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Schulden fallen nicht vom Himmel

Von Özlem Alev Demirel

Geld- Geld- Geld ist worum sich alles dreht. Wenn es darum geht politische Entscheidungen mit großen Konsequenzen zu treffen, dann hängt dies in der Regel auch mit großen Summen zusammen. Doch wie macht man Politik, wenn der Umgang mit Geld und Schulden nicht mehr in der eigenen Kompetenz steht? Dann kann es keine Veränderungen im Interesse der Mehrheit der Bevölkerung mehr geben, sondern nur noch eine Verwaltung des Sozialabbaus.

So geht es mittlerweile den meisten Kommunen in Nordrhein-Westfalen und in der gesamten Bundesrepublik. Mit der von der Bundesregierung beschlossenen „Schuldenbremse“ werden nun auch den Ländern Fesseln angelegt.

Dabei sind die Schulden keineswegs vom Himmel gefallen. In den vergangenen Jahrzehnten wurden immer mehr Geschenke an Konzerne und Vermögende durch Steuerentlastungen und Subventionen gemacht. Dadurch wurden die Staatshaushalte systematisch für die Profite einer kleinen Gruppe geplündert. Die zunehmenden Krisen seit den 70er Jahren haben dazu geführt, dass die Unternehmen durch eine immer stärkere Ausbeutung der Arbeiterinnen und Arbeiter und durch eine stärkere Ausplünderung der Staatshaushalte ihre Profite hoch halten wollten. Der Staat war dabei ein williger Gehilfe.

Das auffälligste Beispiel hier sind die sogenannten Bankenrettungspakete, die die große Koalition innerhalb einer Nacht- und- Nebelaktion auf den Weg gebracht hatte. 480 Mrd. Euro staatliche Zuschüsse und Bürgschaften, um den „Finanzmarkt erneut zu stabilisieren“ sind geflossen.

Damit für diese Kosten nun die übergroße Mehrheit der Bevölkerung aufkommt, haben sich anschließend die Parteien CDU, FDP, SPD und Grüne für eine Schuldenbremse im Bundestag und Bundesrat ausgesprochen. Ab dem Jahre 2016 dürfen der Bund und ab dem Jahr 2020 auch die Länder keine neuen Schulden mehr aufnehmen.

Dafür soll gespart werden „bis es kracht“. Mit dieser Schuldenbremse begründet die Bundesregierung auch das im vergangenen Jahr beschlossene „Sparpaket“. Mit diesem sollen vor allem bei den Erwerbslosen Milliarden gekürzt werden. Durch diese Kürzungen werden dann auch die Beschäftigten unter Druck gesetzt und können leichter zu weiteren Lohnzugeständnissen bewegt werden. Die Einnahmeseite zu verbessern und die Banken, Konzerne und Vermögende zu Kasse zu bitten, kommt für die neoliberalen Parteien nicht in Frage.

Vor diesem Hintergrund wird im März der nordrheinwestfälische Verfassungsgerichtshof ein Urteil über den Nachtragshaushalt des Landes fällen. Die von SPD und Grünen geführte Minderheitsregierung hatte für das laufende Haushaltsjahr 2010 nach ihrer Wahl einen Nachtrag zum Haushalt vorgelegt, der eine Erhöhung der Neuverschuldung um 1,8 Mrd. auf 8,4 Mrd. Euro vorsieht. Den größten Posten hierbei nehmen mit 1,3 Mrd. Euro Rücklagen für die landeseigene Bank West LB ein.

Gegen diesen Nachtragshaushalt haben CDU und FDP vor dem Verfassungsgerichtshof NRW in Münster im Dezember geklagt und sich dabei auf das scheinheilige Argument der „Generationsgerechtigkeit“ berufen. Dabei tun sie so, als ob es den nachfolgenden Generationen nützen würde, wenn bei der Bildung, bei Sozialem oder bei der Umwelt gespart wird.

Der Verfassungsgerichtshof hat die Landesregierung vor wenigen Wochen angewiesen, keine weiteren Schulden aufzunehmen, solange keine Entscheidung über die Rechtmäßigkeit des Nachtragshaushalts gefallen ist. Durch dieses Urteil hat aber auch die Nervosität bei der Landesregierung zugenommen.

Es ist sicherlich kein Zufall, dass ganz kurz nach der Anordnung des Münsteraner Gerichts der Finanzminister Norbert Walter-Borjans (SPD) erklärte, er habe plötzlich zusätzliche 1,3 Mrd. Euro im Haushalt für nicht getätigte Ausgaben und bei höheren Steuereinnahmen gefunden.

Man stelle sich das mal vor: man wacht auf und ist auf einmal um 1,3 Mrd. Euro reicher. ‘Huch – ich habe da grade eine Milliarde entdeckt‘, so muss sich wohl der Finanzminister gefühlt haben. Das ist alles andere als eine seriöse Haushaltspolitik. Zumindest hat das gar nichts mehr mit Haushaltsklarheit und -wahrheit zu tun.

Dieser „Fund“ ist angesichts der Situation in den Kommunen in NRW besonders absurd. Sie befinden sich in einer dramatischen Finanzlage. Über Wochen behauptete die rot-grüne Landesregierung, dass eine sofortige Abschaffung der Studiengebühren, eine bessere Finanzausstattung der Kommunen oder auch eine grundlegend bessere Ausstattung der Schulen nicht möglich sei und nun behauptet der Finanzminister Norbert Walter-Borjans, dass er ganz plötzlich noch über 1,3 Mrd. Euro mehr im Haushalt entdeckt hat.

Wenn das Gericht nun im März den Nachtragshaushalt einkassiert, bedeutet dies zweierlei. Erstens werden die demokratischen Rechte weiter eingeschränkt, wenn die Parlamente nicht einmal mehr darüber entscheiden dürfen, wofür sie Geld ausgeben. Zweitens wird es der SPD und den Grünen die Möglichkeit geben, weiteren Personal- und Sozialabbau mit Hinweis auf das Urteil zu begründen. Das Münsteraner Urteil wird wohl auch eine entscheidende Rolle beim regulären Haushalt spielen, der im Frühjahr in NRW beschlossen werden soll. Hierbei geht es nicht nur um neue Kürzungen, sondern auch die Fortschreibung von alten Kürzungen und Verlagerungen der Kürzungsorgien auf die kommunale Ebene durch unzureichende Mittelvergabe an die Kommunen.

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