Jason Henß
Mehr als jeder zweite Jugendliche in Deutschland macht sich laut der Trendstudie 2024 „Jugend in Deutschland“ Sorgen wegen knappem bzw. zu teurem Wohnraum. Eine Tatsache, die niemanden schockiert. Seit Jahren lesen wir immer wieder Schlagzeilen darüber, dass die Mieten durch die Decken schießen. Wie den „Anstieg der Berliner Mieten um bis zu 104%“, oder eine „Studentenwohnung [,die] 2600€ Miete kostet“. Auf eine Entspannung der Lage warten viele Menschen schon lange.
Deutschland ist das Mieterland Nummer 1 in der EU. 53,5% der Bevölkerung leben in einem Mietverhältnis. Zum Vergleich, unsere Nachbarn in Frankreich liegen bei 36,6% und der Durchschnitt bei 30,9%. So trifft die Problematik des nicht bezahlbaren Wohnraums einen großen Teil der Bevölkerung und ist gleichzeitig ein attraktiver Markt für Konzerne, wie Vonovia inkl. der Deutsche Wohnen (bekannt geworden durch den Kampf der Berliner Bevölkerung für eine Vergesellschaftung der Berliner Wohnungen des besagten Konzerns). Zwar gehören der Privatwirtschaft lediglich knapp 13% aller Wohnungen in Deutschland, davon liegen aber mehr als 800.000 Wohnungen in der Hand der drei größten Aktiengesellschaften (Vonovia mit Deutsche Wohnen, LEG Immobilien, TAG Immobilien). Gerade in den Ballungsräumen konzentriert sich der Besitz der Aktiengesellschaften und so haben sie durchaus einen großen Einfluss auf die Gestaltung der Mietpreise und sind zu einem erheblichen Teil Schuld an den immer weiter steigenden Mieten. Zudem nutzen sie ihre Mittel, um ihre Positionen in die Politik zu tragen und die Durchsetzung ihrer Interessen gegenüber der Bevölkerung zu garantieren.
Die Situation spitzt sich zu
Laut dem Statistischen Bundesamt müssen 3,1 Millionen Haushalte eine Mietbelastung von 40% (ihres Einkommens) und höher ertragen. Knapp die Hälfte dieser Gruppe muss sogar mindestens die Hälfte ihres Einkommens für die Miete aufbringen. Obendrauf kommen die ebenso gestiegenen Nebenkosten, welche ebenso maßgeblich durch den Einfluss der großen Energiekonzerne in die Höhe getrieben wurden.
Um das ganze etwas greifbarer zu machen, stellen wir uns eine Wohnung in Frankfurt vor. Wir rechnen mit 50 Quadratmetern. Das ist die Größe, die einer Einzelperson laut Wohnungsberechtigungsschein zusteht. Schaut man sich den brandneuen Mietspiegel der Stadt Frankfurt an (gültig seit 01.06.24), landet man bei einer modernen Wohnung bei einem durchschnittlichen Preis von 779€ Warmmiete. Das ist für junge Menschen, die gerade in den Beruf einsteigen, eine enorme Menge Geld. Für jemanden in der Ausbildung oder im Studium eine Summe, die ohne Unterstützung nicht zu bewältigen ist. Auch wenn man bereit ist, sich den Wohnraum zu teilen, hilft das nur geringfügig, denn der durchschnittliche Preis eines WG-Zimmers in Frankfurt liegt bei 670€. Das führt nicht selten dazu, dass junge Menschen sich einer mehrfachen Belastung aussetzen müssen. Sie arbeiten neben ihrer Ausbildung oder ihrem Studium in Nebenjobs und haben so kaum noch Zeit, um sich auf ihre Ausbildung oder ihr Studium zu konzentrieren.
So ist die Jugend besonders von dieser drastischen Lage betroffen. Denn häufig befindet sich die Ausbildungsstätte, die Berufsschule oder die Universität nicht in unmittelbarer Nähe. Ganz davon abgesehen, dass viele sich vielleicht wünschen, an einem anderen Ort ihrer (Aus-)Bildung nachzugehen und nicht an das Elternhaus gebunden zu sein. Aufgrund hoher Mietkosten, zu geringen BAFöG-Sätzen und Ausbildungsvergütungen, sieht die Realität allerdings so aus, dass junge Menschen oft nicht dort wohnen können, wo sie arbeiten und lernen. Das führt zu teils stundenlangen Anfahrtswegen und verzögert ein selbstbestimmteres Leben. Müdigkeit, Konzentrationsstörungen und Stress sind klassische Folgen.
Selbst wenn sie es sich leisten können, bei ihren Eltern auszuziehen, stehen sie in vielen Städten dem Wohnungsmangel entgegen und als junger Mensch mit Migrationshintergrund wird man zusätzlich durch rassistische Strukturen ausgeschlossen. So haben mehrere Studien bewiesen, dass gerade Menschen mit türkischen oder arabischen Namen besonders selten ein Angebot für eine Wohnungsbesichtigung bekommen. Vermieter behaupten, dass ihre Wohnung schon vergeben sei oder ihnen wird ganz offen dazu geraten in Viertel zu ziehen, in denen bereits viele Menschen mit Migrationshintergrund leben. Die wenigen Wohnungen, die noch zur Verfügung stehen, werden dann von Menschen weggeschnappt, die mehr verdienen, einen anderen Namen und eine sichere Beschäftigung haben.
Was macht das mit den jungen Menschen in Deutschland?
Leider ist knapper bzw. zu teurer Wohnraum nicht die einzige Sorge der Jugend. Inflation, Spaltung, Klimawandel, Wirtschaftskrise, Rente. Indem sich die Regierungen davor drücken Wohnungs- und Mietpolitik für die Bevölkerung zu machen und sich so vor der sozialen Frage verstecken, treiben sie die jungen Menschen in die Arme rechter Parteien, wie der AfD. Die ihre Zustimmungswerte in der Studie innerhalb von zwei Jahren auf 22% verdoppelt hat.
Was tun? Die Lage erfordert konkrete Handlungen der Regierungen im Sinne der Bevölkerung und besonders im Sinne der Jugend. Eine Politik, die sie ohne unser Eingreifen nicht umsetzen werden. Genau deswegen bleibt nichts anderes übrig, als Druck auf die Regierung auszuüben und in großen Bündnissen auf den Straßen, im Betrieb und den Bildungsstätten für eine Politik nach unseren Bedürfnissen aufzustehen. Neben den Kämpfen um die Vergesellschaftung von Wohnungen, sind auch Forderungen nach höheren Studiwohnheimförderungen wichtig, um Studierenden die Chance zu geben finanziell über die Runden zu kommen, ohne nebenbei arbeiten zu müssen. Gerade Azubis haben oft keine Chance auf einen geförderten Wohnheimplatz, weil es sie nicht gibt. Deshalb fordert die DGB-Jugend jetzt bundesweit Azubiwohnheime und es bietet sich eine Chance sich den Kämpfen um bessere Lebensbedingungen für Jugendliche anzuschließen.