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Nerudas Gesang

Ein ganzes Leben lang erklärte er mit seinen Gedichten der Unterdrückung in klarster Sprache den Kampf. Und man weiß heute noch, seine wichtigste Waffe war das Wort, mit dem er den Faschismus und Krieg, überall dort wo er aufgeblüht ist, zielsicher angegriffen hat.

 

Dichter mit Wandel

Pablo Neruda wurde 1904 unter dem Namen Neftali Ricardo Reyes Basualto in Parral, Chile, geboren. Bereits zwei Jahre nach seiner Geburt starb seine Mutter an Tuberkulose und Neruda lebte nun gemeinsam mit seinem Vater, Zugführer im ärmlichen Parral, im Süden Chiles. Schon während seiner Schulzeit machte er seine ersten Veröffentlichungen. Nachdem Neruda das Gymnasium beendet hatte, begann er mit einem Pädagogikstudium in Santiago. In derselben Zeit arbeitete er bei verschiedenen Zeitschriften und hatte so seine ersten Einzelveröffentlichungen. Um diese jedoch zu gewährleisten zu können, verkaufte der er seine Möbel und die Uhr seines Vaters. Im Alter von 20 Jahren veröffentlichte er sein Gedichtband „Zwanzig Liebesgedichte und ein verzweifeltes Lied“, welches ihm den Weg in die Herzen duzender Chilenen öffnete und seine Popularität wachsen ließ. Seine anfangs noch modernistisch-surrealistisch geprägten Gedichte sollten sich im Laufe der Zeit zu einer Lyrik mit beeindruckender epischer Breite entwickeln.

 

Politisches Bewusstsein durch Franco-Diktatur

Nachdem er sein Studium beendet hatte, trat Neruda den Konsularischen Dienst an, der ihn unter anderem nach Kalkutta, Buenos Aires und schließlich nach Madrid führte. Auch hier pflegte er gute Freundschaften zu den jungen Dichtern Spaniens. Mit dem Putsch Francos 1936 begann Nerudas Solidarität mit dem antifaschistischen Kampf, was ihn letztendlich seinen Job als Konsul kostete. Die Erschießung seines Dichterfreundes Garcia Lorcas führte schließlich zur politischen Radikalisierung Nerudas und er begann „Espana en al corazon“ (Spanien im Herzen) zu schreiben, welches 1937 erschien.

 

Der „Große Gesang“

Den antifaschistischen Kampf setzte der Dichter auch nach dem Sieg Francos konsequent fort. Denn als „Konsul für die spanische Emigration“ in Paris rettete er tausenden Spaniern das Leben und brachte sie nach Chile. Danach musste er selbst vor deutschen Truppen fliehen und ging nach Amerika, wo auch seine starken politischen Werke, wie „Gesang für Stalingrad“ und „Gesang für Bolivar“ entstanden sind. Bis zum Jahre 48 ließ ihm die politische Arbeit aber kaum noch Zeit für sein literarisches Schaffen, da er 1945 zum Senator gewählt wurde und kurz darauf in die Kommunistische Partei Chiles eintrat. 1948 erlebte Neruda einen wichtigen Einschnitt in sein Leben: Denn, der von ihm selbst und seiner Partei unterstützte chilenische Präsident Conzales Videla vollzog auf Drängen der USA eine radikale politische Wende und verbot die Kommunistische Partei. So tauchte Neruda unter und lernte das Leben im Untergrund, Flucht und Exil kennen. Aus diesen Erfahrungen und vor dem Hintergrund der kolonialistischen und wirtschaftlichen Wirklichkeit Lateinamerikas entstand Nerudas „Canto General“ (Großer Gesang), welches auch als sein Hauptwerk gesehen wird. Darauf folgten einige Jahre im europäischen Exil und 1952 die Rückkehr nach Chile. Nachdem Neruda einige Jahre als Präsident des chilenischen Schriftstellerverbands arbeitete, übernahm er 1970 im Auftrag der Salvador Allende Regierung den Botschaftsposten in Frankreich. Als im September 1973 die Regierung Allendes durch die faschistische Pinochet-Junta gestürzt wurde, war Neruda bereits wieder in Chile. Doch einige Tage darauf, im Herbst 1973, starb der Dichter. Es ist bis heute unklar, ob er durch die Junta ermordet wurde oder aufgrund einer Krankheit starb. Trotz dem starken Polizeieinsatz und der Überwachung durch die Pinochet-Junta gestaltete sich Nerudas Beerdigung zur ersten Protestaktion gegen den faschistischen Terror Pinochets.

 

Neruda aktuell

Auch in den letzten Tagen lässt der chilenische Dichter und Literaturnobelpreisträger wieder öfters von sich hören. Denn ein Antrag auf Umbenennung der Pablo-Neruda-Grundschule in Chemnitz sorgte für Proteste und Aufruhr in der Stadt. Die Schulleitung hatte bereits im Dezember vergangenen Jahres beim Schulverwaltungsamt die Ablegung des Namens Pablo Nerudas und die Umbenennung des Hauses in Grundschule Kaßberg beantragt. Bereits 2002 hatte die Leitung der Schule versucht, den Namen des Dichters loszuwerden. Doch dies scheiterte am Widerstand der Lokalpolitik, Eltern, Künstlern und zahlreichen Kulturschaffenden. In einem offenen Brief wandten sich die Protestierenden an die Schulleitung und warfen die Frage auf, ob es „wirklich eine unzumutbare Aufgabe für Eltern und Lehrer“ sei, „sich anhand des Lebens und Wirkens von Neruda mit der Geschichte von Faschismus und Widerstand zu befassen.“ Schulleiterin Schwermer hatte ihr Anliegen schon damit begründet, dass Pablo Neruda vor allem mit seinem Kampf gegen die Militärdiktatur Pinochets bekannt geworden sei und die Kinder aber zu einer solchen Geschichte keinen Bezug hätten. Nach dieser Argumentation müssten jedoch einige Schulen und Bildungsstätten ihre Umbenennung beantragen. Denn welches Kind hat noch einen Bezug zu Ephraim Lessing, Emanuel Gottlieb Flemming oder Freiherr-vom-Stein in diesem Sinne? Dass die Erklärung der Schulleitung keineswegs glaubhaft ist, erklärt sich aber auch von selbst: denn kurz vor dem Antrag zur Umbenennung war Ende vergangenen Jahres diskutiert worden, die Schule einem christlichen Träger zu übergeben. Dagegen gab es in einer Elternversammlung sogar massiven Protest. Nun sollte in den nächsten Tagen der Stadtrat eine Entscheidung zur Umbenennung treffen.

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