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Lauterbachs Pläne: Kliniksterben oder Revolution?

Oktay Demirel

Gesundheitsminister Lauterbach ist weit fortgeschritten mit seinen „Reform“plänen und Gesetzesentwürfen rund um das Thema der medizinischen Versorgung. Doch spätestens wenn sie von Reform reden, sollte jedem klar sein, dass es sich in der Regel um harte Sparmaßnahmen, Privatisierung und Abnahme der Qualität handelt. Vor allem, wenn diese Reform flächendeckende Notfallbehandlungen im Gesundheitsbereich und die Sicherung und Steigerung der medizinischen Versorgungsqualität betrifft, kann eine Reform im eigentlichen Sinne des Wortes schnell zu Tod führen.

Die Begründung von Lauterbach ist jedoch logisch: 2003 hatte die damalige Gesundheitsministerin Ulla Schmidt von der SPD die Fallpauschalen eingeführt. Dieses Finanzierungsmodell löste damals die Bezahlung nach der „Liegezeit“ im Krankenhaus ab. Die Krankenhäuser bekamen also für eine bestimmte Behandlung eine Pauschale in festgelegter Höhe und nicht nach Tagen, in denen ein Patient im Krankenhaus behandelt wurde. Somit wurden schwer Kranke entlassen, ohne dass die Krankheit geheilt war, Schwangere, während sie noch im Wochenbett lagen oder viele Patienten in kürzerer Behandlungszeit “wie am Fließband” wurden für die Kliniken lukrativ. Das System der Fallpauschalen hat die Krankenhäuser stark ökonomischen Zwängen ausgesetzt. Vor allem Krankenhäuser in ländlichen Gebieten konnten nicht viel verdienen und mussten geschlossen werden.

Kernstück von Lauterbachs Plänen ist ein neues Vergütungssystem, das die Kliniken von dem ökonomischen Druck befreien soll, immer mehr Patientinnen und Patienten zu behandeln. Doch ist das die Lösung? Die Fallpauschalen sollen auf 40 Prozent abgesenkt werden. Die restlichen 60 Prozent sollen Kliniken nun allein für das Vorhalten von Leistungsangeboten bekommen. Dazu zählen das Vorhalten von Personal, einer Notaufnahme oder notwendiger Medizintechnik. Grundlage der Finanzierung durch die Krankenkassen sollen genauer definierte Leistungsgruppen und Level sein – also etwa „Kardiologie“ statt grobe Bezeichnungen wie „innere Medizin“. Die Leistungsgruppen sollen einheitliche Qualitätsvorgaben etwa bei der Ausstattung, bei Personal und Behandlungserfahrungen absichern. Die Kliniken sollen sich dann spezialisieren und nicht mehr eine ganze Palette von Behandlungen anbieten. Flankiert wird das ganze vom „Transparenzgesetz“, demnach die Kliniken ihre Behandlungsangebote transparent machen sollen, damit die Patienten sich vor ihrer Behandlung informieren können. Kritiker gehen davon aus, dass unmittelbar mit dem Greifen des Gesetzes ca. 350 Kliniken sterben, also quasi Insolvenz anmelden und schließen werden.

Etikettenschwindel

Mehr Behandlungen ambulant statt stationär bedeuten der Logik des Gesundheitsministers nach dann auch weniger Nachtschichten in der Pflege – und das würde mehr Einsätze am Tag ermöglichen. Hoffnung sei es also, das zur Verfügung stehende Personal effizienter einsetzen zu können. Es brauche eine Struktur, die dazu beiträgt, dass Menschen gerne im Krankenhaus arbeiten.

Wir erinnern uns: Kurz vor Corona hatte die Bertelsmann Stiftung eine „Studie“ veröffentlicht und behauptet, dass es zu viele Krankenhäuser in Deutschland gebe und eine massive Verschlankung vorgeschlagen. Lauterbach setzt das jetzt um, natürlich auf Kosten einer wohnortnahen und allumfassenden medizinischen Grundversorgung, die flächendeckend und kostenlos für alle ist.

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