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Investoren kaufen Arztpraxen auf

Immer mehr „Private-Equity-Gesellschaften“ kaufen Arztpraxen auf. Sie beschaffen ihr Kapital überwiegend über Fonds, die den Anlegern hohe Renditen versprechen. Mit dem so eingesammelten Geld kaufen sie Arztpraxen im ganzen Land und bauen diese zu Ketten aus. Ihr Ziel: möglichst viel Gewinn zu erwirtschaften. Auf diese Weise dient die ambulante Gesundheitsversorgung als Geschäftsfeld für gewinnorientierte internationale Investments. Die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) sieht eine große Gefahr für Patientinnen und Patienten.

Denn, „dann werden Leistungen, die der Patient eigentlich aus medizinischen Gründen benötigt, gegebenenfalls nicht mehr in dem Maße angeboten, wie sie benötigt würden, weil sie nicht lukrativ sind. Weil im Hintergrund ein Ökonom, ein Betriebswirtschaftler, Entscheidungen trifft, damit Rendite-Erwartungen möglichst erfüllt werden können.“, erläutert Peter Heinz, der stellvertretende Vorstandsvorsitzende der KVB. Interessensvertreter der Investoren bestreiten diese Vorwürfe vehement. Es lägen keine Nachweise vor, die dies eindeutig belegen würden, dabei kann die gleiche Konsequenz bei seit Anfang der 2000er Jahre privatisierten Krankenhäusern der Bundesrepublik festgestellt werden.

Kaum Schutz für den Patienten durch Intransparenz

Wie viele Praxen inzwischen im Besitz von Investoren sind, ist unbekannt. Zudem ist für Patienten auf den ersten Blick nicht ersichtlich, ob die Praxis einem Arzt oder einem Investor gehört. Zum Schutz der Patienten fordern Vertreter der Kassenärzte deshalb eine Kennzeichnungspflicht für investorengeführte Praxen.

Eine Gefahr besteht laut KVB darin, dass Patienten, wenn investorenbetriebene Versorgungszentren eine marktbeherrschende regionale Stellung haben, etwa bei der Suche nach einer Zweitmeinung bei einer Praxis des gleichen Unternehmens landen. „Dann bekommt der Patient nicht eine wirkliche zweite Meinung. Er bekommt die Unternehmensmeinung bestätigt. Und das sehen wir als große Gefahr. Der Patient muss transparent wissen, in wessen Hände er sich letzten Endes begibt“, mahnt Heinz.

Was verändert sich durch die Investoren

In bereits gekauften Praxen kann man die Veränderungen beobachten. Patienten können sich die Ärzte nicht mehr auswählen, weil Arbeitsteilung gemacht wird oder es werden Einsparungen bei den Materialien gemacht, die z.B. von Zahnärzten im Mund der Patienten verwendet werden.

Waren es früher überwiegend Zahnärzte, die im Visier der Spekulanten geraten waren, sind es nun auch Augenärzte, Radiologen oder Hausärzte. Laut einer Untersuchung im Auftrag der Kassenärztlichen Vereinigung Bayerns rechnen Private-Equity-geführte Versorgungszentren im Schnitt 10,4 Prozent mehr Honorar ab als Einzelpraxen. Bei Zahnarztbesuchen ist es sogar noch mehr. Ein Gewinn für Investoren, aber nicht für Patienten, kritisiert die Bayerische Landeszahnärztekammer.

Steuerzahler zahlt doppelt

Fakt ist: Über 80 Prozent der Private-Equity-geführten Praxisstandorte in Bayern haben laut eines Gutachtens im Auftrag der KVB ihren rechtlichen Sitz in Offshore-Finanzzentren, wie den Kanalinseln Guernsey und Jersey, gefolgt von Luxemburg und den Kaimaninseln. Durch komplizierte Firmengeflechte werden Schlupflöcher genutzt, um Steuern niedrig zu halten oder zu umgehen. Vorbei an deutschen Steuerbehörden fließen so Beitragsgelder der Krankenkassen in Steueroasen. „Im Prinzip zahlen wir zweimal. Einmal als Steuerzahler, weil Steuern verloren gehen, und zum anderen als Patient für die Dinge, die er vielleicht gar nicht braucht“, kritisiert Schott von der KVB.

Angekündigter Gesetzentwurf steht seit Monaten aus

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach hatte Ende 2022 angekündigt, im ersten Quartal dieses Jahres einen Gesetzentwurf vorzulegen, „der den Einstieg dieser Heuschrecken in Arztpraxen unterbindet.“ Inzwischen ist das erste Quartal vorbei. Ein Gesetzentwurf aus Berlin liegt bis heute nicht vor. Man arbeite daran, heißt es aus dem Gesundheitsministerium.

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