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Palästina, die „Sache“ der HÜDA PAR und die Kurden

Yusuf Karadas

Die HÜDA PAR, bekannt als die kurdische Hizbullah, die als Bündnispartner der Erdoğan-AKP einige Mandate im türkischen Parlament besitzt, fällt bei den Kundgebungen und Demonstrationen zur Unterstützung Palästinas als die führende Partei auf. Am 15. Oktober organisierte die HÜDA PAR neben der Kundgebung, an der auch die konservativen Saadet- und die Zukunftsparteien teilnahmen, von Diyarbakır ausgehend Kundgebungen in kurdischen Städten und an der letzten Kundgebung in Batman nahmen Tausende von Menschen teil.

Folgende Frage wird nun lauter gestellt: „Versucht die HÜDA PAR, die Hamas der Kurden zu werden?“ Daher möchte ich mich dieser Frage widmen und die Aktionen der HÜDA PAR, ihren Diskurs und ihre Ziele bei diesen Aktionen näher betrachten, um eine Antwort auf diese Frage zu finden.

Zunächst einmal jedoch, um kurz einige Punkte hervorzuheben, die für unsere Diskussion hier wichtig sind, sei zunächst darauf hingewiesen, dass der Vorgänger von HÜDA PAR, die Hizbullah, in kurdischen Regionen und Städten auch von den Putschisten bewaffnet und unterstützt wurde, die in den 1990er Jahren, noch vor der Gründung der AKP, einen „Sonderkrieg“ gegen das kurdische Volk und ihren politischen Führer, der PKK, führten. Die Hizbullah ist übrigens nicht zu verwechseln mit der Hisbollah, die in anderen muslimischen Ländern über eine breite Basis verfügt. Der Staat nahm die Hizbullah erst ins Visier, nachdem der PKK-Führer Öcalan im Rahmen einer internationalen Operation in die Türkei gebracht wurde (1999) und nachdem die PKK den „Nichtkonfliktzustand“ erklärt hatte, ihre bewaffneten Kräfte von den Grenzen zurückzog. Im Jahre 2000 wurde der Führer der Hizbullah, Velioğlu, bei einer Operation getötet.

2011 wurden alle inhaftierten Hizbullah-Mitglieder aufgrund einer der AKP-Erdoğan-Regierung beschlossenen Amnestie freigelassen, woraufhin die HÜDA PAR 2012 als legale Partei der Hizbullah gegründet wurde. Mit anderen Worten: HÜDA PAR wurde als Fortsetzung der Politik der AKP-Erdoğan-Regierung in der Kurdenfrage und als „Instrument“ dieser Politik gegründet, als aggressive und bewaffnete kurdische Miliz gegen Linke und Demokraten.

Seit der Gründung von HÜDA PAR wird bei jeder Gelegenheit geschrieben und gesagt, dass die HÜDA PAR unterstützt werden sollte, um die säkular-demokratische kurdische Bewegung zu neutralisieren.

Als die syrisch-kurdische Provinz Kobanê 2014 von dem Islamischen Staat belagert wurde, unterstützte die HÜDA PAR den IS und nicht die angegriffenen Kurden, was ein wichtiger Wendepunkt im Hinblick auf das Verständnis ihrer wahren Identität war. Dutzende patriotischer kurdischer Jugendlicher wurden in Kobanê massakriert und die HÜDA PAR zeigte ihre „instrumentelle“ Funktion für die AKP-Regierung.

Vor den letzten im Frühjahr hatte der damalige Innenminister Soylu das Bündnis der AKP mit der religiösen HÜDA PAR als einen „strategischen Schachzug der Weisheit“ gegen die säkulare kurdische Bewegung bezeichnet und darüber hinaus behauptet, die HÜDA PAR habe nichts mit dem Terrorismus zu tun.

Was die „Unterstützung für Palästina“-Kundgebungen und -Demonstrationen der HÜDA PAR betrifft, so sind folgende Punkte hervorzuheben:

Erstens werden diese Demonstrationen als „Unterstützung für die Aqsa-Flut und die Hamas“-Demonstrationen organisiert. Bei diesen Demonstrationen werden in den Reden des HÜDA-PAR-Führers Yapıcıoğlu selbst die säkularistische PLO und Abbas nicht als Gesprächspartner akzeptiert. Natürlich kann Abbas unter vielen Gesichtspunkten kritisiert werden, aber die HÜDA-PAR-Mitglieder üben diese Kritik nicht, um die palästinensische Sache zu verteidigen, sondern um die Spaltung innerhalb der palästinensischen Sache zu vertiefen und nur die ummahistische Hamas zu unterstützen. Mit anderen Worten: HÜDA PAR ist kein Unterstützer der palästinensischen Sache, sondern nur der Hamas mit einem ummahistischen Ansatz.

Zweitens kritisieren die HÜDA PAR-Mitglieder die Haltung der islamischen Länder bei den Protesten, aber wenn es um die Erdoğan-Regierung geht, die über Worte hinaus keine konkreten Schritte gegen Israel unternimmt, bleiben sie still.

Andererseits verliert die HÜDA PAR kein einziges Wort gegen die Bombardierung der Erdogan-Regierung gegen die Kurden in Rojava, die ähnlich unverhältnismäßig sind, wie die israelischen Bombardierungen von Zivilisten und Krankenhäusern, die beide übrigens erklären, „Alle unter- und oberirdischen Einrichtungen sind unser Ziel, wo sich Terroristen befinden könnten“.

Bei ihren Demonstrationen in kurdischen Städten spricht die HÜDA PAR, genau wie Erdoğan, vom „Trinken der Brause des Märtyrertums“ und versucht, die religiösen Empfindlichkeiten der konservativen Kurden mit der Propaganda zu untermauern, dass die säkulare kurdische Bewegung die palästinensische Sache nicht unterstützt.

An dieser Stelle muss jedoch gesagt werden, dass die zögerliche Haltung der säkular-demokratischen kurdischen Bewegung in der palästinensischen Frage auch Raum für diese Gegeneinanderstellung eröffnet. Denn die palästinensische Frage kaum zu thematisieren, wie es bei den Kurden gerade gemacht wird, bedeutet nicht zwangsweise die kurdische Frage intensiver auf die Tagesordnung bringen und mehr zu diskutieren zu können.

Im Gegenteil, die Organisation von Solidaritätsaktionen der nationaldemokratischen kurdischen Bewegung mit dem palästinensischen Volk konnte und kann eine wichtige Rolle spielen, sowohl um die Schicksalsgemeinschaft zwischen diesen beiden Völkern zu sehen, als auch um auf die Angriffe der regionalen Reaktionäre, insbesondere der Erdoğan-Regierung, gegen die Kurden aufmerksam zu machen. Denn eine solche Haltung würde nicht nur die Ausbreitung der HÜDA PAR begrenzen, sondern auch eine wichtige Funktion bei der Entlarvung der heuchlerischen Politik der Erdoğan-Regierung in der palästinensischen und kurdischen Frage erfüllen.

Um auf die Ausgangsfrage zurückzukommen: Die Hamas hat es geschafft, Teil der palästinensischen nationalen Sache zu werden, obwohl sie von Israel unterstützt wurde und wird, um die palästinensische Sache zu spalten – was Netanjahu in seiner Rede im israelischen Parlament 2019 offen zugegeben hat – und weil sie den Kampf gegen das zionistische Israel auf eine ummahistische Grundlage stellt. Vielleicht kann hier eine Ähnlichkeit zwischen dem Einsatz der Hamas zur Neutralisierung der säkular-demokratischen palästinensischen Kräfte und dem Einsatz der HÜDA PAR durch die Erdoğan-Regierung für denselben Zweck gezogen werden. Die Tatsache, dass sie als Fortsetzung der Politik der Regierung Erdogan in der Kurdenfrage gegründet wurde, dass sie von dieser Regierung ins Parlament getragen wurde und dass sie die gleichen ideologischen Codes wie die AKP hat, die zu einer Staatspartei geworden ist, macht es jedoch unmöglich, dass HÜDA PAR von Anfang an die „Hamas der Kurden“ war.

Wenn sich die HÜDA PAR in einem solch verhängnisvollen Bündnis mit einer Regierung befindet, die sich in einer beispiellosen Aggression gegen jede Errungenschaft der Kurden sowohl innerhalb des Landes als auch außerhalb der Grenzen befindet, kann sie nicht einmal der religiös-muslimische Arm der kurdischen nationalen Sache sein. Aus diesem Grund kann die HÜDA PAR nicht mehr sein als ein Werkzeug, das die religiösen Empfindlichkeiten der Kurden ausnutzt, um den demokratischen und säkularen nationalen Kampf zu untergraben.

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