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Piratenpartei hängt Grüne und Linke ab

Ali Candemir

Wenn heute Bundestagswahlen wären, kämen die Piraten auf 13 Prozent der Zweitstimmen. Damit liegt die Piratenpartei erstmals seit ihrem Bestehen in einer Umfrage vor den Grünen und der Linken. Der Weg von der „Ein-Themen-Partei“ hin zur möglicherweise drittstärksten Partei  ist zweifelsohne beeindruckend. Die Piratenpartei versteht sich selbst als „sozialliberale Grundrechtspartei“ fernab des traditionellen Links-Rechts-Schemas. Doch wofür stehen die Piraten, außerhalb ihrer Kernthematik, dem Internet?

Spätestens mit dem Einzug ins Berliner Abgeordnetenhaus musste sich die Piratenpartei auch zu Fragen aus anderen Themengebieten äußern. Ihr ehrlicher Umgang mit ihrer Ahnungslosigkeit zu wirtschafts-, außen- und sozialpolitischen Themen brachte ihnen zunächst zwar Sympathien ein, ist aber nicht ausreichend um sich langfristig auf der politischen Bühne zu etablieren.  Ihre Wahlerfolge in Berlin und im Saarland verdanken sie insbesondere Protestwählern. In einer Umfrage sagen 72 Prozent der Befragten, sie hätten die Netzpartei aus „Enttäuschung über die etablierten Parteien “ gewählt. Doch die Piraten als bloße Protestpartei abzustempeln reicht inzwischen zu kurz. Denn wie die Linke und die Grünen gezeigt haben, kann sich Protestwählerschaft schnell zur Stammwählerschaft entwickeln.

Es ist der Piratenpartei aber auch gelungen ihren Themenkanon zu erweitern. Zunächst wurden aus ihren Kernforderungen neue Forderungen abgeleitet. So war beispielsweise der Weg von freiem Informationszugang hin zum freien Zugang zu Bildung und Verkehr nicht weit. Grundrechte, welche die Piraten zunächst im Internet vertraten, fordern sie inzwischen auch in der „Offline Welt“. So setzt  sich die Piratenpartei dafür ein, dass die Einschränkungen der Versammlungsfreiheit zurückgenommen werden und auf alle in Deutschland lebenden Personen ausgedehnt wird. Inzwischen lässt der Vorstand verlauten, dass etwa 80 Prozent ihres Parteiprogramms fertig ist.  Insbesondere ihrer Positionen zum Bedingungslosen Grundeinkommen (BGE) und Hartz IV lässt die Piratenpartei häufig als „soziale Alternative“ zu den etablierten Parteien erscheinen. Nichtsdestotrotz fehlt der Partei zu wichtigen Finanz-, Wirtschafts- und Außenpolitischen Themen eine klare Linie.

Was aber bei einer Bewertung der Piratenpartei deutliche schwerer wiegt, ist dass sie trotz einer Vereinnahmung linker Positionen und der Forderung eines „Systemwechsels“, das bestehende Wirtschafts- und Gesellschaftssystem niemals in Frage stellen. Sie wollen es nur transparenter machen. Häufig findet die Kritik an äußeren Formen der politischen Entscheidungsfindung statt und nicht an Inhalten. So kritisieren die Piraten demokratische Defizite bei der Entstehung des „Euro-Rettungsschirms“, aber nicht dessen Inhalt.  Eine „soziale Alternative“ sieht anders aus.

Auch die basisdemokratische Entscheidungsfindung, die so anziehend auf viele wirkt, entpuppt sich bei genauerer Betrachtung als ein Debattenzirkus sondergleichen. Es ist kaum möglich eine Position innerhalb der Partei einzunehmen ohne einen „Shitstorm“ hervorzurufen. Die Süddeutsche Zeitung vergleicht die Diskussionskultur mit „einem Spielplatz voll sehr schlecht erzogener Kinder“. Dies ist sicher mit ein Grund dafür, dass viele Positionen der Piraten durch die unzähligen und oft unnötigen Diskussionen völlig verwässert sind. Oft wird dies dann als undogmatische und transparente Politik verkauft. Was jedoch dahinter steckt ist, dass sich die Partei mögliche Zusammenarbeit nach links und rechts offen halten möchte. So arbeiten sie auf kommunaler Ebene sowohl mit der Linken als auch mit FDP und sogar freien rechten Wahlgemeinschaften zusammen. Auch die immer wiederkehrenden Skandale um Rassismus, Antisemitismus und Sexismus innerhalb der Piratenpartei zeigen, dass eine klare politische Linie fehlt.

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