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„Leiharbeit ist nichts anderes als moderner Sklavenhandel“

Die IG Bau Jugend organisierte vom 7. bis 10. Juni ein „Sunrise Festival 2012!“. Wir sprachen am Rande des Festivals mit dem Bundesjugendsekretär der IG-BAU Jugend, Christian Beck über ihre geplante Kampagne und vorgenommene Ziele für die nächste Zeit.

 

Neues Leben: Stellst du dich und die IG- BAU Jugend bitte kurz vor?

Christian Beck: Ich bin 27 Jahre alt, komme ursprünglich aus der Nähe von Nürnberg. Bin gelernter Kaufmann der Grundstücks- und Wohnungswirtschaft und bin seit 2007 Bundesjugendsekretär der IG BAU. Wir sind die Jugendorganisation der IG BAU, knapp 30.000 junge Beschäftigte sind bei uns organisiert. Diese kommen alle aus den Bereichen Wohnungswirtschaft, Bauwirtschaft, Gebäudereinigung und Forst- und Agrarleute gehören ebenfalls dazu. Wir haben drei Kernthemen, mit denen wir uns besonders beschäftigen. Das sind die Bereiche Ausbildungsqualität, unbefristete Arbeitsverhältnisse und Lebensarbeitszeiten.

 

Die Junge BAU plant eine Kampagne. Könntest du uns diese kurz vorstellen?

Die Kampagne fußt eigentlich auf unseren Kernthemen. Wir haben das in verschiedene Bereiche zusammenfasst: 1. Qualität, dabei geht es um die Qualifikation. Dazu zählen verschiedene Unterthemen: eine ordentliche Ausbildungsgestaltung, die auch ständig kontrolliert wird, gleichzeitig geht es aber auch um zehn Tage Bildungsurlaub, weil wir sagen, dass es möglich sein muss, dass man sich eben nicht nur beruflich weiterbildet, sondern auch gesellschaftlich, weil das nicht nur der Gesellschaft, sondern letztendlich auch dem Arbeitgeber hilft. Außerdem ist uns wichtig, dass Auszubildende keine Kosten mehr in der Ausbildung haben, also zum Beispiel die Fahrt zur Berufsschule usw. künftig vom Arbeitgeber übernommen werden soll.

Im 2. Bereich, wo es um Sicherheit geht, greifen wir die Frage nach der Übernahme auf: die Übernahme nach der Ausbildung im gelernten Beruf und richtig eingruppiert, weil das gerade in unseren Bereichen das Problem ist, dass man zwar übernommen wird, aber irgendwie jenseits von gut und böse eingruppiert wird. Es geht uns aber auch darum, dass wir sagen: wir wollen die Befristung weg haben. Das ist eine politische Forderung, die man längerfristig angehen muss. Aber letztendlich sind befristete Arbeitsverhältnisse, wie sie im Moment praktiziert werden, eher Gift für Menschen, weil Menschen in unserer Branche ewig lange Erwerbsbiografien haben, von einer Befristung zur nächsten rennen und deswegen keine Sicherheit oder Zukunft haben. Deswegen sagen wir: Wenn Arbeitgeber jemanden nur befristet einstellen wollen, sollen sie dann künftig einen „Risikoaufschlag“ von 10 % mehr zahlen, denn wenn man Arbeiter schon befristet einstellt, muss es zumindest einigermaßen unattraktiv für den Arbeitgeber sein! Wichtig dabei ist auch, dass man als befristet Beschäftigter auch viele Risiken hat: Vielleicht muss man umziehen oder die Arbeitslosigkeit überbrücken usw.

Und der dritte Bereich ist der Bereich Perspektiven, wo es uns einfach darum geht, dass wir im Alter nicht arm sein wollen. Unsere Jobs sind hart und wir halten jeden Tag die Knochen hin, egal ob als Gebäudereiniger oder als Maurer. Das sind hochanspruchsvolle Jobs bei denen man nie bis 67 durchhalten kann und deswegen sagen wir: Wir wollen, dass einerseits alle ins Sozialversicherungssystem einzahlen und gleichzeitig wollen wir aber auch, dass man über diese Schiene dann nach spätestens 44 Jahren in Rente gehen kann. Und damit wir das noch tarifpolitisch begleiten können, wollen wir, dass der Arbeitgeber für uns pro geleistete Arbeitsstunde einen Euro in eine Kasse zahlt, damit später niedrige Renten aufgestockt werden können oder Abschlagzeiten, weil man früher in Rente geht, weil der Körper einfach kaputt ist, überbrückt werden können. Und ein Euro pro Stunde dürfte für die Leistung, die wir erbringen, eigentlich nicht zu viel sein.

 

Bis wann wird die Kampagne gehen und wie werden die Themen behandelt? Werden verschiedene Aktionen gemacht oder wie kann man sich die Kampagne vorstellen?

Wir werden Aktionen vor Ort in Berufsschulen und Ausbildungszentren und natürlich in Betrieben durchführen. Dazu werden wir unseren JAV’lern Materialien in die Hand geben. Für die Jungazubivertreter ist vor allem der Bereich Ausbildungsqualität interessant und in diesem Bereich kann man sicherlich direkt aktiv werden. Also vielfältige Aktionen in allen möglichen Bereichen und natürlich auch auf der Straße, das ist klar. Die Kampagne wird über einen Zeitraum von zwei Jahren laufen, natürlich mit der Zielsetzung, die Themen innerhalb unserer Muttergewerkschaft IG BAU zu platzieren, so dass die Tarifarbeiter in den nächsten Jahren diese Forderungen noch mal aufgreifen, so ähnlich, wie die IG-Metall-Jugend es nach drei Jahren mit der „Operation Übernahme“ geschafft hat. Aber das Ganze ist natürlich kein Abklatsch von irgendwelchen anderen Gewerkschaften, sondern es geht wirklich darum, diese Forderungen in die Tat umzusetzen. Viele Leute, die wir schon bei uns organisiert haben, wollen wir auch aktivieren und für ihre Interessen und Forderungen auf die Straßen bringen. Die Themen, die wir ausgewählt haben, die haben wir nicht einfach so am Tisch entschieden, sondern wir hatten eine längere Umfragephase und haben das auch breit diskutiert, so dass wir da jetzt wirklich Themen haben, wo wir wissen, dass das die Themen sind, die in unseren Branchen relevant sind und dass das Themen sind, die unseren Kollegen wirklich unter den Nägeln brennt. Deswegen müssen wir genau dort anpacken, damit unser Kernauftrag Erfolg hat und das heißt: Bessere Lebens- und Arbeitsbedingungen für alle Beschäftigten.

 

Ein großes Problem, vor allem auch in eurem Beschäftigungsbereich, ist Leiharbeit. Wie steht ihr dazu?

Wie Leiharbeit praktiziert wird, ist das nichts anderes, als moderner Sklavenhandel und das geht nicht, das ist einfach nicht hinnehmbar! Für uns heißt das: Solange wir Leiharbeit nicht abschaffen können, muss sie zumindest so entlohnt werden, dass ich als Leiharbeiter wirklich ordentlich aussorgen kann. Vor allem Leiharbeiter sind von den oben geschilderten Problemen betroffen, dass sie nie wissen: Wo bin ich morgen? Wo bin ich übermorgen? Daher denke ich, dass Leiharbeiter entsprechend entlohnt und zusätzlich einen „Risikoaufschlag“ bekommen sollten. Es wäre auch eine Frage von Wertschätzung, weil es weder respektvoll ist, noch irgendetwas mit Menschenwürde zu tun hat, weil es moderner Sklavenhandel ist. Und ich habe irgendwann gelernt, das wäre verboten worden.

 

Das Interview führte Zilan Yavuz

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