteil des Problems ist.
Es ist daher nicht zu bejubeln, dass der Verfassungsschutz nun die AfD unter Beobachtung stellt, während diese Behörde kontinuierlich ausschließlich gegen links zielt, in rechte Verbrechen verstrickt ist, durch V-Leute rechte Strukturen unterstützt, gestärkt sowie geschützt hat und bis vor kurzem mit Hans-Georg Maaßen einen Präsidenten hatte, der insbesondere durch bestimmte Äußerungen, mitunter rechte Gewalt relativierte und ja auch nicht der CDU beigetreten sei, „damit heute 1,8 Millionen Araber nach Deutschland kommen“.
Die AfD erneut im Opfermodus
Man ist es mittlerweile gewohnt, dass die AfD sich gerne in die Rolle des Opfers begibt. Auch in diesem Fall bleiben wir nicht verschont davon, sieht sie sich vor allem als Opfer einer Verschwörung. Sie bezeichnet sich als bürgerlich-konservativ, sei die einzige Möglichkeit, „das Volk“ zu befreien und würde aber von Sicherheitsbehörden aus machtpolitischem Kalkül bedrängt werden. Wer allerdings die menschenverachtende Politik der AfD, vor allem ihrer Funktionäre, verfolgt, weiß, dass der Rechtsextremismus allgegenwärtig ist und selbst innerhalb der Partei bereits benannt wurde, dennoch kein Interesse daran bestand, hierfür eine Lösung zu finden.
Der Bundessprecher der AfD, Tino Chrupalla, zeigt sich empört, bezeichnet die gegen die AfD erhobenen Vorwürfe als ein Skandal und versichert, dass es innerhalb der AfD keinen einzigen Politiker gebe, der ein Rechtsextremist sei. Jener Bundessprecher, der von „Umvolkung“ sprach und diesen in der Nazi-Sprache gängigen Begriff nicht für rechtsextrem hält, Mitglieder seiner Partei mit einem Schreiben darum bat, ihm „Hintergrundinformationen über als Journalisten getarnte Zersetzungsagenten“ zukommen zu lassen und gemeinsame Sache mit dem für seine rechten Bestrebungen bekannten „Volkslehrer“ Nikolai Nerling machte, der in seinem jüngsten Video die Opfer von Hanau verhöhnte. Die Liste an rechten Äußerungen und Handlungen weiterer Akteure dieser Partei ist lang. Es gibt daher absolut kein Missverständnis, wofür die AfD steht.
Auswirkungen auf das Superwahljahr
Dass die Information der Einstufung als Verdachtsfall Auswirkungen auf das Superwahljahr und somit auf die Wählerschaft haben könnten, ist stark anzunehmen. Auch auf die Mitglieder wird es einen Einfluss haben, müssen sie nun vermehrt darauf achten, welche Äußerungen sie in der Öffentlichkeit tätigen. Umfragen zufolge ist die AfD stets unter zehn Prozent und ihre ständige Opferinszenierung, die durch die potentielle Beobachtung erneuert wurde, womöglich eine Strategie, ihre Zielgruppe anzulocken, die somit die Bekanntgabe der Beobachtung als Eingriff in die bevorstehenden Landtagswahlen und die Bundestagswahl betrachten könnten.
Doch wie auch immer die Entscheidung ausfallen wird, eins ist gewiss. Die AfD kann auf kommunaler und Landesebene mit ausreichender Unterstützung rechnen. Eine Koalition wird es in irgendeiner Form früher oder später geben. Vor allem ist es der Verfassungsschutz, der die AfD mithilfe von V-Leuten stärken könnte. So wie 2003, als die NPD so sehr von V-Leuten unterwandert war und das Verbotsverfahren daher zu Fall gebracht wurde.