Written by 18:00 HABERLER

Studierende wehren sich gegen Preiserhöhungen!

Eren Gültekin / Marburg

Am 29. April hat das Marburger Studierendenwerk in der Verwaltungsratssitzung die Erhöhung der Mensapreise beschlossen. Bereits vorher organisierten sich einige Studierende rund um den AStA Marburg und starteten eine Petition und eine Kundgebung vor der Mensa. Hierzu konnten wir mit Yusuf Karaaslan sprechen. Er ist Mitglied im SDS und hochschulpolitisch aktiver Student, der im Protest gegen die Preiserhöhungen mitwirkt.

Foto: Yeni Hayat

Was sind die Gründe des Verwaltungsrats für die Erhöhung der Mensapreise?

Die allgemeine Inflation setzt allen zu. Laut den Sprechern des Studierendenwerks, hat es mit Preissteigerungen im Lebensmitteleinkauf und im Transport zu kämpfen, doch die Preiserhöhung ist vermeidbar, denn das Studentenwerk ist kein übliches Gastro-Unternehmen, sondern eine öffentliche Einrichtung mit öffentlichen Aufgaben – nämlich die preiswerte Versorgung der Studierenden mit Mittagessen zu gewährleisten. Dieser Aufgabe wird sie mit den Erhöhungen noch weniger gerecht als zuvor. Die Finanzierung der Uni reicht vorne und hinten nicht. Der Semesterbeitrag wurde bereits um 10€ auf insgesamt 90,50€ für jeden Studierenden erhöht, die direkt zum Studentenwerk fließen. Dieses Geld ist eine versteckte Studiengebühr und wird auch zur Finanzierung von öffentlichen Aufgaben benutzt. Die Mittel der Landesregierung reichen gerade mal für die Finanzierung von 10% des Bedarfs des Studierendenwerks. Die übrigen 90% zahlen die Studierenden, können aber kaum mitbestimmen. Der Verwaltungsrat muss eigentlich zur Hälfte aus Studierenden besetzt sein, sowie auch der Vorsitz des Verwaltungsrats für Studierende zugänglich sein muss. Mitbestimmung und Ausfinanzierung sind die Knackpunkte bei diesem Streit.

Wie war die Reaktion der Studierendenschaft auf diese Ankündigung?

Der AStA hat sofort auf unsere Mitteilung reagiert und hat Infostände, Flyerverteil-Aktionen und eine Kundgebung zur Verwaltungsratssitzung angemeldet – innerhalb von 3 Tagen hatten wir 1700 Unterschriften in einer Petition, mittlerweile sind es über 3.000. Die Studierenden haben sich vielfach beschwert und sind sauer über die Preiserhöhungen. Natürlich gibt es auch an anderen Stellen Preiserhöhungen, aber insbesondere das Mittagessen ist eine sensible Angelegenheit, weil es für viele Studierende die einzig warme Mahlzeit am Tag ist. Wenn dieses nun bis zu 1,50€ teurer wird, setzt das viele unter Druck. Nach der Sitzung kamen der Kanzler und der Geschäftsführer des Studierendenwerks aus dem Unigebäude. Dort warteten bereits die Studierenden und haben ihnen offen die Meinung zugerufen. Die alltägliche reale Lebenssituation vieler Studierender, in der jeder Euro zweimal umgedreht werden muss, trifft bei dieser Auseinandersetzung auf eine klassisch betriebswirtschaftliche Scheinwissenschafts-Sichtweise. Der Kanzler versucht nun die Interessen der Belegschaft und die der Studierenden gegeneinander auszuspielen. Wenn sie die Preise nicht erhöhen können, müssten sie Personal entlassen. Dabei stehen unsere Bedarfe nicht im Widerspruch zueinander. Gesundes, qualitatives und günstiges Essen kann nur durch eine landespolitische Ausfinanzierung des Studentenwerks geschehen! Dafür brauch es neben guten Tarifverträgen auch einen Ausbau des Personals und der Angebote. Leider ist weder das Studentenwerk noch die Universität bereit, mit uns gemeinsam für eine Ausfinanzierung zu kämpfen, sondern sehen den leichteren Weg darin, die Kosten auf die Studierenden abzuwälzen. Wir stellen uns gegen die Spaltung von Studierenden und Mensapersonal und adressieren alle Verantwortlichen, die nicht für die Ausfinanzierung kämpfen.

Wie ist eure Pläne für die nächste Zeit?

Bisher haben wir spontan reagiert und gehandelt. Studierende sind an ihrem Lebensmittelpunkt, der Uni, wenig organisiert sind und die Interessenvertretung kann nur bedingt solche Kämpfe führen. Deshalb möchten wir die    Zustimmung gerade aufgreifen, um mit der breiten Studierendenschaft in einer Vollversammlung zusammenkommen und darüber zu beraten, was wir gemeinsam dagegen machen können, damit es nicht bei einem tagespolitischen „Aufreger“ bleibt. Wenn ich in den Wirtschaftswissenschaften lerne, dass der Staat sich aus öffentlichen Angelegenheiten heraushalten soll und das Studierendenwerk wie ein Restaurant oder ein Hotel funktionieren soll, dann steht die Lehre im Widerspruch zu der alltäglichen Lebensrealität. Dafür müssen wir Bewusstsein schaffen, die kritische Lehre und Forschung revitalisieren und die Universität wieder als einen Ort der Kämpfe im Bündnis mit Beschäftigten beleben.

Gibt es auch an anderen Hochschulen Preiserhöhungen?

Deutschlandweit ist eine Welle von Preiserhöhungen losgetreten – die Landesregierungen weigern sich, diese aufzufangen. Gleichzeitig nimmt der Bundestag einen Kredit von 100 Mrd. Euro für Aufrüstung und Waffen auf. Die Studierendenwerke sind meistens unterfinanziert. Wir wissen, dass in Städten wie Heidelberg und Münster bereits Erhöhungen vorgenommen wurden – eigentlich deutschlandweit. Es geht allerdings auch anders. Während wir in Marburg erhöhte Mensapreise zu erwarten haben, die davor schon überdurchschnittlich hoch waren, sind die Preise in Berlin günstiger, das Essen besser und die Auswahl größer. Dort zahlen Studierende auch nur einen Betrag von ca. 42 Euro des Semesterbeitrag an das Studierendenwerk, während wir in Marburg 90,50 Euro zahlen. Und es sind noch weitere Erhöhungen angekündigt. Die Mieten der Wohnheime z.B. werden als nächstes erhöht. Externe privatisierte Waschräume sind ohnehin Normalität. Dort zahlt man für einen Waschgang mit Trocknen aktuell 3,50 Euro. Die Nebenkostenabrechnung in den Wohnheimen explodiert und Nachzahlungen stehen für viele an, teilweise mehrere hundert Euro. Die logische Schlussfolgerung ist, dass viele Studierende ab einem bestimmten Punkt ihr Studium abbrechen müssen, sich der Druck erhöht, schlecht bezahlten Nebenjobs nachzugehen oder hohe Schulden gemacht werden. Deshalb sind fehlende Sozialpakete seitens des Staates und die lächerliche Bafög-Reform eine absolute Kriegserklärung an das Bildungsrecht, wenn gleichzeitig Waffenlieferungen subventioniert und 100 Mrd. Aufrüstungspakete geschürt werden.

Was sind die politischen Forderungen, um der Preiserhöhung entgegenzutreten?

Wir müssen wieder deutlich machen, dass Studieren kein Schmarotzen ist, sondern eine gesellschaftlich sinnvolle Arbeit. An den Universitäten wird über Rassismus, soziale Ungleichheiten, Frieden und über Klimawandel geforscht. In einer hoch technologisierten Gesellschaft ist Wissenschaft ein grundlegender Teil des Produktionsprozesses und gehört daher nicht sozialstaatlich abgefedert, sondern entlohnt! Wir fordern ein Studienhonorar für Studierende und die gesellschaftliche Nutzbarmachung von Studium, Lehre und Forschung, statt eines rein profitablen Nutzens für Unternehmen und Konzerne. Es ist Teil der hessischen Landesverfassung und der Satzung der Universität, dass sie mündige, demokratische Menschen ausbilden will, die sich bewusst zu ihren Mitmenschen und zu ihrer Umwelt verhalten – dem wird sie aktuell nicht gerecht. Deshalb fordern wir: die Inflation nicht auf Studierende abwälzen – bezahlbare Mensapreise – Mensa statt Panzer!

Close