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Ist eine „Partei Wagenknecht“ wirklich eine Alternative?

Eren Gültekin

Nun ist die Katze aus dem Sack. Seit der Pressekonferenz vom 23. Oktober ist nun bekannt, dass Sahra Wagenknecht zusammen mit neun weiteren Bundestagsabgeordneten aus der Linkspartei ausgetreten ist, mit dem Ziel, eine neue Partei zu gründen. Diese soll an den kommenden Europawahlen und den Landtagswahlen in Ostdeutschland (Brandenburg, Sachsen und Thüringen) teilnehmen. Neben Amira Mohamed Ali, Christian Leye, Ali Al-Dailami, Sevim Daǧdelen, Klaus Ernst, Andrej Hunko, Zaklin Nastic, Jessica Tatti und Alexander Ulrich sind weitere Politiker wie der Berliner Linke-Abgeordnete Alexander King aus der Partei ausgetreten, vermutlich werden weitere folgen.

Als Antwort auf die Arbeitsmarkt- und Sozialsystemreform Agenda 2010 war die Linkspartei in ihrer Entstehungszeit ein wichtiger Schritt, der von unten mit einer Bewegung entstanden ist. Jedoch ist von dieser Bewegung schon länger nichts mehr zu spüren, wenn man bedenkt, wie viele Krisen wir erlebt haben und wie prekär die Verhältnisse in diesem Land geworden sind. Seit Jahren zeichnet sich innerhalb der Linkspartei ein Konflikt um interne Kämpfe zwischen verschiedenen Flügeln und Strömungen ab. Natürlich gibt es in Parteien Unstimmigkeiten, die zu Konflikten führen, jedoch ist das Ausmaß innerhalb der Linkspartei seit langem in einem anderen Stadium angekommen. In keiner anderen Partei sind die internen Kämpfe so stark nach außen getragen worden, wie in der Linkspartei, sodass die einzelnen Akteure ihren Frust offen in der Öffentlichkeit ausgetragen und sich gegenseitig beschuldigt haben.

Daher stellt sich auch die Frage, ob eine Partei, die von Anfang an aus verschiedenen Strömungen gebildet wurde, die unabhängig voneinander agieren, sich wirklich noch als Partei bezeichnen kann oder nicht eher ein Bündnis ist. Denn die Vorstellungen der einzelnen Strömungen weichen schon seit langem sehr stark voneinander ab, sei es in Bezug darauf, ob man eine kritische Opposition sein sollte oder in eine Regierungsbeteiligung übergehen sollte. Diese unterschiedlichen Ansichten haben zu neuen Debatten über die Ausrichtung der Partei geführt, insbesondere in Bezug auf die NATO und militärische Einsätze.

Im Mittelpunkt dieser anhaltenden Krise steht seit Jahren vor allem Sahra Wagenknecht. Diese wurde auch durch ihre öffentlichen Äußerungen und Publikationen, zuletzt zu den Themen Migration und der Haltung zum Krieg, entfacht. Der aktuelle Schritt mit dem Ziel der Gründung einer eigenen Partei löst daher bei allen, die sich mit Wagenknecht und der Linkspartei beschäftigen, gemischte Gefühle aus. Ein politisches Programm existiert noch nicht, sodass eine ausführlichere Analyse anhand dessen noch nicht möglich ist. Was jedoch bekannt ist, ist neben ihrer regelmäßigen Rhetorik, dass sie betont, sich wieder um die kleinen Leute in diesem Land kümmern zu müssen, ihre Standortpolitik, mit der sie versucht, „die deutsche Wirtschaft vor dem Ruin zu retten“, und gleichzeitig die Aufnahme von Geflüchteten zu begrenzen. Es bleibt abzuwarten, wie sich der Verein BSW (Bündnis für Sahra Wagenknecht) zu einer Partei entwickeln wird, und ob aus dem gescheiterten Projekt der Sammelbewegung „Aufstehen“ Lehren gezogen wurde. Es wird sich zeigen, ob es diesmal wirklich mit Beteiligung von unten, wie auch zu Anfangszeiten der Linkspartei der Fall war, heranwachsen wird. Kritisch zu betrachten ist jedenfalls die Entstehung einer politischen Kraft, die sich ausschließlich um einen Personenkult dreht. Denn nicht der Bekanntheitsgrad des Einzelnen, sondern die Inhalte und Forderungen sind das maßgebende einer politischen Kraft, die Veränderungen herbeiführen kann, in diesem Fall die „kleinen Leute“ selbst, die sie in ihrer Rhetorik hervorhebt.

Die ersten Umfragewerte weisen darauf, dass eine Wagenknecht-Partei Erfolge erzielen könnte. Es ist möglich, dass die Partei über die fünf Prozent Hürde zu kommen könnte. Dass es in der Medienlandschaft so heiß aufgegriffen, in Sekundenschnelle ganze Dokumentationen über Wagenknecht in Umlauf gebracht wurden, zeigt nur noch mehr, wie unter anderem versucht wird, einen Keil zwischen die fortschrittlichen Kräften in diesem Land zu treiben.

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