Die Zeitgeschichte hat im letzten Jahrhundert zahlreiche Zäsuren mit sich gebracht und wir erleben heute eine Phase der Jubiläen und Rückblicke. Die Gesellschaft, in der wir heute leben, wurde von diesen Ereignissen – und auch von Einzelpersonen – maßgeblich geprägt, sodass wir Tag für Tag mit der Geschichte konfrontiert werden. Seit 2014 blickt Yeni Hayat/Neues Leben kritisch auf die Vergangenheit, analysierte und bewertete in vergangenen Ausgaben 100 Jahre 1. Weltkrieg, 100 Jahre Oktoberrevolution, 50 Jahre 68er Bewegung und 200 Jahre Karl Marx. Nun wenden sich die Blicke auf die Novemberrevolution in Deutschland, die sich zum hundertsten Mal jährt. Die parlamentarische Demokratie der Bundesrepublik fand hier seine Anfänge und die Wilhelminische Kaiserzeit ging zu Bruch. Eine bedeutende Wendung in der Politikgeschichte.
Auch 100 Jahre aktives und passives Wahlrecht für Frauen ist von hoher Wichtigkeit. Hier trugen emanzipatorische Kämpfe der Frauenbewegung für erste Fortschritte in der Geschlechter-Gleichberechtigung bei.
Während die Wichtigkeit von Wahlrecht zu betonen ist, gilt es die Landtagswahlen in Bayern und Hessen zu bewerten. Noch nie zuvor konnten in Bayern Bündnis90/die Grünen ein Wahlergebnis von 18% erreichen. In Anbetracht der immer stärker werdenden Umweltbewegung, seien es die traditionellen Anti-Atom Aktivisten oder neu entfachte Kraft gegen die Rodung des Hambacher Forstes, scheint die Beliebtheit der Umweltpartei keine große Überraschung zu sein und so feiern die Grünen ihr historisch bestes Wahlergebnis im Freistaat. Ähnlich wird es wohl in Hessen zugehen und während auch im Deutschlandtrend die Grünen immer weiter nach oben klettern – zur Zeit zweitstärkste Partei auf Bundesebene – stürzt die SPD immer weiter nach unten. Selbst Parteichefin Andrea Nahles konnte nach dem erschütterten Wahlergebnis in Bayern nur mit den Worten ringen; es scheint die Sozialdemokraten singen nur noch ein leises Lied und klammern an der Großkoalition. Und so schließt sich der Kreis, ähnlich wie vor hundert Jahren, als im Zuge des Einbruches der Monarchie, die SPD noch vehement versuchte, sich an den Kaiser zu klammern.
Und während die regierenden Parteien fallen, spüren wir, wie sich etwas in der Gesellschaft bewegt. 242.000 demonstrierten in Berlin, dass sie „unteilbar“ sind. Die vergangenen Monate waren geprägt mit Massenprotesten, vom Hambacher Forst bis zum Polizeigesetz. Der Unmut und das Bewusstsein, dass sich etwas verändern muss, wächst.