Written by 07:00 HABERLER

“Ich habe meinen Frieden mit der Musik gemacht”

Interview mit der Band ENGIN

ENGIN heißt die dreiköpfige Band aus Mannheim, mit der wir auf dem Jugendfestival der DIDF-Jugend gesprochen haben. Die Mitglieder der jungen Gruppe, bestehend aus dem Sänger Engin, dem Drummer Jonas und dem Bassisten David, bringen türkisch-deutschen Pop- und Indiesound auf die Bühne.

Özgün Önal

Ihr macht „Deutsch-türkischen Indie“, wie seid ihr auf ausgerechnet diese Musikrichtung gekommen?

Engin: Vor 3 Jahren habe ich mich an die Gitarre gesetzt und habe türkische Musik für mich entdeckt. Angefangen mit Cem Karaca und da besonders den Song „Resimdeki Gözyaşları“. Der hat es mir richtig angetan. Vorher hatte ich mich gar nicht mit türkischer Musik beschäftigt. Aber dieser Song hat mich emotional sehr bewegt und da dachte ich „Okay, da ist mehr dahinter“.  Das war für mich der Anlass, künstlerisch meine deutsch-türkische Identität zu beleuchten.

Dann habe ich im Studium David kennengelernt und mit ihm die erste EP (Extended Play) aufgenommen. Bei der Aufnahme war Jonas auch mit dem Schlagzeug dabei. Wir sind Kindheitsfreunde und kennen uns schon seit 20 Jahren. Er fand die Idee auch cool, da etwas deutsch-türkisches zu machen. Wir haben gemerkt, es gibt schon so viele Generationen türkischer Menschen in Deutschland, aber die Musikkultur ist noch unterrepräsentiert und sie ist noch nicht zusammengewachsen mit deutscher Musik. Das war unser Ansatz zu sagen, dass etwas fehlt. Vor allem, da es so tolle türkische Rockmusik aus den 60ern und 70ern gibt und wir das als unsere musikalischen Wurzeln, zusammen mit 60er und 70er Jahre Musik aus den USA und England gesehen haben.

Die türkeistämmige Jugend beschäftigt sich stärker mit ihrer Herkunftsgeschichte, hört Arabesk usw. Gehen wir zurück zu unseren Wurzeln?

Engin: Ich kann nur für meine persönliche Entwicklung sprechen: ich habe jahrzehntelang dieses Türkischsein gar nicht in den Fokus gestellt, das lief halt nebenher. Aber ich habe es auch wirklich nicht beachtet und ich glaube jeder muss für sich den Weg finden, wie man das Beste aus den beiden Welten rausholen kann. Man bekommt einen sehr reichen kulturellen Schatz geschenkt und es ist eigentlich schade, wenn man den verkümmern lässt. Wenn jeder die Freiheit hat, sich etwas daraus rauszusuchen und auf diesen Schatz – auf die Sprache, Kultur, das Essen, die Musik, die Kunst – zuzugreifen, würde es die Gesellschaft unfassbar bereichern. Ich finde es cool, wenn mehr junge Menschen, aber auch ältere, sich frei und unbefangen mit ihren Wurzeln beschäftigen.

Besonders Rap hat sich als Protestrichtung des Ausdrucks von türkeistämmigen Jugendlichen über die Jahrzehnte entwickelt. Ist eure Musik ein Schritt in die Aussöhnung beider Identitäten?

Engin: Also es ist die Aussöhnung meiner Identität. Diesen Konflikt, wie es mit zwei Wurzeln ist, habe ich natürlich als Jugendlicher auch gespürt. Vor allem auch hier in Deutschland geboren zu sein, aber dann nochmal eine Identität zu haben, die in einem anderen Land verwurzelt ist. Ich habe meinen Frieden mit der Musik gemacht und bin öfter nach Istanbul, in die Heimatstadt meines Vaters, gereist und sie zu meiner zweiten Heimat gemacht. Im Sinne von: ich gehe dahin, ich besuche die Stadt und ich lerne, mich dort auch Zuhause zu fühlen. Das fällt natürlich über die Musik sehr leicht, weil man dann auch gut aufgenommen wird.

Rap hat es gebraucht als Protest, vor allem in der Zeit der späten 80er und der 90er Jahre, ganz eindeutig. Ich bin aber gar nicht damit in Berührung gekommen. Meine Jugendkultur war Rock. Und da wir Bandmitglieder  alle mit Rock sozialisiert wurden und gesehen haben, dass es nicht nur Rap gibt, stehen wir dafür ein, dass Rockmusik aus der Nische rauskommt und einfach wieder mehr in die Gesellschaft kommt und gehört wird.

Für die Jugend – für unsere Zukunft ist das Motto des Festivals, was verbindet ihr mit Jugend und Zukunft?

Engin: Die Jugend ist die Zukunft! Wir sollten gucken, dass wir eine friedliche und gute Welt der nächsten Generation hinterlassen und deswegen ist es wichtig, viel miteinander zu sprechen, sich gesellschaftlich auszutauschen und empathisch zu sein.

Jonas: Weltfrieden steht an erster Stelle, aber auch der gesellschaftliche Frieden, das Miteinander- und Füreinander da sein. Nicht nur nebeneinander her leben, sondern wirklich einen Austausch generieren, offen auf andere zugehen. Mit Musik ist es sehr schön, Menschen und Kulturen zu verstehen. Rückblickend würde ich sagen, ich hätte gerne mehr Musik aus anderen Kulturen gehört.

David: Die Jugend ist super wichtig! Einmal im allumfassenden Sinne, dass wir wissen, dass die neu kommenden Generationen diejenigen sind, die die Welt und unsere Gesellschaft prägen. Aber auch für jeden individuell ist die Jugend eigentlich das, was man in dem Moment, in dem man in der Jugend steckt, eigentlich loswerden will und Erwachsen werden will. Wenn diese Zeit dann aber vergeht, ist es, glaube ich, bei den meisten so, dass man sich dann immer wieder nach dieser unbeschwerten Zeit, in der man keine Verantwortung übernehmen musste, zurücksehnt. Und deswegen glaube ich, dass es wichtig ist, dass wir der Jugend erlauben, jugendlich zu sein und ihr nicht zu viel auf die Schultern zu setzen, aber gleichzeitig  auch beibringen, wie man Verantwortung übernimmt. Das ist die große Aufgabe in allen Bereichen der Gesellschaft.

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