Written by 21:00 HABERLER

Proteste und Konzertabsagen für Pink Floyd Mitbegründer

Am 9. Mai spielte Pink Floyd Mitbegründer Roger Waters im Rahmen seiner „This Is Not a Drill“ Tour in der Kölner Lanxess Arena, am 8. Mai veranstalteten mehrere Gruppen, wie die Kölnische Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit oder die Deutsch-Israelische Gesellschaft Köln, eine Kundgebung, die sich gegen den Auftritt Waters‘ aussprach, mit dabei auch die Kölner Oberbürgermeisterin Henriette Reker. Zuvor hatten Stadtratsmitglieder angeregt das Konzert abzusagen. Diesen Schritt war die Stadt Frankfurt gegangen und hatte das in der Festhalle geplante Waters-Konzert am 28. Mai abgesagt. Waters Anwälte klagten, das Konzert findet statt. Der Grund für das Engagement gegen Waters: Antisemitismus Vorwürfe.

1965 gründete Waters zusammen mit Richard Wright, Syd Barrett und Nick Mason die Rockband „Pink Floyd“. Bekannt als eine der erfolgreichsten Bands in der Musikgeschichte, griffen sie u.a. mit ihrem Erfolgssong „Another Brick in the Wall“ und vielen anderen gesellschaftspolitische und soziale Themen auf. Kritik am Bildungssystem, Vereinsamung, Kritik an Geld und Krieg, all das waren Inhalte, mit denen sich Pink Floyd auseinandersetzte. Waters schrieb von Anfang der 70er Jahre bis zu seinem Ausscheiden 1985 nahezu alle Texte für die Band. Nach seinem Bruch mit den Bandkollegen verfolgte er eine Solokarriere, doch immer mal wieder kam es zu gemeinsamen Auftritten. So auch nach dem Tod des Mitbegründers Syd Barrett 2006.

Roger Waters ist einer der bekanntesten Unterstützer der „Boycott, Divestment, Sanctions“ (BDS) Kampagne, die das Selbstbestimmungsrecht der palästinensischen Bevölkerung durch einen Boykott Israels durchsetzen will. So boykottieren einige z.B. Waren, die im durch Israel besetzten Westjordanland produziert werden. Doch auch ein „kultureller Boykott“ ist Teil der BDS-Kampagne. Dabei werden Kulturschaffende aufgefordert u.a. Einladungen zu Veranstaltungen in Israel abzulehnen. Waters ist dafür bekannt, nicht nur selbst nicht in Israel aufzutreten, sondern auch befreundete Kulturschaffende dazu aufzufordern, es ebenfalls zu unterlassen. Die Anfeindungen und Konzertabsagen, die Waters vor allem in Deutschland begegnen, sorgten auch bei anderen Künstlern für Kritik, die sich solidarisch mit Waters erklärten.

Auch wenn einige Aussagen von Waters vollkommen überzogen und deplatziert sind (so u.a. der Vergleich mit Sophie Scholl) und man berechtigt Kritik an der BDS-Bewegung und ihren Effekt zur Verbesserung der Situation der Palästinenserinnen und Palästinenser üben kann, ist der Antisemitismus-Vorwurf leider auch zu einem beliebten Mittel geworden, um Kritik an der Politik Israels mundtot zu machen. Erst vor kurzem hat die jüdische BDS-Aktivistin Judith Bernstein erfolgreich gegen den ehemaligen Frankfurter Bürgermeister und jetzigen hessischen Antisemitismusbeauftragten Uwe Becker geklagt. Dieser hatte Bernstein in einer Pressemitteilung 2019 gemeinsam mit einigen Organisationen als „antisemitisch“ benannt und sie in Verbindung mit dem Mörder in Halle gebracht. Das Verwaltungsgericht in Frankfurt gab Bernstein Recht. Sie äußerte sich zu dem Vorwurf wie folgt: „Das Urteil belegt, dass Uwe Becker aus seinem Amt heraus eine Zensur des öffentlichen Diskurses bezüglich der politischen Situation in Israel vorgenommen hat, indem er mich wegen BDS als antisemitisch beleidigt hat. Das ist ganz besonders bitter, weil meine Großeltern und weitere Verwandte meiner Mutter und meines Vaters in Auschwitz ermordet wurden. Ich als aus Israel stammende Jüdin verwehre mich jedoch vehement gegen den Missbrauch des Judentums für die Zwecke von Herrn Becker“.

Auch bereits Moshe Zuckermann, israelischer Gelehrter und Autor, Sohn von Holocaust-Überlebenden und Fürsprecher des Selbstbestimmungsrechts der Palästinenser, musste in der Vergangenheit Bekanntschaft mit Antisemitismusvorwürfen machen. Dass bürgerliche Ideale, wie die „Kunstfreiheit“ bei Nazikonzerten gelten, aber bei jenen, die sich kritisch gegenüber den Partnern der Bundesrepublik äußern, nicht mehr, zeigt einmal mehr, wie es um die Demokratie bestellt ist.

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