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Theater AG der DIDF-Jugend Hamburg und des Internationalen Jugendverein Hamburg: „Rotsternberg bleibt!“

Sedat Kaya

Am 26. November 2023 führte die Theater AG der DIDF-Jugend Hamburg und des Internationalen Jugendverein Hamburg ihr selbstgeschriebenes Stück „Rotsternberg bleibt“ im MUT-Theater in Hamburg-Altona vor etwa 80 Besuchern auf. Der Saal war voll und die Aufführung war der erste Höhepunkt der seit längerer Zeit aktiven Theater AG. Wir haben mit Rahim Basdemir (24 Jahre, Arbeiter) gesprochen, der Mitglied des Vorstandes der DIDF-Jugend Hamburg und Teil der Theater AG ist.

Die Tätigkeit eurer Theater AG hat insbesondere in den letzten Monaten an Fahrt aufgenommen. Wie bist du dazugestoßen und wie sieht eure Arbeit aus?

Die Theater AG wurde 2021 von der DIDF-Jugend Hamburg und dem Internationalen Jugendverein Hamburg gegründet mit dem Ziel insbesondere die Probleme von Jugendlichen auf die Bühne zu bringen, sie politisch einzuordnen und Gedanken anzuregen. Ich bin erst seit einem halben Jahr Teil der Theater AG. Als ich dazukam, habe ich gemerkt, wie wertvoll es ist, anhand von Übungen zu Gestik, Mimik und Sprache zu lernen, sich besser auszudrücken und die Wahrnehmung und die Selbstwahrnehmung zu entwickeln. Seitdem bin ich viel selbstbewusster, wenn ich vor Leuten spreche und habe ein besseres Körpergefühl. Schon nach der ersten Probe unter der Leitung unserer Lehrerin Katalina Götz habe ich mich schnell als Teil der Gruppe gefühlt. Die Dynamik hat einfach gestimmt. Das war für mich insbesondere deshalb wichtig, weil ich noch keine Theatererfahrung hatte und unsicher war, ob ich deshalb überhaupt mithalten kann. Aber ich und viele weitere wurde vom Gegenteil überzeugt

Theater lebt natürlich davon, dass man etwas aufführt. Und so war für uns die Arbeit an unserem Stück „Rotsternberg bleibt!“ natürlich das, woran wir die letzten Monaten gearbeitet haben. Wir haben natürlich sehr viel Spaß, aber es war wichtig, ein Ziel vor Augen zu haben, auf das wir hinarbeiten konnten. Ein Theaterstück zu gestalten war natürlich etwas sehr Neues für uns. In der Schule oder in der Uni war man immer damit konfrontiert, Klausuren zu schreiben oder Präsentation zu halten, die einem bestimmten Schema entsprechen mussten. Jetzt waren wir viele von uns zum ersten Mal damit beschäftigt, unserer Kreativität freien Laufen zu lassen, die Themen zu behandeln die WIR für wichtig halten und diese selbst zu gestalten. Und das als Kollektiv. Wir lernten einander vertrauen, denn Theater funktioniert nur durch das kollektive Zusammenspielen. Auf der Bühne schlüpfen wir in Rollen, die jedoch nicht nebeneinander herlaufen, sondern durch die Interaktion miteinander Ausdrucksmittel von uns Jugendlichen sind. Wir treten als Theater-Kollektiv auf die Bühne, das wiederum Sprachrohr eines viel größeren Kollektivs sein kann, nämlich der arbeitenden und lernenden Jugend ist.

So kam es dann auch zum Theaterstück „Rotsternberg bleibt!“. Kannst du beschreiben, wie ihr das Stück entwickelt habt, die Vorbereitung für und die erste Aufführung liefen?

Wir waren erst einmal mit der Frage konfrontiert: wollen wir ein bestehendes Stück nehmen oder selbst eins schreiben? Wir haben uns dafür entschieden, ein eigenes Stück zu schreiben. Was die Wahl des Themas anging, so haben wir festgestellt, dass das Thema Gentrifizierung sehr viele junge Menschen in unserer Stadt Hamburg betrifft, ein Problem, das viele von uns teilen. Wir konnten unsere eigenen Erfahrungen austauschen und mit dem Inhalt des Theaterstücks stark identifizieren. So sind wir dann auch an die Produktion herangegangen. Nachdem die Grundidee stand, haben wir ohne Skript verschiedene Szenen durch Improvisation dargestellt. So, wie wir sie sie aus unserem Leben kennen oder sie uns vorstellen können. Daraus ist das Stück entstanden. Szene für Szene haben wir improvisiert. Und als es uns gepasst hat, hat unsere Leiterin Katalina daraus ein Skript und Regie erarbeitet. Wir sind die Szenen immer wieder durchgegangen und haben sie auch immer wieder angepasst, bis wir sie als ganz natürlich empfunden haben. So haben wir das Theaterstück fertiggestellt. Nachdem das Stück und auch der Termin für eine Aufführung stand haben wir über 3 Monate geübt und geprobt.

Wir hatten die Gelegenheit bei dem Abendprogramm der Jahreshauptversammlung des Internationalen Jugendverein Hamburg am 11. November 2023 einen kurzen Auszug aus dem Stück zu präsentieren. Wir waren aber sehr aufgeregt und haben uns in der Woche der Aufführung fast täglich getroffen, sogar am Tag der Aufführung bis kurz vor Einlass. Wir waren dabei nicht nur Darsteller, sondern haben gemeinsam den ganzen Raum vorbereitet und uns um alles gekümmert. Weil wir im Saal kein Backstage haben, haben wir uns eine halbe Stunde zwischen Einlass und Beginn in einem kleinen Bereich hinter dem Vorhang versteckt und mitgefiebert. Ich hatte das „Privileg“, als erster auf der Bühne zu erscheinen: als „Murat“, dem Besitzer des Kiosk „Fischkopf“ im fiktiven Hamburger Stadtteil „Rotsternberg“. Dieser wird zum Treffpunkt von frustrierten Jugendlichen, die sich gemeinsam gegen die Gentrifizierung und den drohenden Ausverkauf des Stadtteils wehren möchten. Die Erleichterung nach der Aufführung war natürlich groß und wir haben viel positive Rückmeldung bekommen.

„Rotsternberg bleibt!“ ist ein Theaterstück mit einer klaren politischen Forderung. Wie seht ihr die Möglichkeiten von Theater die sozialen Probleme von Jugendlichen auf die Bühne zu bringen und wie sind eure weiteren Pläne?

Im Grunde ist politisches Theater, aus unserer Perspektive auf bestimmte Probleme zu schauen und diese in einen politischen Zusammenhand zu setzen. Das Theaterspielen ist kein individueller Selbstzweck, sondern dient dazu, Politik auf die Bühne zu bringen. Bei den Proben lernen wir voneinander, tauschen uns aus und kämpfen auf künstlerische Art und Weise für eine gemeinsame Sache. Wir wollen mit unseren Theaterstücken auf gesellschaftliche Missstände aufmerksam machen und Bewusstsein schaffen. Das ist unsere Motivation. Nach dem Theaterstück haben sich viele neue Interessierte gemeldet. Wir wollen dieses Potential als Jugendvereine nutzen und insbesondere durch unsere Kultur AG, in der wir in Hamburg unsere kulturellen Aktivitäten koordinieren, weiterentwickeln. Natürlich soll dafür das weiter ausgearbeitet, verfeinert und verbessert werden, damit wir es in weiteren Orten in Hamburg, aber auch in anderen Städten aufführen können. Wir wollen uns einen eigenen Namen geben, weil „Theater AG der DIDF-Jugend Hamburg und des Internationalen Jugendverein Hamburg“ doch recht sperrig klingt. Und wir sind als Kultur AG im Gespräch mit professionellen Schauspielern, mit denen wir uns vorstellen können, auch neue Stücke zu entwickeln und aufzuführen. Alles in allem sind wir durch die erste Aufführung sehr motiviert und sehen positiv in die Zukunft.

 

 

 

 

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