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Wieder Westfield: Mindestens vier Tote auf Prestige-Baustelle in Hamburg

ENDER SÖĞÜT / HAMBURG

Am Morgen um 9:10 Uhr kommt es auf der Westfield-Überseequartier-Baustelle zu einem Unglück, der mindestens vier Bauarbeitern das Leben gekostet hat. So ist ein Baugerüst in einen innenliegenden Fahrstuhlschacht gestürzt, wodurch die sich auf ihr befindlichen Bauarbeiter acht Stockwerke tief gefallen sind. Laut eines Feuerwehrsprechers gestaltet sich die Rettung der noch vermissten Bauarbeiter schwierig, denn die Trümmerteile des abgestürzten Baugerüsts stapeln sich vom Untergeschoss bis in den zweiten Stock des Fahrstuhlschachts.

„Die Schwierigkeit besteht natürlich darin, dass wir hier viele Gerüstteile haben, die gesichert werden müssen, und wir uns hier Stockwerk für Stockwerk erstmal an die Einsatzstelle bis nach unten hin rantasten müssen“, so der Feuerwehrsprecher, der von einem Einsatz bis in die Abendstunden ausgeht. Insgesamt sind rund 150 Feuerwehrleute im Einsatz.

Arbeiter spricht von 1,5 Tonnen Ytong-Steinen auf dem Gerüst

Bei der Baustelle, auf dem zwischen 1.300 bis 1.500 Menschen arbeiten, handelt es sich um das Westfield Einkaufszentrum, welches das Größte in Norddeutschland werden soll und sich in der HafenCity befindet, die als Europas größtes innerstädtisches Stadtentwicklungsvorhaben gilt. Das Immobilienunternehmen Unibail-Rodamco-Westfield investiert dabei den Angaben zufolge mehr als eine Milliarde Euro. Doch die Größe des Projekts bedeutet keineswegs, dass auch die Arbeitssicherheit großgeschrieben wird.

Denn vor Ort sprach ein Arbeiter von mehreren Wandbausteinen aus Porenbeton (auch bekannt als Ytong-Steine), die sich auf dem Gerüst befunden haben sollen. Nach der Aussage des Arbeiters gegenüber IPPEN.MEDIA sollen sich rund 1,5 Tonnen sogenannter Ytong-Steine zum Zeitpunkt des Vorfalles auf dem Gerüst befunden haben. Während sich diese Aussage am Montagnachmittag bisher nicht überprüfen ließ, ist festzuhalten, dass das Großprojekt bislang nicht mit vorbildlicher Arbeitssicherheit glänzt. Bereits am 9. Juni 2023 brach auf dem Dach ein Großbrand aus, mehrere Gasflaschen explodierten und eine dichte Rauchwolke überzog Hamburgs Innenstadt. Verletzt wurde damals glücklicherweise niemand.

Gute Arbeitsbedingungen in der HafenCity: Fehlanzeige

Schwere Unfälle gehören auch auf den anderen Baustellen der HafenCity zur Regel. Unweit des Überseequartiers waren erst am 2. September vier Arbeiter auf einer Baustelle an den Elbbrücken von einem Gerüst gestürzt und teils lebensbedrohlich verletzt worden. Auch im April 2020 waren auf einer Baustelle an der Zweibrückenstraße in der HafenCity zwei Arbeiter von herabfallenden Bauteilen schwer verletzt worden.

Doch die Dunkelziffer an Verletzungen wird deutlich höher liegen. Denn Arbeiter berichteten unserer Zeitung, dass das Subunternehmen, für das sie arbeiten, sie dazu drängt, Unfälle auf der Arbeit nicht zu melden und bei Krankenhausbesuchen zu behaupten, die Verletzung sei in der Freizeit passiert.

Damit nicht genug, erreichten uns Berichte von aus dem Ausland hergeholten Arbeitern, deren prekäre Aufenthaltssituation von Subunternehmen dafür ausgenutzt wird, sie überlang arbeiten zu lassen, Lohn vorzuenthalten und sie mit überhöhten Unterbringungskosten auszunehmen.

Die HafenCity ist das jüngste Beispiel dafür, dass gestern wie heute die glanzvollen Bauten der Großkonzerne auf den Knochen der Arbeiter errichtet werden. Dafür braucht man nicht in die Ferne nach Katar oder China schauen.

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