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Rekordjahr der Waffenexporte

Yücel Özdemir

Susanne Weipert ist Koordinatorin der „Aktion-Aufschrei-Stoppt den Waffenhandel!“, bei der sich über 100 Organisationen gegen Rüstungsexporte engagieren. Wir haben mit ihr über den Anstieg der Waffenverkäufe gesprochen.

Deutschland hat seinen Bericht über den Waffenexport im Jahr 2022 veröffentlicht. Im Allgemeinen setzt sich der Anstieg der Waffenverkäufe ins Ausland fort. Was sind die Hauptgründe für diesen Anstieg?

Tatsächlich liegen die Einzelgenehmigungen für Rüstungsexporte im Jahr 2022 mit rund 8,36 Mrd. Euro um 1 Mrd. Euro niedriger als im Vorjahr. 2023 lagen sie nach vorläufigen Zahlen allerdings beim Spitzenwert von über 11 Mrd. Euro. Die Exporte in die Ukraine machen mit einem Wert von rund 2,2 Mrd. Euro einen sehr großen Teil der Rüstungsexporte in Drittländer 2022 aus. Das gleiche gilt für die vorläufigen Zahlen für 2023. Hier wurden Exporte an die Ukraine im Wert von 4,15 Mrd. Euro genehmigt. Außerdem rüsten die EU- und NATO-Länder im Zuge des Ukraine-Krieges auf und das zeigt sich auch an den massiven Waffenexporten Deutschlands in diese Länder.

Nun haben wir Rekordgenehmigung für Waffenverkäufe im Jahr 2023. Laut Koalitionsvertrag soll ein Rüstungsexportkontrollgesetz geschaffen werden. Dieses wurde bisher nicht umgesetzt. Was bedeutet es, dass die Regierungskoalition aus SPD, FDP und Grünen neue Rekorde bei Waffenverkäufen aufstellt?

Dieser traurige Rekord zeigt, dass militärische Gewalt nach wie vor ein Mittel der Politik ist und neben der Belieferung der Ukraine, wie bereits erwähnt, die EU- und NATO-Staaten enorm aufrüsten, statt alles dafür zu tun, dass Konflikte erst gar nicht ausbrechen oder nicht weiter angeheizt werden. Der Rüstungswettlauf hat wieder begonnen. So, als hätte es den Kalten Krieg nicht gegeben.

An welche Länder werden insbesondere Waffen verkauft? Was bedeutet es, Waffen an Länder mit autoritären Regierungen zu verkaufen?

Unter der aktuellen Bundesregierung werden erfreulicherweise wesentlich weniger Rüstungsexporte in Drittländer – also Länder, die weder EU-, NATO-, oder NATO- gleichgestellte Länder sind, genehmigt. Die Ukraine ist seit dem Krieg eines der größten Empfängerländer unter den Drittstaaten. Südkorea und Singapur sind seit Jahren große Empfänger deutscher Rüstungsgüter und auch die Länder der MENA-Region, wie bspw. die Vereinigten Arabischen Emirate und Ägypten werden unablässig beliefert, wenn hier die Werte zwischenzeitlich auch stark schwanken.

Die Türkei ist eines der Länder, an die Deutschland Waffen verkauft. Wie steht es im Allgemeinen um die deutschen Waffenverkäufe an die Türkei? Vor kurzem hat Erdoğan angekündigt, dass sie Eurofighter kaufen wollen. Wie bewerten Sie es, Waffen an die Türkei zu verkaufen, die militärische Operationen gegen Nachbarländer durchführt?

Die völkerrechtswidrigen Angriffe der Türkei gegen Nordsyrien und Irak haben mal mehr, mal weniger Konsequenzen seitens Deutschlands Rüstungsexportpolitik nach sich gezogen: 2020 wurden noch Waffen für 22 Millionen Euro genehmigt, 2021 nur noch für 11 Millionen, 2022 nur noch für 1,2 Millionen. Die Genehmigungen wurden laut Wirtschaftsministerium für Kooperationsprojekte oder für Lieferungen mit NATO-Bezug erteilt. Daran zeigt sich, dass Privilegien für NATO-Partner nicht unantastbar sind. Das ist gut. Es sollte jedoch immer gelten, dass für alle Länder die gleichen Exportregeln gemäß nationaler und europäischer Gesetze und Regelwerke gelten, unabhängig von ihrem Status.

Wie wirken sich die Rekordwaffenverkäufe auf die Gewinne der Rüstungskonzerne aus? Welche Konzerne profitieren am meisten von dieser Politik?

Das Friedensforschungsinstitut SIPRI hat im vergangenen Dezember die Liste der TOP 100 Rüstungsunternehmen der Welt für das Jahr 2022 veröffentlicht. Darunter sind 4 Unternehmen aus Deutschland: Rheinmetall, Diehl, Hensoldt und Thyssen Krupp. Alle, außer Thyssen Krupp, konnten ihre Umsätze steigern. Außerdem sind 3 europäische, also multinationale Konzerne dabei, wie Airbus, an dem auch der deutsche Staat Anteile hat.

Wie können Rekordsteigerungen bei Waffenverkäufen und Militärausgaben verhindert werden? Gab es auf dieser Grundlage in der Vergangenheit bereits Erfolge?

Die zwei bisher wirklich nennenswerten Erfolge, die in meine aktive Zeit fallen, sind der stetige Protest gegen die Rüstungsexporte nach Saudi-Arabien seit Beginn des Jemen-Krieges, der in Deutschland und anderen europäischen Ländern auf verschiedenen Ebenen über Jahre hinweg aufrechterhalten wurde. U.a. in Großbritannien und Italien wurde gegen die Rüstungsexporte geklagt, das Europäische Parlament hat sich für mehrmals für ein Waffenembargo ausgesprochen und in Deutschland verhängte die Bundesregierung schlussendlich ein Exportmoratorium gegen Saudi-Arabien, wenn auch mit Ausnahmen. Auch die Proteste gegen Waffenlieferungen in die Türkei waren erfolgreich. Die Intensität und Akteure der Proteste wechselten stärker, aber wie bereits gesagt, haben die Bundesregierungen ihre Exportgenehmigungen immer weiter reduziert. Ob die Türkei kurz-oder mittelfristig trotzdem Eurofighter bekommt, kann ich nicht einschätzen. Wir lehnen das klar ab. Die am Montag bekannt gewordenen Pläne der Bundesregierung nun neue Eurofighter für Saudi-Arabien zulassen zu wollen, werden natürlich auch die Debatte hinsichtlich der Türkei neu aufrollen. Wir fordern natürlich, dass weder das eine, noch das andere Land Kampfflugzeuge bekommt.

 

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