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Türkei: Überwachung im Internet

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Was ist los in der Welt des Internets? Big Brother versucht mit allen Mitteln, das Netz grenzenlos auszuspähen.

Ihre Telefone werden abgehört. Überall auf den Straßen sind Überwachungskameras aufgestellt, die Sie auf Schritt und Tritt verfolgen. Das aber reicht dem Staat nicht, er gibt sich mit den vorhandenen Mitteln nicht zufrieden.

Jetzt möchte er den Datenverkehr im Internet überwachen. Das Ergebnis: der Staat, der die Bürger die ganze Zeit zu überwachen und bei Bedarf mit den gesammelten Informationen zur Rechenschaft zu ziehen plant, verbuchte einen Erfolg.

Da es an Datenschutzgesetzen in der Türkei mangelt, schützt der Staat in allererster Linie sich selbst vor seinen Bürgern. Darin liegt auch der Grund, warum er sich seit Jahren gegen die Ausarbeitung eines Datenschutzgesetzes wehrt. Entwürfe, die seit einigen Jahren in Schubläden liegen, bieten zwar keinen ausreichenden Schutz. Doch selbst diese verhindert die Regierung.

Der Staat begnügt sich nicht damit, den Datenverkehr zu überwachen, die Daten zu speichern, um sie bei Bedarf gegen Menschen einzusetzen. Der Staat möchte das ganze Leben zensieren. Er möchte das gesamte Leben der Menschen programmieren und solche bestrafen, die sich dagegen wehren. Es gibt gute Gründe für diese Ansicht.
Das Thema betrifft die Meinungsfreiheit unmittelbar. Es geht dem Staat nicht darum, die Privatsphäre der Menschen zu schützen. Auch das neue Internetgesetz macht diese Haltung deutlich. Man benutzte stets solche Vorwände, um die wahren Absichten zu verstecken. Auch hier soll die Meinungsfreiheit als Vorwand dienen.

Das System in der Türkei ist sehr komplex. Es gibt das Gesetz mit der Nummer 5651, das das Internet regelt. Es tritt als eine Moralinstanz auf und dessen Hauptargument ist der vermeintliche Schutz von Kindern. Zum Schutz von Kindern eine Reihe von weiteren Gesetzen: Gesetz der Kinder vor erotischen Publikationen. Es gibt Gesetze im Rahmen des Presserechts, die sich auf dieses Argument stützen. Auch Rundfunk und Fernsehen werden mit Sondergesetzen geregelt. Und es gibt das Strafrecht, das die Kriminellen wie Terroristen etc. zur Rechenschaft zieht. Es gibt Verbote, die das Vereinsrecht, die Parteiengesetze, das Versammlungsrecht und andere Rechte einschränken.

Als Vorwand für diese Einschränkungen bedient man sich stets der Sorgen um Terror, nationale Sicherheit, öffentliche Ordnung und Sicherheit, Staatsgeheimnis etc. Das Privatleben von Dritten ist ein weiteres, gern benutztes Argument. Dabei ist offensichtlich, dass alle Gesetzesverstöße auf den Staat zurückzuführen sind. Und dass er diese Argumente willkürlich benutzt, um Rechte und Freiheiten einzuschränken.
Die jüngste Änderung des Internetgesetzes wird genauso begründet und geht noch weiter. Der Staat wird alle gesammelten Informationen über Sie in der Hand halten. Er möchte aber nicht für die Sicherheit der gespeicherten Daten sorgen. Auch hier schiebt er Gründe vor, die angeblich mit dem Staatsgeheimnis zusammenhingen. Im Gesetzeswerk gibt es in 32 verschiedenen Gesetzen Vorschriften, die sich auf das Staatsgeheimnis stützen. Weitere 60 Gesetze argumentieren mit der Geheimhaltung. Er räumt seinen Bürgern angeblich das Recht auf Akteneinsicht ein. Durch die Hintertür von Ausnahmeregelungen wird das Recht aber wieder eingeschränkt.

Er schafft den gläsernen Bürger, indem er sein ganzes Leben überwacht und die Daten speichert. Er handelt unmoralisch.

Er besitzt Informationen über Ihren Ehepartner, Familienangehörigen, Genossen und Freund. Er besitzt aber auch Informationen über Ihre Träume.

Das neue Gesetz ist viel schlimmer als sein Vorgänger. Unter dem Vorwand des Schutzes der Privatsphäre wird die Privatsphäre bedroht. Es ermöglicht die Zensur genauso wie ungezügelte Angriffe auf die Privatsphäre.
Im Verfahren Ahmet Yildirim gegen die Türkei (AZ: 3111/10 vom 18.12.2012) hatte der Europäische Gerichthof für Menschenrechte das frühere Internetgesetz für bedenklich erklärt. Was jetzt nötig wäre, ist nicht eine weitere Einschränkung von persönlichen Rechten und Freiheiten. Und die Regierung möchte dies auf Teufel komm raus nicht einsehen. Sehr schade…
Hüsnü Öndül *

* Ehem. Vorsitzender des Menschenrechtsvereins (IHD)

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