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Rentenreform: Kurzfristige Entlastung -Kein Beitrag der Vermögenden

Die aktuelle Debatte um die Rentenreform nimmt an Fahrt auf – und das mit gutem Grund. Die demografische Entwicklung, insbesondere das baldige Rentenalter der geburtenstarken Babyboomer-Generation, bringt das deutsche Rentensystem zunehmend an seine Grenzen. Arbeitsministerin Bärbel Bas hat einen Vorstoß macht, der auf den ersten Schritt sinnvoll ist: Beamte, Selbstständige und Abgeordnete sollen künftig in die gesetzliche Rentenversicherung einzahlen. Doch dieser Vorschlag greift zu kurz – nicht nur, weil er strukturelle Probleme kaschiert, sondern auch, weil er einen grundlegenden Systemfehler nicht adressiert: die einseitige Finanzierung des Renten- und Sozialsystems aus Arbeitseinkommen und nicht aus Vermögen. Während der Vorschlag von Bas aber noch ein Fünkchen sozialen Fortschritts beinhaltet: Statt weiter an einem System zu arbeiten, das Gruppen in segregierten Systemen abhandeln– soll es künftig einen gemeinsamen Topf geben, kontert die CDU mit einem altbekannten Rezept: Mehr arbeiten, weniger absichern.

Dilan Baran

Das Fundament bröckelt

Seit der Rentenreform von 1957 basiert das Rentensystem in Deutschland auf dem Prinzip des Generationenvertrags: Die arbeitende Bevölkerung finanziert die Renten der Älteren. Doch während die Zahl der Beitragszahler sinkt, wächst die der Rentenempfänger – ein Ungleichgewicht, das sich nicht durch kosmetische Eingriffe beheben lässt. Der Vorschlag, neue Gruppen in das Umlageverfahren zu integrieren, bringt kurzfristig zusätzliche Einnahmen, da diese Gruppen zunächst einzahlen, ohne sofort Leistungen zu beziehen. Doch dieser sogenannte „Einführungsgewinn“ ist temporär. Sobald diese neuen Versicherten selbst Rentenansprüche erwerben, wird der kurzfristige Vorteil verpuffen.

Kein Beitrag der Vermögenden

Viel fundamentaler ist jedoch: Die Finanzierung des Rentensystems erfolgt fast ausschließlich über Arbeitseinkommen. Dabei bleibt das private Vermögen – insbesondere das der reichsten zehn Prozent der Bevölkerung – außen vor. Deren Vermögen wächst stetig, auch während soziale Sicherungssysteme wie die gesetzliche Rente erodieren. Das ist nicht nur ungerecht, sondern volkswirtschaftlich kurzsichtig. Eine nachhaltige Rentenstruktur muss große private Vermögen in die Finanzierung des Gemeinwesens einbeziehen – eine Vermögenssteuer oder eine Erbschaftssteuerreform lehnen die Parteien Grün bis Schwarz jedoch seit Jahrzehnten ab.

Wer wenig hat, lebt kürzer – und zahlt mehr

Eine eklatante soziale Schieflage: Menschen mit niedrigen Einkommen leben im Schnitt fünf bis sechs Jahre kürzer nach Renteneintritt als Besserverdiener – finanzieren aber dennoch über ihre Beiträge deren höhere Rentenlaufzeit. Ein solidarisches Rentensystem, das diesen Namen verdient, muss auch hier ansetzen und für soziale Gleichheit sorgen, nicht für die Verstetigung von Ungleichheiten.

Warnsignale für den öffentlichen Dienst

Die Reformdiskussion geht auch an einem anderen entscheidenden Punkt vorbei: der Funktionsfähigkeit gesellschaftlicher Aufgaben. Die Einbeziehung der Beamten in die gesetzliche Rentenversicherung mag kurzfristig fiskalisch attraktiv erscheinen und auch die Besserstellung Staatsbediensteter muss nicht verteidigt werden. Doch ohne Gegenmaßnahmen verschärft sie einen ohnehin dramatischen Fachkräftemangel im öffentlichen Dienst.

Schon heute ist in systemrelevanten Bereichen wie Schulen, Jugendämtern, Ausländer- und Arbeitsbehörde kaum Personal zu finden. Die Verbeamtung – inklusive ihrer Pensionszusagen – ist oft der letzte Anreiz, der diese Berufe für Bewerber attraktiv macht. Wer diesen Anreiz streicht, ohne gleichwertige Alternativen zu schaffen, riskiert einen massiven Kollaps wichtiger öffentlicher Infrastruktur.

Denn: Anders als in der freien Wirtschaft kann der Staat nicht einfach Aufgaben abbauen oder auslagern. Die Nachfrage nach staatlichen Dienstleistungen – von Bildung bis zur Daseinsvorsorge – wächst. Schon heute arbeiten viele Behörden am Limit. Wer glaubt, man könne das Personal weiter ausdünnen, ohne gravierende Folgen für die Gesellschaft, unterschätzt die Lage grob.


Viel Debatte um nichts

Ja, einen Rentenlösung ist überfällig. Ja, es ist richtig, die Gruppe der Beitragszahler zu erweitern. Und ja, Selbstständige ohne Altersvorsorge müssen abgesichert werden – nicht zuletzt im Interesse der Solidargemeinschaft. Aber: Eine Reform, die allein auf kurzfristige Mehreinnahmen durch neue Zahler setzt, ist Augenwischerei.

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann und Kanzleramtschef Wolfgang Frei zeigten sich wenig begeistert vom sozialdemokratischen Kurs. Statt den Rententopf gerechter zu machen, wollen sie auf altbewährte Strategien setzen – vor allem auf längeres Arbeiten. „die Umsetzung der Aktivrente etwa, sodass Rentner 2.000 Euro steuerfrei monatlich verdienen dürfen“, so Linnemann.

Daneben steht eine weitere Forderung auf der Agenda der CDU: die Abschaffung des Bürgergelds. Damit sollen angeblich so teure Arbeitslose stärker zur Aufnahme von Erwerbsarbeit gedrängt werden. Sehr nützlich, insbesondere in Kombination mit den jüngsten Angriffen auf grundlegende Arbeiterrechte, wie den 8 Stunden Tag, denn damit wären alle Lohnabhängigen gezwungen auch die widrigsten Umstände zu akzeptieren. Dass dieser Vorschlag kaum etwas zur Stabilisierung der Rentenkassen beiträgt, aber gesellschaftliche Spannungen verschärft, ist offenkundig.

Was es braucht, ist eine strukturelle Neuausrichtung: Eine solidarische Altersvorsorge, die auch Vermögen beteiligt. Ein stabiles Rentensystem, das Armut im Alter bekämpft und nicht reproduziert. Und ein öffentlicher Dienst, der attraktiv genug bleibt, um auch künftig seine Aufgaben erfüllen zu können.

Für ein gerechteres Rentensystem zu schaffen braucht den politischen Willen, Weitblick und den Mut, auch den Reichsten etwas abzuverlangen.

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