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Utopie oder wirklich umsetzbar? Die 30-Stunden-Woche!

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Yusuf As

Als die Forderung von ca. 100 Wissenschaftlern, Gewerkschaftlern und Politikern zur 30-Stunden-Woche publik wurde, ging den Werktätigen sicherlich so einiges durch den Kopf. Mitte der 80`er Jahre hatte die IG-Metall und die damalige IG Drupa (IG Druck und Papier – heute ein Teil der großen Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di) mit einer großen Streikwelle die 35-Stunden-Woche erkämpft. Es war eine der am härtesten geführten Kämpfe der deutschen Gewerkschaften seit eh und je. Mit diesem Streik sollten die Arbeitgeber zur Einführung der 35-Stunden-Woche gezwungen werden. Während bei der IG Drupa der Streik in der 9. Woche eskalierte, weil Streikbrecher einen Streikposten mit dem Auto überfuhren, beendete die IG Metall den Streik bereits nach sechs Wochen und nahm den nach dem Schlichter benannten „Leber-Kompromiss“ an. Die IG Drupa musste noch zwei Wochen weiterstreiken, doch der angenommene Kompromiss war alles andere als ein Sieg. Denn nach diesem „Leber-Kompromiss“ wurde erstens die 35-Stunden-Woche nicht sofort eingeführt, sondern stufenweise, zunächst einmal auf 38,5 Stunden/Woche. Zweitens hatten die Arbeitgeber in der Metallindustrie die Möglichkeit, einen Teil der Belegschaft (immerhin 18 %) weiterhin 40-Stunden in der Woche arbeiten zu lassen. (Wie das mit der stufenweisen Einführung der Arbeitszeitverkürzung bis 1995 weiterging und wie in dieser Zeit die Arbeitgeber die Arbeitszeiten flexibilisiert haben, würde in diesem Artikel den Rahmen sprengen.)

Was aber in diesem Rahmen noch gesagt werden muss: Um die 35-Stunden-Woche wurde wirklich hart gekämpft. Doch der Kampf um die Arbeitszeitverkürzung vollzog sich jedenfalls zur damaligen Zeit in jeder Hinsicht beispiellos. Der damalige Kanzler, Helmut Kohl (CDU), schlug sich wie erwartet und ganz offen auf die Seite der Arbeitgeber. Er nannte die Forderung nach der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich, „dumm und töricht“. Doch auch viele SPD-Politiker fanden die Forderung nur „an sich richtig“, doch „gleich 5 Stunden weniger arbeiten“ war sogar für Politiker, „deren Herzen links schlägt“, zu viel.

Doch die Gewerkschaften, allen voran natürlich die IG Metall und die IG Drupa, aber auch der Dachverband DGB samt ihrer Hans-Böckler-Stiftung agierten mit einer beispiellos vorbereiteten Kampagne für die Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich. Die Aktionen der Gewerkschaften wurden unterstützt von Künstlern, Wissenschaftlern und vielen politisch engagierten.

Aber heute wird die 35-Stunden-Wochen-Regelung in den meisten Fabriken und Arbeitsbereichen nicht durchgeführt. Daimler-Arbeiter arbeiten öfters 40 Stunden anstatt 35, wenn die Samstage noch dazu kommen, liegen sie schon teilweise bei 48 Stunden die Woche. In den meisten anderen Betrieben sieht es nicht anders aus. Aufstockung der Normalarbeitszeiten ist der Regelfall am Arbeitsplatz, statt die Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich zu verkürzen, ganz einfach mit Sondertarifregelungen an jedem Standort.

 

Warum 30 Stunden fordern, wenn nicht einmal 35 eingehalten werden?

Dennoch ist es auch jetzt zur gegebenen Zeit wichtig, eine Verkürzung der Arbeitszeit zu fordern. Arbeit ist genug da, 2,5 Milliarden Überstunden wurden in Deutschland allein 2010 gemacht, an „Samstagen gehören Papi und Mutti nicht mir“, die Technik ist hoch entwickelt usw. usf. Warum also nicht die Arbeit auf mehrere Schultern verteilen?! Die Kürzung der Arbeitszeit wäre eigentlich das Logischste und Naheliegendste! Die Antwort darauf gibt uns der Uno Direktor für Organisation für Welthandel und Entwicklung (Unctad), Heiner Flassbeck, der gegenüber dem Spiegel sagte:  „Das wäre wie das Paradies mit den gebratenen Tauben.“ Der in dem offenen Brief beschriebene Mechanismus zum Lohnausgleich funktioniere nicht. „Das Wort Lohnausgleich hat man erfunden, um Gewerkschaftsmitglieder milde zu stimmen“, sagt Flassbeck. Damit der Ausgleich funktioniere,  müsse nämlich die Arbeitsproduktivität der Angestellten im selben Maße wie ihr Lohn steigen, was bei einer Arbeitszeitverkürzung auf 30 Stunden pro Woche unmöglich wäre. Wenn es also dazu kommen sollte, müssten die Arbeiter mehr produzieren, um ihre „weggefallenen“ Arbeitsstunden wieder rein zu holen. Dann soll Herr Flassbeck bitte auch mal kurz folgendes erklären: Die Arbeitsproduktivität stieg von 1997 bis 2008 um ganze 34,8 %. Die logische Schlussfolgerung, dass dementsprechend die Löhne hätten steigen müssten, traf in dieser Zeit aber keineswegs ein. Im Gegenteil! Wie erklärt man sich das? Das nennt man, aus Sicht der Arbeitgeber und ihrer Vertreter, so Z.B. Herr Flassbeck, eine gesunde Aufteilung der Lasten oder?

 

Burnout und Herzinfarkt als Dankeschön für Flexibilität

Als ob die Arbeiter nicht schon genug Lasten zu tragen hätten, entwickelt sich auch der Gesundheitszustand der Beschäftigten immer weiter negativ. Früher gab es dem Beruf entsprechende Krankheiten, wie Staublungen, Vergiftung oder kaputter Rücken. Heute redet man am meisten über Burnout und dem immensen Stress, dem die Angestellten und Arbeiter ausgesetzt sind. Die Psyche macht irgendwann nicht mehr mit. Das ist der Preis der Flexibilität, hoher Arbeitsdruck durch Steigerung der Produktion mit derselben Zahl an Belegschaft, wenn nicht sogar mit weniger! Angestellte werden hierbei auch noch nach der Arbeit vom Betrieb verfolgt. Erreichbarkeit durch Handy und E-Mails gibt vielen Angestellten keinen Freiraum von der Arbeit. In Betrieben, wo Betriebsräte sich dies zur Aufgabe gemacht haben, dies zu unterbinden mit einer Betriebsvereinbarung, wie bei Daimler oder VW gibt es diesbezüglich gute Resultate. Aber es sind nur rund 40 % aller Beschäftigten, die in einem Betrieb Betriebsräte haben.

 

30 Stunden fordern zum vollen Lohnausgleich

Mit der Forderung der 30-Stunden-Woche bei vollem Lohnausgleich könnten mehrere Probleme zumindest gemildert werden. Die Krankheit des 21. Jahrhunderts, den wir „Burnout“ nennen, von dem fast jeder verfolgt wird, sowie die Systemkrankheit „Arbeitslosigkeit“. Das positive im Gegensatz dazu wären gesicherte Arbeitsplätze. Das ist eine Forderung, auf die wir nicht verzichten sollten. Was die IG-Metall-Spitze und weitere Gewerkschaften jetzt schon bereits fordern, ist Kurzarbeit, wo zwar weniger gearbeitet wird, aber „der Steuerzahler“ bezahlen muss. Die Konzerne sollten aber zur Kasse gebeten werden und nicht wieder einmal die Beschäftigten. Das Verständnis von Herrn Flassbeck ist dies, dass das Geld weiterhin nur in der Hand weniger bleiben soll, statt einen Teil davon der Beschäftigten zu geben, die es erwirtschaftet haben.

Der Mensch lebt nicht, um zu arbeiten, sondern er arbeitet, um zu leben. Das sollte doch heutzutage das entscheidende Kriterium für die politische Forderung der Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn- und Personalausgleich sein.

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