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Milliardärsmacht beschränken: Oxfam fordert entschlossene Maßnahmen

Dilan Baran

Ein neuer Bericht von Oxfam zeigt auf, wie dramatisch die soziale Ungleichheit weltweit zunimmt. Im Jahr 2024 stieg das Vermögen der Milliardäre weltweit um zwei Billionen US-Dollar – ein Plus, das dreimal schneller wuchs als im Vorjahr. Gleichzeitig lebt fast die Hälfte der Menschheit weiter in Armut, eine Zahl, die seit Jahrzehnten stagniert. Oxfam warnt: Diese extreme Ungleichheit gefährdet nicht nur den gesellschaftlichen Zusammenhalt, sondern auch die Demokratie.

Vier neue Milliardäre pro Woche

Laut dem Bericht kamen 2024 weltweit 204 neue Milliardäre hinzu, was etwa vier neuen Milliardären pro Woche entspricht. Deutschland, mit nun 130 Milliardären, steht hinter den USA, China und Indien an vierter Stelle. Während Superreiche ihre Vermögen mehren, bleibt die Zahl derjenigen, die mit weniger als 6,85 US-Dollar täglich auskommen müssen, bei 3,6 Milliarden Menschen konstant. Besonders betroffen: Frauen und Kinder, von denen viele unter Hunger und fehlendem Zugang zu grundlegenden sozialen Dienstleistungen, Bildung und Gesundheit leiden.

Wie Reichtum Demokratie bedroht

Oxfam betont, dass die extreme Konzentration von Vermögen und Macht zentrale demokratische Prinzipien untergräbt. Superreiche nutzen ihr Kapital, um politischen Einfluss auszuüben – sei es durch Parteienfinanzierung, Lobbyarbeit, Marktmacht oder den Besitz von Medien und den Einfluss auf die Öffentlichkeit. Dieser wirtschaftliche und politische Einfluss führt häufig zu Gesetzen, die den Interessen der Reichen dienen, während soziale und ökologische Belange vernachlässigt werden. Studien zeigen, dass in vielen Ländern, darunter auch Deutschland, die Interessen von Reichen weit mehr politisches Gehör finden als die Anliegen der mittleren und unteren Einkommensgruppen.

Die Rolle der Steuerpolitik

Ein zentraler Kritikpunkt ist die Steuerpolitik: Während Unternehmens- und Vermögenssteuern in den letzten Jahrzehnten gesenkt wurden, stieg die Belastung durch Verbrauchssteuern, die vor allem Geringverdiener treffen. In Deutschland zahlen laut Oxfam Multimillionäre effektiv weniger Steuern auf ihr Gesamteinkommen als Familien der Mittelschicht. Die Aussetzung der Vermögensteuer 1997 hat dem Staat seither Einnahmen von rund 400 Milliarden Euro entzogen.

Konzernmacht und soziale Ungleichheit

Großkonzerne dominieren heute ganze Branchen und nutzen ihre Marktmacht, um Preise und Gewinne zu steigern. Als eine Messgröße für Marktkonzentration gilt daher der durchschnittliche Preisaufschlag, also die Marge zwischen Einkaufs- beziehungsweise Produktions- und Verkaufskosten. Diese Werte sind geradezu explodiert: Während 1980 ein Unternehmen im Durchschnitt 17 Prozent auf den Preis aufschlug, waren es im Jahr 2016 bereits 60 Prozent. Profite fließen dabei vor allem an Großaktionäre – eine Entwicklung, die durch politische Einflussnahme und schwache Kartellpolitik begünstigt wird. Aktuell befindet sich die Welt auf einem Höhepunkt der weltweiten Konzernmacht. Immer weniger Unternehmen dominieren einzelne Branchen wie den Digital-, Finanzsektor und die Pharmabranche. Obwohl Großunternehmen nur 0,7 Prozent aller Firmen in Deutschland ausmachen, kontrollieren sie 73,5 Prozent des Umsatzes. Während die Dividenden in Deutschland zwischen 2022 und 2023 um 27 Prozent gestiegen sind, sanken die Reallöhne um zwölf Prozent. Rechnet man die Inflation heraus, sind die Dividenden sogar fast zwölfmal stärker gewachsen als die Löhne. Gleichzeitig üben Großkonzerne politische Macht unter anderem über ihre Wirtschaftsverbände aus. In Deutschland z.B. der Bund der Deutschen Industrie (BDI), die Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitsgeberverbände (BDA) und der Handelsverband Deutschland (HDE). Um ihre Interessen durchzusetzen, investieren Konzerne enorme Summen in Lobbyarbeit. Laut europäischem Transparenzregister gab etwa Meta im Jahr 2023 für Lobbying auf EU-Ebene knapp 10 Millionen Euro aus, Apple etwa 7 Millionen und Google 6,5 Millionen.

Superreichtum und Konzernmacht: ein koloniales Erbe

In einem sehr kurzen aber wichtigen historischen Einschub, geht der Oxfam-Bericht auf die Weltgeschichte von sozialer Ungleichheit und der Vorherrschaft westlicher Industrienationen ein. Bis heute wirken die damaligen Kolonialstrukturen in Form von ungleichen Wirtschafts- und Handelsbeziehungen, ungleicher Machtverteilung und der Ausbeutung von Ressourcen zugunsten der industrialisierten ehemaligen Kolonialstaaten weiter fort. IWF, Weltbank und andere globale Institutionen sowie die Finanzmärkte werden weiterhin von den Ländern des Globalen Nordens dominiert. Hauptnutznießer dieser Machtverhältnisse waren und seien die herrschenden Klassen in den Ländern des Globalen Nordens, so im Bericht. Unkommentiert bleiben dabei jedoch die herrschenden Klassen aufstrebender Industrienationen, wie China oder sogar ehemaliger Kolonien wie Indien. Wichtiger Hinweis bleibt jedoch, dass in der Zeit des Kolonialismus der Grundstein für viele Vermögen gelegt wurde, von denen einige über Generationen weitergegeben wurden. Heute leben mehr als zwei Drittel der Milliardäre immer noch in den reichen Ländern des Globalen Nordens, obwohl in diesen Ländern nur ein Fünftel der Weltbevölkerung lebt.

Forderungen an die Politik

Oxfam ruft die nächste Bundesregierung zu entschiedenen Maßnahmen auf, um die soziale Ungleichheit zu bekämpfen und die Demokratie zu schützen. Konkret fordert die Organisation die Einführung einer Milliardärssteuer: Eine globale Mindeststeuer auf große Vermögen könnte allein in Deutschland bis zu 28 Milliarden Euro jährlich einbringen. Weiterhin seien Investitionen in soziale Gerechtigkeit und Klimaschutz nötig: Die zusätzlichen Einnahmen sollen in Bildung, Gesundheit und den Kampf gegen die Klimakrise fließen. Ebenfalls fordert die Organisation, die Macht der Konzerne zu beschränken: Strengere Kartellgesetze sollen die Machtkonzentration großer Unternehmen eindämmen, insbesondere in den Bereichen Big Tech und Lebensmittelhandel.

Gefahr für die Demokratie

Die wachsende Ungleichheit und der spürbare Einfluss großer Konzerninteressen führt laut Oxfam zu einem Vertrauensverlust in die Politik. Besonders Menschen in prekären Verhältnissen sehen sich oft von der Demokratie ausgeschlossen. Diese Entwicklung stärkt rechtspopulistische Kräfte, die zunehmend auch in Deutschland an Einfluss gewinnen. Oxfam macht deutlich, dass nur ein gerechteres Wirtschaftssystem die drängenden globalen Krisen wie Armut und Klimawandel lösen kann. „Die Superreichen müssen ihren fairen Beitrag leisten“, fordert der Bericht. Ohne entschlossene politische Maßnahmen droht eine weitere Verschärfung der Ungleichheit – mit unabsehbaren Folgen für Gesellschaft und Demokratie.

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