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„Ideen kann man nicht töten!“

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Melike Sümbül – Ezgi Güyildar

„Delikanlim iyi bak yildizlara – Merk dir die Sterne“ erzählt von Deniz Gezmiş und seinen Freunden, Hüseyin Inan und Yusuf Aslan, Führer der türkischen 68er-Bewegung. Vor allem Deniz Gezmis ist heute einer der Symbolfiguren der 68er. Denn er leitete die Universitätsbesetzung im Juni 1968 und beteiligte sich an den Protesten gegen die 6. US-Flotte, die zu der Zeit in Istanbul vor Anker lag. 1971 wurde Gezmiş und seinen Freunden der Prozess gemacht. Die Helden der türkischen Linken wurden im Oktober 1971 zum Tode verurteilt. Die Todesstrafen von Gezmiş, Aslan und İnan wurde am 6. Mai 1972 im geschlossenen Zentralgefängnis von Ankara durch Erhängen vollstreckt. Während der 11. Türkischen Filmwoche Berlin wurde der Film ebenfalls ausgestrahlt. Unter den Gästen des Festivals war auch Regisseur Can Dündar eingeladen. Wir haben mit ihm ein kurzes Gespräch über seine Dokumentation „Delikanlim iyi bak yildizlara – Merk dir die Sterne“ geführt.

 

NL: Wie entstand überhaupt die Idee, solch einen Film vor allem in so einer Zeit, in der wir uns gerade befinden, zu drehen?

Can Dündar: Der 40. Todestag von Deniz Gezmis und seinen Freunden war der Anlass dazu. Unsere Absicht war es, die Geschichte der 68er Bewegung der heutigen Generation zu erzählen. Wir wollten eine Dokumentation drehen, die der heutigen Jugend als Wegweiser gilt.

 

NL: Es gibt heute Gruppierungen, die die Werte dieser 68`er Bewegung für sich umdeuten wollen. Sogar Ministerpräsident Erdogan vergießt Krokodilstränen dazu.

CD: Ich denke, dass unsere Gesellschaft Deniz Gezmiş gut genug kennt und an diese Krokodilstränen nicht glaubt. Diejenigen, die Gezmiş bereits kennen, wissen das. Die, die ihn nicht kennen, denen versuchen wir eben seinen Kampf zu erklären. Aber es gibt auch viele Organisationen, die Deniz Gezmiş´s Kampf in seinem Sinne weiterführen.

NL: Wenn Jugendliche in Deutschland ihm auch gedenken…

CD: … dann wissen wir, dass diese Menschen eigentlich immer noch leben. Das zeigt uns auch, dass man Ideen durch Töten nicht vernichten kann. Genau im Gegenteil, solch eine Ungerechtigkeit hat dazu geführt, dass Deniz Gezmiş´s Ideen eine größere Menge erreicht hat. Das hat ihn zur Legende gemacht.

 

NL: Sie meinen die „Idee des Sozialismus“?

CD: Ja genau! Ich denke, dass der Sozialismus gerade in der Türkei auch sehr große Niederlagen und Stöße erlitten hat. Man hat Menschen eingesperrt, gefoltert und erhängt. Natürlich hat die sozialistische Bewegung immer wieder versucht, sich aufzurichten. Doch im Laufe der letzten vierzig Jahre kann man feststellen, dass er viel an Kraft und Durchsetzungsvermögen verloren hat. Allein schon die Stützpunkte der NATO, welche Deniz Gezmis und seine Freunde damals versucht haben, zu besetzen, sind heute immer noch auf Tagesordnung der Türkei. Würden diese Menschen heute leben, würden wir das Problem „Kürecik“ heute schon längt gelöst haben – so denke ich zumindest.

 

Özgür Gülbas (37, Ingenieur)

 

Wie fanden sie den Film?

Ich habe vorher auch Dokumentationen zu diesem Thema gesehen, doch hier gab es viele neue Aufnahmen und Videos, die bis heute noch nie ausgestrahlt wurden. In diesem Sinne hat er mich sehr bewegt und dazu geführt, dass ich emotional mitgerissen wurde. Es ist ein Film, der eine sehr wichtige Zeit in der Geschichte wiedergibt.

 

 

Sie kennen den Kampf und den Widerstand von Deniz Gezmiş. Sind sie selber auch irgendwo aktiv?

Ich bin nicht wirklich aktiv, aber meine Familie hatte einen großen Einfluss auf mich. Viele aus meiner Familie haben an diesem Kampf teilgenommen und deshalb ist mir das alles nicht fremd und ich informiere mich. Doch viel kann ich nicht dazu beitragen. Aber ich denke, dass es in der Türkei umso schwieriger ist, diesen Kampf weiterzuführen, da die Repressionen sehr massiv sind.

 

 Jannine Canan Gerner (23, Studentin)

 

Wie fanden sie den Film?

Ich fand den Film sehr interessant und gleichzeitig hat er mich emotional sehr getroffen, vor allem das Ende. Ich finde diese Dokumentation vor allem für meine Generation, die in Deutschland geboren und aufgewachsen ist, sehr wichtig. Er erläutert vieles, was man vorher als kompliziertes politisches „irgendetwas-ist-passiert“ gesehen hat. Es ist eine gute Dokumentation, die die Zeitspanne der 68er kurz aber gut erklärt.

 

 Hast du dich mit dem Kampf von Deniz Gezmiş und seiner Generation vorher auch schon auseinandergesetzt?

Ja, natürlich. Meine Mutter war zu dieser Zeit Studentin in der Türkei und mein Onkel genauso. Es gab immer wieder Unterhaltungen zu diesem Thema. Um die Politik heute zu verstehen, muss man etwas in die Vergangenheit zurück. Erst dann kann man nachvollziehen, was heute und aus welchen Gründen geschieht.

Würdest du je an solch einer Bewegung teilhaben wollen?

Ehrlich gesagt, manchmal wünsche ich mir schon, eine Generation vorher gelebt zu haben. Ich würde gerne mit diesen kämpferischen Menschen zusammenleben, da ich eine Person bin, die an das sozialistische System fest glaubt. Mit 15 Jahren wurde ich Mitglied der SPD und war auch lange in der Jugend aktiv. Doch nach einer Zeit habe ich mich zurückgezogen, weil es dort nur um Eigeninteresse und Kariere geht. Ich finde es erschreckend, dass wir in einer unpolitischen Generation leben. Heute diskutiert leider keiner mehr, wie es mal zu den Zeiten von Deniz Gezmis war.

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