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“Wir haben unser Wort gehalten”

Das einwohnerreichste Bundesland Nordrhein-Westfalen (NRW) steuert auf vorgezogene Wahlen am 13. Mai zu. Wir haben mit Özlem Alev Demirel, bisherige Abgeornete im aufgelösten Landtag und erneute Kandidatin für Die Linke auf der Landesliste Platz 9 und Direktkandidatin für Köln-Mülheim über die Gründe für das Auflösen des Parlamentes sowie über ihre Ziele gesprochen.

 

NL: Was hat die rot-grüne Minderheitsregierung dazu bewogen, das Parlament vorzeitig aufzulösen und Neuwahlen anzustreben?

ÖD: Die Minderheitssituation hat SPD und Grüne von Anfang an gestört. SPD und Grüne wollten die absolute Mehrheit im Paralament haben, weil sie sich für einzelne Gesetzesinitiativen und Vorschläge keine weiteren Bündnispartner suchen wollen. Neuwahlen waren daher seit Beginn der rot-grünen Minderheitsregierung immer wieder auf der Tagesordnung. Als letztendlich die Haushaltsdebatten in diesem Jahr ihren Höhepunkt erreichten, nahm sie diese zum Anlass, um den Landtag aufzulösen. Bevor die Entscheidung offiziel erklärt wurde, gab es intensive Gespräche der SPD-Grünen-Regierung mit der FDP, um den Haushalt gemeinsam zu verabschieden, statt sich mit den Vorschlägen der Linken in Bezug auf Arbeit und soziale Gerechtigkeit auseinanderzusetzen oder diese ernsthaft in Erwägung zu ziehen. Nach zwei Annäherungsrunden mit der FDP sah es so aus, als wenn sie sich spätestens nach der Dritten einigen würden. Aber bevor es dazu kam, kam es dann doch mit den Anträgen von SPD, Grünen und CDU zu Neuwahlen.

Wir können folgendes festhalten: Anstatt dass die Regierung im Haushaltsplan 35 Millionen Euro für ein NRW weites Sozialticket, wie wir das gefordert haben, ausgeben wollte, entschied sie sich für Neuwahlen, was insgesamt 45 Millionen Euro kostet!

 

Welche Errungenschaften wurden in den letzten zwei Jahren mit Unterstützung der Linken beschlossen?

Die türkische Presse hat es oft so dargestellt, als hätten wir die rot-grüne Regierung immer unterstützt. Aber wir haben nur die Vorschläge befürwortet, die sich mit unserem Programm und unseren Forderungen überschnitten. Wir haben alles unterstützt, was im Interesse der Bevölkerung und der Mehrheit der Gesellschaft war und uns enthalten, wenn wir eine richtige Tendenz und Richtung in den Vorschlägen sahen, aber diese nicht deckungsgleich mit unseren Forderungen waren. Wir haben zwei Jahre lang uns immer gegen das gestellt, was gegen die Bevölkerung gerichtet war. Vieles, wogegen wir waren, wurde mit Unterstützung der CDU oder FDP beschlossen.

Studiengebühren z.B. wurden mit den Stimmen der Linken und dem gemeinsamen Druck von uns und den Studierenden abgeschafft, die Möglichkeit der Abwahl von Oberbürgermeistern war eine Initiative der Linken. In diesem Zusammenhang ist z.B. der Duisburger OB Sauerland nach einem Bürgerentscheid in Duisburg abgewählt worden. Auch haben wir mitbeschlossen, dass vom Land NRW Aufträge nur an Firmen vergeben werden dürfen, die sich an den gesetzlichen Mindestlohn im verabschiedeten Tariftreuegsetz halten. Auf der anderen Seite hat der Landtag nur gegen unsere Stimmen 1 Milliarde Euro für die Landesbank WestLB beschlossen. Wir haben von Anfang an für “Eine Schule für Alle!” gestanden, aber die Regierung lehnte das ab und einigte sich lieber mit der CDU mit einem “Schulkompromiss”, nach der die Hauptschulen und das gegliederte Schulsystem immer noch nicht abgeschafft sind, sondern lediglich eine weitere Schulform hinzukam. Jetzt propagieren Grüne und SPD, wie erfolgreich sie doch waren, dabei wurden alle erfolgreichen Gesetze mit Unterstützung der Linken verabschiedet! Wir haben unser Wort gehalten und nur das gemacht, was wir für richtig hielten und in unserem Wahlprogramm versprochen hatten!

Was sind eure konkreten Wahlforderungen?

Unsere wichtigste Forderung ist die Besteuerung von Millionären, um Haushaltlöcher zu stopfen und Gelder für soziale und kommunale Ausgaben in die Kassen zu bekommen. Weiterhin stehen wir für ein landesweites Sozialticket für 15 Euro, damit auch arme und bedürftige Menschen sich Fahrten mit den öffentlichen Verkehrsmitteln im ganzen Land leisten können. Es ist wichtig, dass auch sog. Sozialbenachteiligte nicht vom sozialen, kulturellen und gesellschaftlichen Leben ausgeschlossen werden. Mobilität ist für diese gesellschaftliche Teilhabe eine wesentliche Vorraussetzung. Wenn man berücksichtigt, dass für Banken eine Milliarde Euro bereitgestellt wurde, sind die Ausgaben für dieses Ticket wirklich nur “Peanuts”. Rot-Grün hat die Hartz IV Gesetze eingeführt und insgesamt 18 Euro für Mobilität eingeplant. Daher fordern wir, dass dieses Ticket auf keinen Fall teuer sein darf, als 15 Euro, nicht weil wir für die Hartz-Gesetze sind, sondern sagen: “Wenn ihr in eurem eigenen Gesetz nur so viel Geld dafür vorgesehen habt, dann setzt das doch auch in die Praxis um!” Ebenfalls muss der ÖPNV insgesamt gestärkt werden, damit die Straßen und die Umwelt entlastet werden, weil viel mehr Menschen dann öffentliche Verkehrsmittel nutzen würden. Weitere Themen im Wahlkampf sind für uns die Qualität der Bildung und Erziehung in Kitas und Schulen und die Forderung nach bezahlbarem Wohnraum. Eine weiter Forderung ist “Löhne rauf!”. Wir stehen auf der Seite der Belegschaften und unterstützen ihre Forderungen nach mehr Lohn, der unbefristeten Übernahme von Azubis und ihre Forderungen gegen die Leiharbeit.

 

 

Wie sind eure Chancen?

Laut Umfragen steht die Linke nicht so gut dar, wie bei den letzten Wahlen. Deswegen müssen wir einen starken und unermüdlichen Wahlkampf starten. Diese vorgezonenen Wahlen haben den Wert einer Generalprobe für die Bundestagswahlen nächstes Jahr. Wenn die Linke es nicht in den Landtag schaffen sollte, wird das sicherlich nicht nur ein Verlust der Linken sein, sondern sicherlich auch eine Schwächung für die allgemeine gesellschaftliche und außerparlamentarische Opposition. Deswegen fordern wir alle linken und oppositionellen Kräfte auf, uns zu unterstützen. In diesem Zuhang wird auch die DIDF sich am Wahlkampf in NRW beteiligen und all ihre Kräfte einsetzen, damit die Linke es schafft.

 

 

 

Piraten? “Keiner weiß, wofür sie stehen!”

 

Die Piraten sind im Vormarsch und werden wahrscheinlich auch in den NRW-Landtag gewählt. Woran liegt das?

Wofür die Piraten eigentlich genau stehen, ist ziemlich unklar. Dort sind sowohl gesellschaftskritische und oppositielle Ideen vorhanden als auch neoliberale und konservative. Manche Neoliberale fordern, dass der Staat sich aus allem heraushalten soll. In Bayern wiederrum wurde bekannt, dass auch Ex- NPDler bei den Piraten sind. Viele Wähler sehen die Piraten als Protestpartei und wählen sie deshalb. Man kann zusammenfassend sagen: Keiner weiß, wofür die wirklich stehen oder in welche Richtung sie gehen werden. Die Linke hingegen hat eine klare Linie und ein konkretes Programm. Auffällig ist jedoch, dass die Medien die Piraten sehr aufbauen und ihnen viel Platz bieten.

 

 

 

 

“Nicht die ethnische Herkunft ist entscheidend”

 

Es gibt auf den Landeslisten aller Parteien türkeistämmige Kandidaten und die türkische Presse rückt das in den Vordergrund. Sollte das für türkeistämmige Wähler das Kriterium sein?

Ich möchte in diesem Zusammenhang auf folgendes hinweisen: Nur weil man selber ein “Migrant” ist, heißt das nicht, dass man sich für die Rechte und Forderungen der Migranten einsetzt. Das haben wir in den letzten zwei Jahren im Parlament gesehen. Der migrationspolitische Sprecher unserer Fraktion, Ali Atalan, hat die Landesregierung und den Landtag mehrmals aufgefordert, sich im Bundesrat für ein kommunales Wahlrecht für Migranten einzusetzen, aber das wurde von der rot-grünen Minderheitsregierung abgelehnt. Sicherlich kann ein Bundesland dieses Recht nicht alleine durchsetzen, aber sie kann die Initiative ergreifen und den Stein ins Rollen bringen. Dabei hatten alle Abgeordneten der SPD, Grünen und der CDU mit Migrationshintergrund gesagt, dass sie sich für dieses Recht einsetzen werden. Sie hätten sich gegen die eigene Partei in diesem Punkt stellen und diese Initiative unterstützen können, aber keiner hat das gemacht. Daher sehen wir deutlich: Es ist nicht entscheidend, welche ethnische Herkunft ein Abgeordneter hat, sondern für welche Politik man steht. Ein Abgeordneter muss sich an Statut und Programm seiner Partei halten, daher muss die Partei als Massstab genommen werden. Das Problem der Migranten beschränkt sich nicht nur auf das Wahlrecht. “Die Migranten vertreten” heißt, sich gegen Arbeitslosigkeit, Armut, Leiharbeit und Rassismus zu stellen, aber auch für einen Mindestlohn zu stehen und lebenswerte Bedingungen zu fordern. Denn das sind Probleme, die Migranten am meisten betreffen und in der Gesellschaft benachteiligen.

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