Yücel Özdemir
In Berlin explodieren die Mieten. Ein Großteil der Wohnungen sind in der Hand der Immobilienkonzerne Deutsche Wohnen und Vonovia. Nachdem der Mietendeckel wieder aufgehoben wurde, arbeitet die Initiative „Deutsche Wohnen und Co. Enteignen“ deshalb noch intensiver und bekommt an Zulauf. Jetzt wollen aber die beiden großen Konzerne fusionieren und zum Immobilienmonopol der Stadt werden. Wir haben mit dem Sprecher der Initiative, Rouzbeh Taheri, über Fusion, Enteignung und die Zukunft der Berliner Mieten und was das für den Rest des Landes bedeutet, gesprochen.
Wie bewerten Sie als Initiative die Fusion zum Megaimmobilienkonzern?
Die Fusion ist ein Ergebnis des Drucks der Berliner Mieterbewegung vor allem auf Deutsche Wohnen. Deutsche Wohnen wollte die Angebote von Vonovia bisher nicht annehmen. Jetzt haben sie Angst vor einer Enteignung in Berlin und sind geflüchtet zu Vonovia. Das Ergebnis wird aber ein riesengroßer Konzern sein, der größte Immobilienkonzern in ganz Europa. Das ist für die Mieterinnen und Mieter eine schlechte Nachricht. Fast 500.000 Wohnungen in der Bundesrepublik werden in seiner Hand sein.
IMMOBILIENKONZERN WILL MIT 20.000 WOHNUNGEN LOCKEN
Aber die Mieten sollen nur um 1 Prozent erhöht werden. Und zudem wollen sie 20.000 ihrer Wohnungen an Berlin verkaufen.
Ja, dieses Angebot gibt es. Allerdings muss man wissen, dass die Mieten gesetzlich auch nicht viel mehr erhöht werden dürfen! Also das Angebot ist kein großes Entgegenkommen. Und dass sie 20.000 Wohnungen an das Land Berlin verkaufen wollen, ist zwar eine gute Nachricht für die Mieterinnen und Mieter, aber zu welchem Preis und welche Wohnungen? Sind das z.B. Wohnungen, die großen Sanierungsbedarf haben? Mit dem Angebot will man nur die Politik ruhig stellen und Mieterbewegung den Wind aus den Segeln nehmen.
Man hört aber, dass der Bürgermeister Müller zustimmt. Er war zusammen mit dem Konzernchef auf einer Pressekonferenz und hat verkündet, dass das Land Berlin das Angebot annehmen möchte.
Nicht das Land Berlin, sondern erstmal nur der Bürgermeister. Die Berliner Regierung ist sich noch nicht einig darüber. Das ist Wahlkampf und Herr Müller versucht sich damit als starker Mann zu inszenieren. Ich denke nicht, dass es Ziel sozialdemokratischer Politik sein sollte, den größten Immobilienkonzern Europas mit aufzubauen.
KEINE SOZIALE WOHNUNGSPOLITIK MIT MEGAKONZERNEN MÖGLICH
Das Wort „enteignen“ ist in unserer neoliberalisierten Zeit eher „out“, aber in letzter Zeit ist es ein wichtiges Stichwort geworden in Deutschland. Warum?
Weil die Menschen in Berlin mit diesen großen Immobilienkonzernen sehr schlechte Erfahrungen gemacht haben. In den letzten 10-12 Jahren, hat man deutlich gemerkt, dass man mit diesen Konzernen keine soziale Wohnungspolitik in Berlin gestalten kann. Die Wut ist gewachsen und eine gut organisierte und starke Mieterbewegung ist gewachsen.
Das Land Berlin hat aber schon mal ein paar Tausend Wohnungen gekauft. Hat es etwas geändert für die Mieten?
In bestimmten Kiezen hat sich die Lage verbessert, aber das sind immer kleine Eingriffe. Diese sind richtig und wichtig, aber ändern nicht das Grundproblem. Unser Vorschlag ist, grundsätzlich an das Problem ranzugehen.
DAS PROBLEM GRUNDSÄTZLICH ANGEHEN NICHT NUR FLICKEN
Grundsätzlich das Problem angehen heißt also viele Wohnungen, die Konzernen gehören, zu enteignen und zu vergesellschaften?
Wir glauben, dass diese Konzerne die Hauptschuldigen an den hohen Mietpreisen in Berlin sind. Wenn man sie aus der Stadt raus hat, dann kann man auch die kleineren Vermieter anders behandeln und dann hat die Stadt Berlin auch eine andere Marktmacht, um die Mietpreise zu beeinflussen. Wir wollen, dass langfristig mindestens die Hälfte der Wohnungen in Berlin dem Land gehört.
Das Land Berlin ist bereits im Besitz von mehr als 350.000 Wohnungen, also bereits ein wichtiger Akteur auf dem Markt. Spielen die 20.000 Wohnungen denn dann überhaupt eine Rolle bei den Mieten?
Das spielt schon eine große Rolle. Wenn es diese städtischen Wohnungen jetzt nicht gäbe, dann wäre in Berlin die Situation viel schlimmer. Die Frage ist nur, ob mit nur 20.000 zusätzlichen Wohnungen das grundsätzliche Problem geändert wird. Wir glauben nicht. Abgesehen davon, dass der Preis viel zu hoch sein wird. Wenn man zu diesem Preis, der jetzt gerade im Raum steht, diese Wohnungen kauft, hat man kaum noch Geld für Neubau und andere Maßnahmen. Unser Vorschlag ist pro Wohnung etwa 40.000€ zu bezahlen. Das Land Berlin will 150.000€ zahlen. Das zeigt den Unterschied. Es ist richtig, mehr Wohnungen in der Hand der Stadt zu haben, aber der Preis muss auch stimmen.
BEWEGUNG FÜR EINEN BUNDESWEITEN MIETENDECKEL
Berlin hatte als erstes den Mietendeckel, aber das Bundesverfassungsgericht hat diese Entscheidung abgelehnt. Was bedeutet das jetzt?
Das Gericht hat gesagt, dass das Bundesland solche Entscheidungen nicht treffen darf. Für uns bedeutet das jetzt, dass wir uns mit Initiativen aus anderen Städten zusammentun, um einen bundesweiten Mietendeckel durchzusetzen, weil das ja auch nicht nur ein Berliner Problem ist. Das wird schwieriger, aber das wird für alle Mieterinnen und Mieter in der Bundesrepublik etwas bringen.
Inwiefern betrifft diese Wohnungspolitik eigentlich die Migranten?
Wir wissen, dass Migranten aus zwei Gründen besonders betroffen sind. Einmal, weil die Meisten ein unterdurchschnittliches Einkommen haben, aber auch weil sie diskriminiert werden bei der Wohnungssuche. Viele haben es schwer mit einem ausländischen Namen. Und das ist auch eines unserer Ziele, dass bei den Wohnungen, die wir vergesellschaften wollen, die Wohnungsvergabe gerechter läuft und keine Diskriminierung mehr stattfindet.
AUF DEM WEG ZU EINEM EINMALIGEN EREIGNIS IN DER GESCHICHTE DER BUNDESREPUBLIK
Die nächste Etappe ist eine Volksabstimmung. Wenn Sie das schaffen, was bedeutet das für die gesamte Gesellschaft?
Deswegen sammeln wir Unterschriften. Es würde zeitgleich mit der Bundestagswahl zu einer Volksabstimmung kommen und wenn das erfolgreich ist, dann wird es ein einmaliges Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik sein, dass die Bevölkerung, eine Stadt sich mehrheitlich für die Vergesellschaftung großer Konzerne ausgesprochen hat. Das wird Auswirkungen auf Berlin über Mieten und Wohnungen haben, aber auch über diesen Bereich hinaus. Das heißt vor allem auch, dass wenn die sogenannten kleinen Leute sich zusammentun und solidarisch sind, sie viel erreichen können, auch wenn ihre Gegner mächtige große Konzerne sind.