Written by 12:18 HABERLER

Hartz IV Sanktionen gegen Schüler

Zeugniskontrolle: 15-jährige sollen auf Stellengesuche reagieren und werden bei Weigerung sanktioniert

Jonas und Max sind zwei  Brüder und Schüler mit guten Noten, die später einmal studieren möchten. Das Problem: Die Eltern stocken mit Hartz-IV auf.  Deswegen müssen die beiden Brüder sich regelmäßig gegenüber dem Jobcenter in Nienburg erklären. Für diese Behörden gilt der Nachwuchs ihrer „Klienten“ mit dem 15. Geburtstag als erwerbsfähig. Damit beginnt für Jugendliche in sogenannten Bedarfsgemeinschaften die Verfolgungsbetreuung. Falls  Einladungen zu Terminen mit Rechtfolgenbelehrungen nicht Folge geleistet wird, werden sogar gegen Minderjährige Sanktionen verhängt.

„Ich möchte mit Ihnen Stellengesuche und vermittlungsrelevante Daten besprechen…“, forderte die Behörde Max erstmals im Jahr 2011 auf. Bewerbungen, Lebenslauf, Schulbescheinigung und eine Kopie seines letzten Zeugnisses sollte er auch mitbringen.  „Ihre Leistungen können ganz oder teilweise eingestellt werden“, ließ die Behörde den Jungen wissen, falls er dem nicht Folge leiste. Derzeit stehen Jugendlichen zwischen 14 und 17 Jahren monatlich 289 Euro zu. Etwaige Unterhaltsleistungen und Kindergeld werden komplett verrechnet.  Das Geld soll das „physische und soziokulturelle Existenzminimum“ decken.  Also nahm Jonas den Termin wahr und tat, wie ihm gebeten. Trotz Einreichung der Schulbescheinigung, aus der hervorging, dass er die Bildungsstätte noch mehrere Jahre besuchen wird, erhielten er und sein jüngerer Bruder ab 2012 weiterhin Einladungen vom Jobcenter.

Nach erneutem Bestellen im Oktober reichte es den Eltern.  Die Mutter, Maria Krüger, sagte den Termin ab und wies zugleich den Schulbesuch erneut nach. „Wir wollen es den Jungs nicht mehr zumuten, ständig vor dem Sachbearbeiter Rechenschaft ablegen zu müssen“ sagt die 40-jährige. Zudem erklärte sie in ihrem Brief an die Behörde „Eine berufliche Vermittlung ist momentan nicht angezeigt“.

Da, laut Jobcenter Nienburg, über 15-jährige in Bedarfsgemeinschaften als erwerbsfähig gelten und auch als „Kunden“  bezeichnet werden, werden sie auch als solche behandelt. Ziel sei es, „bei Problemen passgenau tätig werden zu können“. Manche Schüler würden zum Ende der Schulzeit leistungsschwächer, was ihre „Hilfebedürftigkeit“ verlängern könnte. Daher auch die strengen Kontrollen seitens des Amtes. Kinder von Hartz-IV-Beziehern seien „gesetzlich zur Berufsberatung verpflichtet“.

Das Jobcenter kündigte den Schülern an, ihren Regelsatz um 28, 90 Euro zu kürzen, da sie ihr Fernbleiben nicht ausreichend begründet hätten.  Zudem lud die Behörde sie erneut vor, um sie „zum Sachverhalt anzuhören“. Maria Krüger protestierte dagegen: „Unterhaltspflichtige Elternteile dürfen auch nicht einfach aufhören, zu zahlen, wenn das Kind nicht wunschgemäß funktioniert“. Nicht Taschengeld, sondern Existenz sichernde Leistungen werden gekürzt.

Laut Bundesbeauftragte für Datenschutz, Peter Schaar, reicht eine Schulbescheinigung völlig aus. Lebensläufe seien nicht von Belang. „Solange das Kind die Schule besucht, genügen Angaben der tatsächlichen Verhältnisse“, berichtet der Experte.

Daniela Meyer, Bereichsleiterin des Nienburger Jobcenters bestätigte auch, dass grundsätzlich alle 15-Jährigen von der Behörde angeschrieben werden würden. Es handelt sich allerdings aber nicht um Einzelfälle, selbst die Berufsberatung versende immer Termine mit Rechtsfolgenbelehrungen.

Also kein Einzelfall, sondern die systematische psychische Bloßstellung von Teenagern in Bedarfsgemeinschaften.

 

Basak Yildirim

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