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Vielseitig und kämpferisch: DIDF-Jugend

Die Aktionen der letzten Zeit ließen auch die Jugendlichen nicht kalt. In den letzten Monaten gab es viele Massendemonstrationen und Veranstaltungen. Was positiv auffiel: Der Großteil der Menschen, die auf die Strassen gingen, waren junge Leute. Mal ging es um die Schließung von Atomkraftwerken, mal um die Blockade von Naziaufmärschen, mal war es der 1. Mai, „Tag der Arbeit“ oder ein konkretes Problem, wie die Leiharbeit. Jugendliche mit türkeistämmigem Migrationshintergrund sind besonders in diesem Jahr ein Thema bei verschiedenen Veranstaltungen der Gewerkschaften, Bürgerinitiativen und anderer Organisationen, weil dieses Jahr das 50. Jubiläum des Anwerbeabkommens Deutschlands mit der Türkei ist. Der unabhängige Jugendverband der „Föderation der Demokratischen Arbeitervereine“, DIDF-Jugend, organisierte in den letzten Monaten auch verschiedene Veranstaltungen und mobilisierte zu den genannten Demonstrationen. Wir haben zwei Mitglieder des geschäftsführenden Bundesvorstandes interviewt und fragten sie, wie ihre Arbeit der nächsten Zeit aussieht.

Was beschäftigte die DIDF-Jugend in den letzten Monaten?

Yusuf As: Wir hatten in den letzten Monaten viele weltbewegende Ereignisse. Von den Protesten in den arabischen Ländern waren wir fasziniert. Die arabische Bevölkerung wurde seit Jahrzehnten unterdrückt, imperialistische Staaten hatten die Diktatoren seit Jahrzehnten militärisch und finanziell unterstützt und ihre Diktatur mit aufgebaut. Die seit dem 11. September herrschende Islamphobie und das Bild der arabischen Bevölkerung im Westen wurden mit den Protesten gegen die Diktaturen der Herrschenden vollkommen umgewälzt. Die DIDF-Jugend hat sich mit den arabischen Demonstranten solidarisiert und hat an Solidaritätsveranstaltungen teilgenommen. Andererseits sieht die Situation der Jugendlichen in dem sog. demokratischen Deutschland auch nicht besser aus. Denn der Alltag der Jugend ist von Arbeitslosigkeit, Ausbildungsplatzmangel, schlechten Übernahmechancen und prekären Beschäftigungen geprägt. Dies hat vor allem die Arbeit der DIDF-Jugend ausgemacht. In unseren Publikationen wurde das thematisiert und in unserer täglichen politischen Arbeit waren das zwei unserer Schwerpunkte.

Cigdem Ronaesin: Ein weiterer Schwerpunkt ist die Atom-Katastrophe in Fukushima. Mit zahlreichen Jugendlichen haben wir über die Atompolitik der Bundesregierung diskutiert und sind auf die Straße gegangen, weil wir es nicht zulassen dürfen, dass unsere Zukunft in Gefahr gebracht wird, damit einige „Energie-Multis“ noch mehr Profit auf Kosten von Mensch und Umwelt erzielen können. Die DIDF-Jugend ist gerade dabei, sich personell und strukturell zu stärken und die Strukturen in den Orten zu befestigen. In NRW haben wir derzeit viele Gruppen, die gerade dabei sind, viele neue Jugendliche um sich zu sammeln. Deshalb haben wir vor einigen Wochen ein Seminar mit dem DGB organisiert, wo wir vor allem das Thema Rassismus als Schwerpunkt hatten. Wir haben das Seminar für alle Gruppen in NRW angeboten, weil ProKöln zum dritten Mal zu einer Demonstration aufgerufen hatte. Natürlich haben wir landesweit zu der Blockade aufgerufen.

Die DIDF-Jugend ist auch Unterstützerin der DGB-Jugend-Kampagne „Wie willst du Leben?“ Was wollt ihr zu dem Thema machen?

Cigdem: Wir haben einen Fragebogen erstellt und möchten von den Jugendlichen wissen, wie sie sich eine bessere Bildung, Arbeitssituation oder das Zusammenleben vorstellen. Wir wollen aber nicht nur bei dem Fragebogen bleiben, sondern viel mehr mit ihnen ins Gespräch kommen. Unser Schwerpunkt sind vor allem Jugendliche aus der Türkei. Weil sie von den sozialen Problemen am meisten betroffen sind, wollen wir verschiedene Aktionen unter diesem Motto machen. Wir wollen nicht nur herausfinden, wie die Jugendlichen leben wollen, sondern viel mehr, wie wir es auch zusammen umsetzen können. Bei dem Fragebogen nehmen wir auch die Kontaktdaten, um dann gegen Ende des Jahres eine Podiumsdiskussion zu veranstalten, bei der wir diese verschiedenen Themen ansprechen werden. Unsere Ortsgruppen machen jetzt eine Liste ihrer geplanten Aktivitäten mit den entsprechenden Aktionen zu diesem Thema. Zum Beispiel in Köln werden einige mit dem türkischen Fernsehsender Hayat-TV einen Film drehen. Auch unser diesjähriges Jugendcamp ist dieses Jahr unter dem Motto: „So wollen wir leben!“

Wie kann man sich das Camp vorstellen?

Yusuf: Das Camp wird vom 29. Juli bis zum 07. August in Döbriach/Österreich stattfinden. Vor 3 Jahren waren wir dort schon einmal. Es ist ein schöner Ort am Millstättersee. Die von uns genannten Themen werden bereits von unseren Aktivisten vorbereitet. Die Teilnehmer werden auf dem Camp die Möglichkeit haben, in Seminaren, Workshops und Arbeitsgruppen diese Themen zu erarbeiten und über diese zu diskutieren. Auch werden verschiedene Schriftsteller, Autoren und Gewerkschafter an unserem Camp teilnehmen. Aber besonderen Wert werden wir dieses Jahr auf unsere Basisgruppen –Schüler, Studenten und Arbeiter- legen. Alle haben ihre spezifischen Schwerpunkte. Auch wenn die Bevölkerung von der Politik in z.B. Baden-Württemberg oder NRW einiges erwartet, ändert es nichts an der Tatsache, dass die Probleme im Bildungswesen trotz neuer Strukturierung und Abschaffung der Studiengebühren noch immer vorhanden bleiben werden. Unter anderem darüber werden wir in den Basisgruppen diskutieren. Auch unsere „Jungarbeiter- und Azubi-Gruppe“ hat dieses Jahr auf dem Camp einen besonderen Stellenwert, weil sie in den letzten Monaten wichtige Schritte gemacht hat. Vor allem im Süden, wo das Herz der Industrie schlägt, haben wir eine Arbeiter- und Azubi-Konferenz organisiert.

Cigdem: Um das Camp zu einer kollektiven Arbeit zu machen, haben wir in einigen Städten bereits Campvorbereitungskomitees gegründet. Diese sollen nicht nur Seminare oder inhaltliche Themen vorbereiten, sondern für verschiedene Freizeitaktivitäten wie Sportturniere oder kulturelle Abendveranstaltungen sorgen. Denn unsere Camps bestehen aus verschiedenen Einheiten, wie den inhaltlichen Diskussionen und Seminaren, den Arbeitsgruppen (Tanzen, TV, Zeitung, Theater, Kunst etc.), Freizeitaktivitäten wie Sportturniere, Gemeinschaftsspiele, Talentshows, Städtetours etc. und natürlich den Abendveranstaltungen, die Konzerte, Theatervorstellungen, Lagerfeuer etc. beinhalten.  Deshalb ist das Campleben die perfekte Antwort auf die Kampagne „Wie willst du leben?“ Wir werden in den 10 Tagen zeigen, wie wir leben wollen. Ohne Ausbeutung und Unterdrückung werden wir mit allen Teilnehmern ein alternatives Leben gestalten.

50 Jahre Migration aus der Türkei geht sicherlich auch nicht an euch vorbei, auch wenn viele von euch sicherlich hier geboren sind…

Yusuf: Nein, sicherlich nicht. Es ist nun 50 Jahre her, seit dem unsere Eltern und Grosseltern nach Deutschland gekommen sind. Deutschland ist deren Heimat geworden aber war mit unserer Geburt bereits unsere Heimat! Und vor allem unsere Generation und die nach uns kommende werden sicherlich nicht irgendwann in die Türkei auswandern. Es gibt natürlich irgendwelche Nostalgiker, die davon Träumen, ein „glückliches Leben in Istanbul“ zu führen, aber das ist eher die Minderheit und meine ehrliche Meinung dazu: Das werden immer nur Träume bleiben, weil man seine Heimat nicht so einfach und ohne Grund verlassen wird! Aber Fakt ist, dass sich vor allem Jugendliche in Deutschland unwohl oder unerwünscht fühlen. Das liegt daran, dass immer wieder Migranten als Sündenböcke vorgeschoben werden, wenn man von anderen Problemen ablenken will. Für ein gegenseitiges Verständnis veranstalten wir in den nächsten Monaten Diskussionsrunden unter dem Motto „Sie kamen-Sie schufen-Ich bleibe!“

Habt ihr auch vor, eine bundesweite Aktion durchzuführen?

Unser Solidaritäts- und Freundschaftsfest ist unter dem Motto: 50 Jahre Migration. Dieses Jahr ist das Programm wirklich sehr bunt. Neben dem kulturellen Programm wie Aynur Dogan, Sevval Sam, Haluk Levent und anderen Gruppen, wird es Kabarettisten wie Muhsin Omurca und Fatih Cevikkollu geben. Auch die Liste der Redner ist wirklich interessant, denn es sind Akteure des Zusammenlebens eingeladen. Hüseyin Avgan, Sevim Dagdelen, Frank Bsirske und andere Redner stehen auf dem Programm. Es ist wichtig, gerade jetzt ein Freundschaftsfest zu organisieren; jetzt, wo scheinheilige „Integrationsdebatten“ geführt werden und die Politik versucht, Menschen in Inländer-Ausländer zu spalten, ist es wichtig, zu zeigen: Nach 50 Jahren schaffen wir es immer noch, friedlich und freundschaftlich zusammen zu leben, egal, wer und warum auch immer versucht, zu spalten!

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