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NSU: Hamburger Bürgerschaft will keinen Untersuchungsausschuss

Deniz Çelik*

In der Bürgerschaftssitzung am 13. April haben die Regierungsfraktionen von SPD und GRÜNEN mit der CDU und der AfD den Antrag der Linksfraktion zur Einrichtung eines Parlamentarischen Untersuchungsausschusses zum NSU-Komplex in Hamburg abgelehnt. Auch 22 Jahre nach dem Mord an den Süleyman Taşköprü bleibt Hamburg das einzige Bundesland, in dem der NSU gemordet hat, ohne einen Untersuchungsausschuss. Was für eine Schande für eine Stadt, die noch vor ein paar Monaten den Kampf gegen Rassismus und Faschismus in die Verfassung reingeschrieben hat. Mit ihrer Entscheidung gegen den Willen der Familie Taşköprü hat die überwältigende Mehrheit bewiesen, wie wenig sie die Opferperspektive ernst nehmen.

Mit dieser Entscheidung ist deutlich geworden, dass eine kritische Auseinandersetzung mit den rassistischen Ermittlungen im Fall Taşköprü, der Ermittlungen im Umfeld der Familie mit dem Verdacht der Ausländerkriminalität und der Verstrickungen sowie der Vertuschungen des Verfassungsschutzes nicht gewünscht ist. Als Gründe für die Ablehnung hieß es, viele Fragen seien bereits aufgeklärt und für eine weitergehende Aufklärung fehle es an Ansatzpunkten. Dies ist falsch, denn eine Reihe offener Fragen könnten die Hamburger Behörden beantworten. Dazu gehört zum Beispiel, welche Hamburger Neonazis mit Kontakt zum NSU Vertrauenspersonen des Hamburger Verfassungsschutzes waren oder warum sich die Hamburger Polizei so vehement gegen eine Operative Fallanalyse sperrte, die hinter der Mordserie rassistische Tatmotive vermutete.

Der politische Unwille zur Aufklärung in Hamburg ist unerträglich und es drängt sich förmlich die Frage auf, wovor die politisch Verantwortlichen Angst haben und was sie womöglich verstecken und vertuschen wollen. Klar ist, dass die Sicherheitsbehörden in Hamburg bedeutende politische Akteure sind und Parteien, die in Hamburg regieren, sich es nicht mit ihnen verscherzen wollen. Und seitdem die SPD 2001 ihren Machtverlust in Hamburg der inneren Sicherheit zu verdanken hat, ist sie für eine besonders repressive Sicherheitspolitik verantwortlich und verteidigt die Sicherheitsbehörden bedingungslos gegen jede noch so berechtigte Kritik. Verantwortliche im NSU-Komplex, die rassistisch ermittelt haben und Hinweise zu rechten Tatmotiven ignoriert haben, sollen keine Konsequenzen spüren. Struktureller Rassismus und Verstrickungen des Verfassungsschutzes sollen gar nicht thematisiert werden. In Hamburg ist es Staatsräson Sicherheitsbehörden einen Persilschein auszustellen. Wie zum Beispiel bei der Polizeigewalt beim G20-Gipfel.

Hanau, Halle und der Mord an Walter Lübcke machen deutlich, dass rechter Terror weiter die größte Gefahr für unsere Mitmenschen und die Gesellschaft ist. Wer aber den NSU-Komplex und rechten Terror nicht aufklärt und Konsequenzen im Hinblick auf die Sicherheitsbehörden sowie strukturellen Rassismus nicht zieht, nimmt weitere Tote in Kauf. Auch deshalb ist die Entscheidung der Hamburger Bürgerschaft ein fatales und tödliches Signal.

* Deniz Çelik ist Abgeordneter in der Hamburgischen Bürgerschaft für die LINKE

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