Asli Gürhan – Alea Schmidt
Viele Sommerfrüchte wie Erdbeeren, Weintrauben oder Tomaten können nicht maschinell geerntet werden. Auch Spargel und Hopfen müssen von Hand geerntet werden. Die Ernte ist vor allem körperlich sehr anstrengend und braucht für einen kurzen Zeitraum großen Arbeitseinsatz. Fast alle landwirtschaftlichen Betriebe in Deutschland setzen deshalb Saisonarbeiter ein, die für eine begrenzte Zeit in einem bestimmten Bereich arbeiten, um einen erhöhten Bedarf zu decken. Neben der Ernte gehören dazu auch Gastronomie (Spülhilfen, Servicekräfte), Tourismus und Holzernte. In der Landwirtschaft arbeiten jährlich etwa 250.000 – 300.000 Saisonarbeitskräfte, was etwa ⅓ der Arbeiter in der Branche ausmacht, davon überwiegend Frauen und Migranten.
Auf dem deutschen Bauerntag fordert Joachim Rukwied, Präsident des “Deutschen Bauernverbands”, den Mindestlohn für Saisonarbeiter auf 80 % zu senken. Der Vorschlag des ehemaligen CDU-Kreistagsabgeordneten wird vom neuen Landwirtschaftsminister Alois Rainer (CSU) begrüßt. Rainer kündigt an, rechtliche Schlupflöcher suchen zu lassen, um Landwirten zu ermöglichen, Mindestlohnerhöhungen zu umgehen. Neben diesen deutlichen arbeitsrechtlichen Angriffen, plant Rainer auch, die Steuererleichterungen, von denen vor allem große landwirtschaftliche Betriebe und Agrarunternehmen profitieren, wieder einzuführen. Deren Aussetzung führte 2023 auch zu den großen Bauernprotesten, die ebenfalls vom Deutschen Bauernverband angeführt wurden. Der Deutsche Bauernverband, einer der mächtigsten europäischen Lobbyverbände, ist eng mit CDU und Agrarkonzernen verbunden.
Schon vor dem Amtsantritt Rainers profitieren von der europäischen Agrarpolitik vor allem große Betriebe, denn Agrarsubventionen sind an Fläche geknüpft. Viele der Erntehelfer, die jährlich nach Deutschland kommen, sind oder waren selbst Landwirte, die ihre Betriebe deswegen nicht mehr halten können. Ein Großteil der Erntehelfer kommt aus Polen, Rumänien, Ukraine, Weißrussland, die Bundesrepublik hat Vermittlungsabkommen mit Georgien und der Republik Moldau. Die Arbeitsbedingungen der Erntehelfer stehen seit Jahren in der Kritik, denn schon jetzt gelten für Erntehelfer viele rechtliche Ausnahmen, die sie zu billigen Arbeitskräften machen. Neben Gruppenkrankenversicherungen und Sozialversicherungsfreiheit, werden ihnen auch Unterbringung und Verpflegung auf den Betrieben vom Gehalt abgezogen. Immer wieder gab es in der Vergangenheit spontane Streiks unter den Erntehelfern gegen die Arbeitsbedingungen, die sich nun noch weiter verschlechtern sollen.
Angriff auf den Mindestlohn
Schon bevor die Mindestlohnkommission im Bundestag ihren neuen Vorschlag vorstellt, zeigen sich die ersten Angriffe von Arbeitnehmerseite und deren Unterstützung durch die neue Regierung. Zwar kommt aus den Reihen der SPD Kritik am Vorstoß der CDU/CSU, trotzdem wird der Vorschlag der Mindestlohnkommission von 14,60 € erst im Jahr 2027 begrüßt. Vor der Wahl wurden 15 € gefordert. Dieser Angriff zeigt auch, dass wir einen Mindestlohn nicht geschenkt bekommen und die Arbeitgeberseite weiterhin, unterstützt durch die Regierung, versuchen wird, diesen weiter zu drücken. Gerade jetzt, wo die Militarisierung in Deutschland und weltweit rasant steigt, sind diese Angriffe auf unsere hart erkämpften Arbeitsrechte als Angriff auf uns alle zu verstehen. Lassen wir uns von ihrer rassistischen Argumentation nicht täuschen. Wir sehen, dass genug Geld da ist, wenn bereitwillig Milliardensummen für die Interessen der Rüstungskonzerne ausgegeben werden und wir auf unser Urlaubsgeld verzichten müssen oder Arbeiter aus dem Ausland, die unter den schwierigsten Bedingungen arbeiten, einfach 20 % weniger Lohn bekommen sollen. Dagegen müssen wir unsere internationale Solidarität zum Ausdruck bringen.