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Schwangerschaftsabbruch – Weg mit § 218!

Ceyda Tutan

Die Frage nach sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen bleibt ein kontroverses und oft emotional aufgeladenes Thema. Es gibt immer noch eine wahnsinnige Stigmatisierung in der Gesellschaft, wenn sich Frauen für einen Schwangerschaftsabbruch entscheiden. Ungewollt Schwangere fühlen sich gegängelt und sehen sich einem hohen moralischen Druck ausgesetzt. Die Gehsteigbelästigungen von radikalen Abtreibungsgegnern und sogenannten Lebensschützern macht die Schwangerschaftsberatung zum Spießrutenlauf und greift in die Rechte der Frauen ein. Seit Jahren mobilisieren radikale Lebensschützer gegen jegliche Abtreibungsrechte, unterstützt von katholischen Bischöfen und völkischen Ideologen. Das weltweite Erstarken von rechten Parteien führt zu einer massiven Einschränkung von reproduktiven Rechten. Auch wenn sexuelle und reproduktive Rechte Menschenrechte sind, spricht man Frauen das Recht ab selbständig Entscheidungen treffen zu können, indem sie staatlich bevormundet werden.

Schätzungen zufolge sterben weltweit jedes Jahr rund 22.000 Schwangere an den Folgen eines unsicheren Abbruchs und sind immer noch eine der häufigsten Todesursachen von Frauen und Mädchen. Dennoch verfolgen einiger Länder weiterhin die Politik Abbrüche zu kriminalisieren und den Zugang dazu einzuschränken oder gar zu verbieten. Das Recht auf Schwangerschaftsabbrüche ist weltweit alles andere als eine Selbstverständlichkeit. Es gibt nur ein Land, in dem Schwangerschaftsabbrüche in keiner Weise reglementiert sind – Kanada. Frankreich hat als erstes Land weltweit das Recht auf Schwangerschaftsabbruch in seine Verfassung aufgenommen. Andere Länder, wie zum Beispiel Mexiko, haben kürzlich den Schwangerschaftsabbruch entkriminalisiert. Doch viele Länder verbieten den Eingriff weiterhin oder schränken den Zugang zu Schwangerschaftsabbrüchen sogar wieder ein, wie die USA. Auch innerhalb der EU wird hitzig debattiert. Und auch in Deutschland ist ein neuer Streit über die Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen entbrannt.

Kommission empfiehlt Legalisierung von Schwangerschaftsabbrüchen

Vor knapp einem Jahr wurde von der Bundesregierung eine Kommission beauftragt, die prüfen sollte wie Schwangerschaftsabbrüche außerhalb des Strafgesetzbuches geregelt werden können. Die Kommission, die hauptsächlich von Expertinnen aus Medizin, Sozial- und Rechtswissenschaften besteht, empfiehlt Schwangerschaftsabbrüche in den ersten zwölf Wochen nicht mehr strafrechtlich zu verfolgen und diesen Zeitraum sogar zu erweitern.

Ein uraltes Strafgesetz beschränkt die Möglichkeit eines Schwangerschaftsabbruchs in Deutschland. Den Paragrafen 218 gibt es in Deutschland schon seit der Kaiserzeit. Seit 1871 stellte der Paragraf 218 des Strafgesetzbuches Schwangerschaftsabbrüche grundsätzlich unter Strafe. Nach der heute gültigen Regelung ist ein Schwangerschaftsabbruch rechtswidrig. Er bleibt aber straffrei, wenn er innerhalb der ersten drei Monate und nach einer Zwangsberatungsberatung durchgeführt wird. Allerdings stehen Frauen vor einer großen Herausforderung, wenn sie sich für einen Abbruch entscheiden. Denn sie sind immer häufiger unter Zeitdruck und immensem psychischem Druck ausgesetzt, weil sie weite Strecken zurücklegen müssen um einen Schwangerschaftsabbruch durchführen zu lassen, denn die Versorgungslage verschlechtert sich seit Jahren. Insbesondere Menschen in vulnerablen Situationen stehen vor enormen Hürden. Dazu gehören etwa Personen, die in Armut leben, Gewalt erfahren, kleine Kinder oder einen unsicheren Aufenthaltsstatus haben oder weit von der nächsten medizinischen Einrichtung entfernt leben. Krankenhäuser weigern sich Schwangere aufzunehmen und den Abbruch vorzunehmen. Immer weniger Ärzte sind bereit, Schwangerschaftsabbrüche durchführen und sich dafür ausbilden lassen, weil sowohl Schwangere, als auch Ärzte und Beratende der Schwangerschaftskonfliktberatung täglich massiv bedroht werden. Ein Gesetz soll nun vor den Belästigungen der Abtreibungsgegnern schützen.

Ampel-Koalition muss Stellung beziehen

Unter den Parteien im Bundestag wird nun hitzig debattiert. Die Linke will, dass Deutschland dem Beispiel Frankreichs folgt. Die Union will an § 218 festhalten, die AfD will ihn sogar verschärfen. Die Parteien der Ampel-Koalition zeigen sich zurückhaltend in der Debatte und wirken selbst überrascht über die deutliche Handlungsempfehlung der Kommission, die unter anderem damit argumentiert, dass es verfassungsrechtlich, völkerrechtlich und europarechtlich nicht mehr haltbar sei, den Schwangerschaftsabbruch als Straftatbestand einzustufen. Wenn die Ampel-Koalition es tatsächlich ernst meint mit der Streichung des § 218, dann muss sie jetzt Stellung beziehen und noch in dieser Legislaturperiode einen neuen Gesetzesentwurf vorlegen.

Frauen, Aktivistinnen, Frauenverbände und Bündnisse, die schon seit Jahrzehnten für eine Legalisierung kämpfen, fordern den Paragrafen 218 ersatzlos zu streichen und die Fristenregelungen und Beratungspflichten aufzuheben. Schwangerschaftsabbrüche müssen Teil der medizinischen Grundversorgung werden und die Kosten von den Krankenkassen übernommen werden. Es braucht verpflichtende Aus-, Fort- und Weiterbildungen zu Schwangerschaftsabbrüchen für medizinische Fachberufe. Am internationalen Safe Abortion Day, dem 28. September 2024, werden wieder Menschen auf der ganzen Welt für sichere und legale Schwangerschaftsabbrüche protestieren.

Der uneingeschränkte Zugang zu sicheren und legalen Schwangerschaftsabbrüchen ist von entscheidender Bedeutung, nicht nur für die Gesundheit von Müttern, sondern auch für die Stärkung der sexuellen und reproduktiven Rechte weltweit.

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